# taz.de -- Restitution von Raubgut: Osnabrück will vorangehen
       
       > Osnabrück hat sich verpflichtet, mit der neuen „Schiedsgerichtsbarkeit
       > NS-Raubgut“ zusammenzuarbeiten – als eine der ersten deutschen Städte.
       
 (IMG) Bild: Gibt es in jeder deutschen Stadt: Möbel, die Jüd:innen geraubt wurden, hier in der Bremer Finanzbehörde
       
       Osnabrück taz | Nicht jede Ratsentscheidung bekommt die Aufmerksamkeit, die
       sie verdient. Beschlussvorlage VO/2025/4351 des Rats der Stadt Osnabrück,
       sperrig „Abgabe eines ‚stehenden Angebots‘ im Rahmen der Etablierung der
       Schiedsgerichtsbarkeit NS-Raubgut“ betitelt, ist ein Beispiel dafür. Kurz
       nachdem sie getroffen war, Anfang Juli, einstimmig, war Ferienzeit.
       
       Der Osnabrücker Beschluss hilft bei der Erschließung von Neuland. Initiiert
       hat ihn Wolfgang Beckermann, Vorstand der Stadt für Bildung und Kultur und
       Mitglied im Kulturausschuss des Deutschen Städtetages, der das neue
       Schiedsgericht bei seinen rund 3.200 Mitgliedern als „Meilenstein“ bewirbt.
       Osnabrück zählt zu den ersten Kommunen deutschlandweit, die das „stehende
       Angebot“ abgegeben haben.
       
       Die Schiedsgerichtsbarkeit, Arbeitsbeginn Ende 2025, mit 36
       SchiedsrichterInnen zuständig für in Kommunalbesitz befindliche Kunstwerke
       zweifelhafter Herkunft, ersetzt die bisherige „Beratende Kommission
       NS-Raubgut“ der Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste (DZK), ersetzt
       Empfehlungen durch Rechtssicherheit, ermöglicht einseitige Anrufung seitens
       der Opfer und ihrer Nachkommen. Ein neues [1][Restitutionsgesetz] soll sie
       flankieren.
       
       „Wir fanden es wichtig, ein klares Signal zu setzen, gerade in der
       derzeitigen Schlussstrich-Debattenlage, die ja starke Tendenzen zur
       Geschichtsfälschung zeigt, durch Akteure, die der extremen Rechten
       nahestehen“, sagt Sebastian Bracke der taz, Vize-Fraktionsvorsitzender der
       Osnabrücker Rats-Grünen. „Sicher, es geht um rechtliche Prophylaxe für den
       Fall der Fälle. Aber natürlich hat das für uns auch einen symbolischen
       Wert.“ Zu hoffen stehe, „dass viele Städte sich anschließen“.
       
       ## „Transparenz und Aufrichtigkeit“
       
       Osnabrück nehme das Thema Provenienzforschung „sehr ernst“, schreibt Silke
       Brickwedde, Sprecherin der Stadt, der taz. „Transparenz und Aufrichtigkeit
       sind der Stadt leitende Motive für den Umgang mit mutmaßlichem NS-Raub-
       bzw. Fluchtgut“. Einen aktuellen Fall-Anlass hat der Ratsbeschluss nicht.
       Auch seien aus der Vergangenheit „keine Fälle der Rückgabe von NS-Raubgut
       bekannt“, so Brickwedde.
       
       Wie transparent die Stadt mit dem Thema umgeht, zeigt sich am
       Museumsquartier Osnabrück (MQ4), Mitglied im „Netzwerk Provenienzforschung
       in Niedersachsen“ und durch Such- und Fundmeldungen Mitbestücker der Lost
       Art-Datenbank des DZK.
       
       In der „Villa_“, einem der Häuser des MQ4, seien Alltagsgegenstände
       präsentiert „und entsprechend kontextualisiert“, bei denen es sich
       „wahrscheinlich um NS-Raubgut [2][aus der sogenannten ‚M-Aktion‘] handelt“,
       schreibt Brickwedde – aus Wohnungen geflohener oder deportierter Juden
       wurden in den 1940ern Möbel und Einrichtungsgegenstände beschlagnahmt.
       
       Das Kulturgeschichtliche Museum des MQ4 besitze drei Gemälde aus dem 17.
       Jahrhundert, die aus Reichsbesitz (1940/43) stammen und dem Museum 1966 als
       Dauerleihgaben übergeben wurden, so Brickwedde. „Eigentümerin ist nicht die
       Stadt, sondern die Bundesrepublik Deutschland. Es wird vermutet, dass es
       sich bei den drei Werken um Raubkunst handelt.“ Dazu habe das Museum
       bereits publiziert und in Ausstellungen auf den Kontext ‚Raubkunst‘
       hingewiesen. Die Zuordnung an legitime EigentümerInnen oder potenzielle
       ErbInnen sei „bislang nicht erzielt“ worden.
       
       ## Nussbaum-Haus im Fokus
       
       Auch das [3][Nussbaum-Haus] des MQ4, ein Gedenkort für den 1944 im KZ
       Auschwitz ermordeten jüdischen Maler der Neuen Sachlichkeit Felix Nussbaum,
       steht im Fokus der Selbstüberprüfung. Für NS-Raub- bzw. NS-Fluchtgut in der
       Sammlung seiner Werke gebe es keine Belege, so die Stadtsprecherin.
       „Allerdings sind auch nicht alle Provenienzen aller Werke der Sammlung
       zweifelsfrei.“
       
       Das MQ4 untersuche daher derzeit „die Geschichte eines Konvoluts von rund
       20 Werken Nussbaums, welches 2001 der Stadt vermacht wurde. Die Nachfahren
       der Familie Nussbaums sind über die Forschungen des Museums informiert und
       heißen diese gut.“ Weitere Forschungslücken sollen „nach und nach
       geschlossen werden“.
       
       Die Einrichtung der neuen Schiedsgerichtsbarkeit bringe „neue Bewegung in
       die Aufarbeitung historischen Unrechts“, so Staatsminister für Kultur und
       Medien Wolfram Weimer (parteilos) Mitte September anlässlich der
       Bekanntgabe der 36 SchiedsrichterInnen. Eine klare Ansage gegen jede
       Geschichtsklitterung.
       
       10 Oct 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Harff-Peter Schönherr
       
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