# taz.de -- Orbán, Kickl, Meloni, Fico und Le Pen: Europas rechte Welle
       
       > Im EU-Parlament haben Konservative und Rechtsaußen jetzt eine Mehrheit.
       > Auch in vielen der Mitgliedsländer bauen sie ihre Macht aus.
       
 (IMG) Bild: Ungarns Premier Orban und FPÖ Obmann Kickl beid er Unterzeichnung der Fraktion Patrioten für Europa
       
       Brüssel/Wien/Rom/Paris taz | Wenn es um Viktor Orbán geht, sind alle gegen
       rechts. Die Abgeordneten der Linken sangen das Widerstandslied „Bella
       ciao“, als der ungarische Regierungschef am Mittwoch im Europaparlament in
       Straßburg sein Programm vorstellte. Die Grünen zeigten Plakate, die Orbáns
       korrupte Regierungsführung anprangerten.
       
       Sogar EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen griff den
       Rechtsnationalisten aus Budapest an. Orbán untergrabe mit seinem
       prorussischen Kurs die Sicherheit Europas, empörte sich die
       CDU-Politikerin. Wer ihr zuhörte, konnte meinen, von der Leyen würde sich
       nie mit Nationalisten und Rechtsradikalen gemeinmachen. Doch dieser
       Eindruck täuscht.
       
       Italiens postfaschistische Regierungschefin Giorgia Meloni gehört zu ihren
       wichtigsten Verbündeten, wenn es um die Migrationspolitik und den Bau der
       „Festung Europa“ geht. Kroatiens Premier Andrej Plenković wird hofiert,
       obwohl er mit der ultrarechten Heimatbewegung (DP) regiert.
       
       Keine Berührungsängste hat von der Leyen, wenn es um ihre neue Kommission
       geht, also um das Team, mit dem sie die EU in den nächsten fünf Jahren in
       Brüssel regieren will. Von Meloni ließ sie sich deren Vertrauten Raffaele
       Fitto aufschwatzen. Der Rechtskonservative soll nicht nur milliardenschwere
       EU-Fonds verwalten, von der Leyen will ihn sogar zum „exekutiven“
       Vizepräsidenten machen, also in die engste Führungsriege aufnehmen.
       
       Auch die designierten Kommissare Oliver Varhelyi (Ungarn) und Apostolos
       Tzitzikostas (Griechenland) „umgeben sich gern mit Rechtsradikalen“,
       kritisiert Martin Schirdewan, der Co-Vorsitzende der Linksfraktion im
       EU-Parlament. Die Kommission von der Leyen II. sei „ein Kniefall vor den
       Megakonzernen und Rechten“, so Schirdewan.
       
       ## Der Rechtsruck ist kaum aufzuhalten
       
       Ganz so hart fällt das Urteil der anderen etablierten Parteien zwar nicht
       aus. Doch auch Sozialdemokraten, Liberale und Grüne, die die konservative
       deutsche Kommissionschefin stützen, haben große Vorbehalte gegen Fitto und
       einige andere rechtslastige Kandidaten.
       
       Bei den Anhörungen im EU-Parlament, die im November geplant sind, könnte es
       deshalb Ärger geben. Doch selbst wenn der eine oder andere Kommissar
       durchfallen sollte, wird das den Rechtsruck in der Kommission nicht mehr
       aufhalten. Von der Leyen hat keinen einzigen Linken oder Grünen für ihr
       27-köpfiges Team nominiert – dafür aber 14 Politiker, die der konservativen
       Europäischen Volkspartei (EVP) angehören oder ihr nahestehen.
       
       So „schwarz“ und rechtsoffen wie diesmal war die Brüsseler Behörde noch
       nie. Auch das Programm, das von der Leyen ihrer Behörde vorgibt, trägt eine
       konservative und rechtsliberale Handschrift. Der European Green Deal geht
       in einem „grünen Industrieplan“ auf. Der Arbeits- und Sozialkommissar
       fliegt ersatzlos raus, Wettbewerbsfähigkeit und Aufrüstung heißen die neuen
       Prioritäten.
       
       Mit dem Ergebnis der Europawahl hat das wenig zu tun, umso mehr mit den
       Kräfteverhältnissen in den 27 EU-Staaten. Dort geben die Konservativen von
       der EVP den Ton an – und die Rechten gewinnen an Gewicht. Neben Ungarn und
       Italien werden die Niederlande und bald wohl Belgien und Österreich von
       Nationalisten und Rechtspopulisten regiert. Sogar die neue Regierung in
       Frankreich hängt von Marine Le Pens Nationalisten ab.
       
       ## Es droht eine rechte Sperrminorität
       
       Im Europäischen Rat könnten die Rechten schon bald eine Sperrminorität
       erringen. Damit können sie missliebige Gesetze verhindern und noch stärker
       Einfluss nehmen. In der Asyl- und Migrationspolitik macht sich der
       Rechtsruck bereits bemerkbar, andere Politikfelder dürften bald folgen.
       
       Im Europaparlament gibt es zwar einen „Cordon sanitaire“, so heißt die
       europäische Version der deutschen „Brandmauer gegen rechts“, und die
       Anhänger von Orbán, Le Pen und Co wurden von allen wichtigen
       Parlamentsposten ausgeschlossen. Doch erstmals haben Konservative und
       Rechtsaußen gemeinsam eine Mehrheit. Und diese wird genutzt.
       
