# taz.de -- Angespannte Lage der Museen: Lasst uns nicht nur über Bilder streiten
       
       > Identitätspolitik, rechte Agitation, Finanzknappheit, Restitution: Museen
       > und Ausstellungshäuser stehen jetzt vielfach unter Druck. Ein
       > Zustandsbericht.
       
 (IMG) Bild: Bestechende Bilder liefert die Künstlerin Klára Hosnedlová mit ihrer Installation „embrace“ im Museum Hamburger Bahnhof Berlin
       
       Museen seien müde, hieß es vor einigen Jahren. Sie seien als Orte des
       gesellschaftlichen Austauschs erlahmt. Jetzt aber scheinen Museen und
       Ausstellungshäuser vielmehr total unter Adrenalin zu stehen. Sie erfahren
       Druck von vielen Seiten, finanziellen, politischen und öffentlichen Druck.
       Sie leiden unter den bundesweiten Etatkürzungen.
       
       Die Akademie der Künste der Welt in Köln musste deswegen vor einigen Tagen
       ganz schließen. Kunstvereine müssen vor unwilligen Stadträten um die
       Finanzierung ihrer Ausstellungen kämpfen. Derweil beschimpft die AfD
       Sachsen-Anhalt das [1][Bauhaus Dessau als „Irrweg der Moderne“] und will
       lieber deutsche Malerei in den Museen sehen.
       
       Die Aggressionen gegen die Häuser aber kommen aus vielen politischen
       Richtungen. Vor allem in den sozialen Medien, wo man mit Shitstorms und
       Boykottaufrufen auf Kunstausstellungen reagiert. Und die Zerwürfnisse des
       Kulturbetriebs seit dem 7. Oktober sind noch lang nicht abgeklungen.
       
       ## Cancel Culture von rechts
       
       Klaus Biesenbach, Direktor der Neuen Nationalgalerie in Berlin, nahm in
       einem Spiegel-Interview vor einigen Wochen linke Identitätspolitik und
       ihren Ruf nach Political Correctness in die Verantwortung für dieses
       giftige Klima. Sie führe letztlich zu einer Cancel Culture, die
       Meinungsfreiheit und Kunstfreiheit unterbinde.
       
       Dabei haben auch die Rechten für den Museumsbetrieb die Techniken der
       Cancel Culture für sich angeeignet. In Trumps USA werden mit faschistoider
       Energie Kultureinrichtungen umgestaltet. Selbst Leihanfragen für
       Kunstwerke würden von US-Museen abgelehnt, erzählt eine Kuratorin, wenn in
       dem Konzeptpapier der Anfrage Begriffe wie „Diversität“ oder „Inklusion“
       fielen.
       
       Die Fronten sind ideologisch gepanzert in den Diskussionen um
       Kunstausstellungen. Der vor wenigen Wochen eröffneten [2][Berlin Biennale]
       sagte das britische Magazin Frieze nach, sie würde nicht benennen, welch
       angebliche Zensur herrsche in Deutschland seit dem 7. Oktober. Der Artikel
       wurde prominent in den sozialen Medien gespielt.
       
       Dabei weicht die Biennale-Kuratorin Zasha Colah dem Nahostkonflikt
       zumindest nicht aus. In einem Hauptsaal der Biennale ließ sie die
       Künstlerin Margherita Moscardini eine Treppe aus dem Hof des Mariengrabes
       in Jerusalem nachbauen. Aus scheinbar uralten Steinen ist Moscardinis
       Installation, die aber niemandes Eigentum sein sollen. Auf offene Weise
       hinterfragt dieses Kunstwerk den Anspruch auf Territorium und
       Deutungshoheit für einen Ort, der auch Teil des Nahostkonflikts ist.
       
       Aber es hinterlässt wohl zu viel Interpretationsspielraum in einer
       gereizten Öffentlichkeit. Die fordert von Ausstellungshäusern eher klare
       Bilder und Gegenbilder. Das tut auf eine Art auch der Kulturstaatsminister
       Wolfram Weimer, wenn er auf den Angriff der AfD gegen das Bauhaus erwidert,
       die berühmte Schule für Gestaltung in Dessau sei eine „Weltmarke“. Und das
       tut die Frieze-Autorin, wenn sie von der Biennale ein eindeutiges
       politisches Bekenntnis will.
       
       ## Neigung zu gefährlichen Verrenkungen
       
       Doch das sind Kämpfe auf der Oberfläche. Der derzeitige Druck auf die
       Museen geht auch nach innen, seit sie zur Plattform
       gesamtgesellschaftlicher Konflikte geworden sind. Noch nicht vergessen sind
       die aggressiven propalästinensischen Proteste bei der
       [3][Ausstellungseröffnung der Fotografin Nan Goldin] im letzten Winter, die
       auch Klaus Biesenbach im Spiegel zu seiner Generalkritik an die Politicial
       Correctness ausholen ließ.
       
       Öffentliche Kulturhäuser scheinen noch immer verunsichert zu sein, wie sich
       Grenzüberschreitungen erkennen und moderieren lassen – und neigen mitunter
       zu gefährlichen Verrenkungen. Bei der Berlin Biennale soll man gefürchtet
       haben, einen Text auszulegen, allein weil darin – und losgelöst vom
       Nahostkonflikt – der Begriff „Genozid“ fällt. Vielleicht war es das, was
       Zasha Colah in der Berliner Zeitung dazu veranlasste, doch von einer
       „Selbstzensur“ in Deutschland zu sprechen.
       
       Um von einem gereizten Klima so nicht zerquetscht zu werden, haben manche
       Museen Verhaltenskodizes eingeführt. Der Kunstkritiker Carsten Probst
       vermutet jedoch in der aktuellen Texte zur Kunst, dass gerade solch softe
       Kontrollmechanismen die Institution „erstarren“ ließen, sie würden
       „gezähmt“.
       
       Stimmt das? Dem widerspricht der Pressesprecher der Staatlichen
       Kunstsammlungen Dresden, Holger Liebs, auf taz-Anfrage. Auch sein Haus
       hatte 2024 einen Code of Conduct erstellt. Er ist im Netz öffentlich
       einsehbar.
       
       ## Nachwirkung der Restititutionsdebatte
       
       Dass von den einst „müden Museen“ Transparenz gefordert wird, ist auch eine
       Nachwirkung der Restititutionsdebatte. Sie hat den Blick der Öffentlichkeit
       auf Museen wirklich verändert. Was verbirgt sich in ihren Tiefen? Welche
       Spuren hinterließen die Verbrechen der Kolonialzeit und des
       Nationalsozialismus bei den Museumsobjekten, die uns eigentlich zur
       Anschauung des Schönen dienen?
       
       Noch vor wenigen Tagen schlug die vermeintlich mangelnde Aufarbeitung über
       die Provenienz des Tänzerinnenbrunnens im Georg Kolbe Museum Wogen in den
       Medien. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung warf dem Museum vor zu
       verschleiern, dass es sich um NS-Raubgut handele. Dabei hatte es sich in
       dem Fall ziemlich um Transparenz bemüht, die Erforschung von
       [4][Provenienzen ist nämlich auch eine diffizile Angelegenheit].
       
       Die Öffentlichkeit aber fordert von ihr [5][schnelle Ergebnisse]. Und die
       AfD hat die Provenienzforschung für ihre Attacken erkannt. Sie verursache
       einen „Ausverkauf“ der Museen, sei Symptom eines deutschen
       „Schuldkomplexes“, und Bemühungen um Aufarbeitung von Kolonialverbrechen
       seien das Einfallstor für einen „Rassismus gegen Weiße“. Mit derart
       verdrehten Argumenten will die AfD am liebsten alle Fördergelder streichen,
       wie ein offener Brief von Provenienzforscher:innen an die
       Bundesregierung in diesem Frühjahr beklagt. 220 Fachleute haben ihn
       mittlerweile unterschrieben.
       
       ## Misstrauen gegenüber den Museumssammlungen
       
       Eigentlich sind wir ja schon in einer Post-Restitutions-Debatte angekommen.
       Aus einem öffentlichen Misstrauen gegenüber den Museumssammlungen hat sich
       nämlich auch ein Misstrauen demgegenüber entwickelt, was Museen in ihren
       Ausstellungen überhaupt zeigen, wen sie damit ansprechen oder auch
       ausschließen. Die Institutionen sind angerufen, zwischen verschiedenen
       gesellschaftlichen Perspektiven zu verhandeln. Und das läuft über Sprache
       und Kommunikation.
       
       Vermittlung und Zugänglichmachung sind aber eben keine sichtbare,
       materielle Sache. Keine blinkende Ausstellungshalle und keine
       beeindruckende Schau, wie die Ausstellung monumentaler Stoffkreaturen der
       tschechischen Künstlerin [6][Klára Hosnedlová], die derzeit von der Decke
       der Museumshalle im Hamburger Bahnhof hängen, bezahlt von der Luxusmarke
       Chanel. Dem Berliner Museum stehe nämlich für solch eine Installation nur
       ein ungenügender Etat zur Verfügung, wie die Pressesprecherin bekundet.
       
       Wohl weil sie nicht so bestechende Bilder liefern wie Hosnedlová, werden
       Programme für Inklusion, Diversität und Vermittlung schnell durch
       Sparmaßnahmen eingestampft. Dazu gezwungen war auch Emma Enderby,
       Direktorin des Berliner Ausstellungshauses KW. Sie musste für 2025 eine
       Kürzung der Berliner Fördermittel um 14 Prozent hinnehmen.
       
       ## Repräsentation und stattliche Bilder
       
       Der Staatsminister für Kultur und Medien Wolfram Weimer hingegen stockt
       finanziell auf. Mit einer Kulturbautenoffensive sollen deutschlandweit auch
       Museen saniert und modernisiert werden. 50 Millionen Euro sind dafür
       zusätzlich im Haushalt vorgesehen. Es gehe ihm um eine „lustvolle
       Sichtbarmachung kultureller Orte“. Die [7][Museumsinsel in Berlin], für die
       der Klassizist Karl Friedrich Schinkel 1825 den Grundstein legte, solle
       wieder „in Glanz und Gloria“ erstrahlen, sagte Weimer kürzlich im
       Bundestag.
       
       Weimers neuer Kulturetat zeichnet auch einen Kulturbegriff ab. Einer, der
       auf Repräsentation setzt, auf stattliche Bilder. Das können tolle
       Museumsbauten leisten. Doch hat das offenbar wenig mit den
       Herausforderungen zu tun, denen Museen gerade gegenüberstehen.
       
       Auf diese angesprochen, sagt Barbara Steiner, Stiftungsdirektorin des
       gerade zur politischen Zielscheibe erkorenen Bauhauses Dessau: „Für die
       Kulturinstitutionen steht einiges auf dem Spiel, weswegen es darauf
       ankommt, Allianzen zwischen Institutionen, aber auch
       zivilgesellschaftlichen Initiativen zu verstärken.“ Am Ende geht es vor
       allem um Beziehungsarbeit.
       
       22 Jul 2025
       
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