       Zuletzt warfen am vergangenen Donnerstag laut [1][Informationen des
       Spiegel] mehrere Parlamentsmitglieder EVP-Chef Manfred Weber vor, mit
       Rechts-außen-Fraktionen dafür gestimmt zu haben, dass Kommissaranwärter
       Raffaele Fitto den ersten Anhörungstermin im entsprechenden Ausschuss
       bekommt. „Die EVP macht gemeinsame Sache mit den Ultrarechten, um den
       Kommissarkandidaten Italiens vor einem vorzeitigen Ausschluss durch
       proeuropäische Mehrheiten zu bewahren“, sagte der liberale Abgeordnete
       Moritz Körner.
       
       Mit einzelnen Rechten könne man durchaus zusammengehen, erklärte auch von
       der Leyen vor der Europawahl im Juni. Sie müssten lediglich für Europa, für
       die Ukraine und für den Rechtsstaat eintreten, so wie ihre italienische
       Freundin Meloni. Es ist diese Definition einer rechtsoffenen Politik, die
       die einst weltoffene und friedliebende EU umkrempelt – auch ohne Orbán.
       Eric Bonse, Brüssel
       
       ## Österreich: Die FPÖ nutzt den Corona-Unmut
       
       Während die anderen Parteien zwei Wochen nach der österreichischen
       Parlamentswahl noch ihre Wunden lecken, hält die siegreiche FPÖ an ihrem
       Kanzleranspruch fest. [2][Ob es dazu kommt, ist offen]. Fest steht aber:
       Die Freiheitlichen haben auf Bundesebene ihr bestes Ergebnis aller Zeiten
       eingefahren – und standen erstmals auf Platz eins.
       
       Zu ihrem Erfolg maßgeblich beigetragen hat ihr Coronakurs. „Wir haben nicht
       vergessen“, tönte Parteichef Herbert Kickl im Wahlkampf. Und das zu einer
       Zeit, als alle anderen Parteien die Pandemie längst links liegen ließen.
       Der rechtsextreme Kickl hatte im März 2020 zwar als Erster für einen
       Lockdown in Österreich plädiert.
       
       Wenig später erkannte er jedoch das Potenzial der Maßnahmengegner und
       schwenkte um. Kickl gab nun den Einpeitscher auf mehreren Demos und hatte
       keine Berührungsängste, was mitlaufenden Rechtsextreme anging. Andere
       Politiker belächelten diesen Kurs, anstatt auf berechtigte Sorgen
       einzugehen und Fehler einzuräumen.
       
       Denn erst der unentschlossene Zickzackkurs der schwarz-grünen Regierung war
       es, der am Ende umso härtere Maßnahmen nötig machte. Kaum ein anderes
       westliches Land hatte längere Lockdowns als Österreich. Nirgends sonst
       wurde eine allgemeine Impfpflicht beschlossen, die Kickl als „Anschlag auf
       die Menschlichkeit“ bezeichnete. Erst nach enormen Druck aus der
       Bevölkerung lenkte die Regierung schließlich ein, bevor die Vorschrift in
       Kraft trat.
       
       Die anderen Parteien übersahen, dass der drei Jahre lang aufgestaute Frust
       geblieben ist und das Misstrauen in die Medien ebenso. Dass die berechtige
       Kritik am Kurs der Regierung nie substanziell vom ORF und anderen
       aufgearbeitet wurde, machte es den Zweiflern leicht. FPÖ-TV, das 2021
       gegründete AUF1 und andere „Parallelmedien“ blühten auf.
       
       In ihrem Wahlprogramm fordert die FPÖ die „politische und juristische
       Aufarbeitung“ der Coronamaßnahmen. Zudem lehnt sie einen
       WHO-Pandemievertrag und „internationale Gesundheitsvorschriften“ ab und
       will die Beschaffung der Impfstoffe auf EU-Ebene aufklären. In
       Niederösterreich hat die FPÖ einen Coronahilfsfonds durchgesetzt. Aus dem
       31 Millionen Euro schweren Topf werden „verfassungswidrige Strafen“
       zurückgezahlt. Aber auch Impfschäden und Long Covid werden auf Antrag
       abgegolten. Einen solchen Fonds könnte es auch bundesweit geben.
       
       Und: Die FPÖ verbindet die Pandemie nahtlos mit anderen Themen, von der
       Russlandpolitik über die angebliche „Gleichschaltung der Medien“ bis hin
       zur tatsächlichen Überlastung des Gesundheitssystems. Letztere will sie
       bekämpfen, indem Zuwanderer und „Staatsfremde“ nur noch eine medizinische
       „Elementarversorgung“ erhalten sollen. Florian Bayer, Wien
       
       ## Italien: Meloni taktiert gegen die „Genderideologie“
       
       Als die Postfaschistin Giorgia Meloni im Oktober 2022 Italiens
       Ministerpräsidentin wurde, wiegelte sie erst einmal ab: Angriffe auf
       Bürgerrechte seien von ihr nicht zu erwarten, erklärte sie in ihrer
       Antrittsrede vor dem Parlament. Nie werde sie „die existierenden Freiheiten
       der Bürger einschränken“, und dazu gehöre auch das Recht auf Abtreibung.
       
       Die Stellungnahme durfte als einigermaßen überraschend gelten. Hatte Meloni
       nicht immer für „Gott, Vaterland, Familie“ gestritten? Hatte sie sich nicht
       zu einem konservativen Katholizismus bekannt? Hatte sie sich nicht ihrer
       Freundschaft mit Viktor Orbán gerühmt?
       
       In der Tat blieben frontale Attacken auf das Abtreibungsrecht oder auf die
       Rechte homosexueller Paare aus, obwohl Melonis Familienministerin Eugenia
       Roccella unumwunden sagte, „leider“ erlaube das italienische Gesetz
       Schwangerschaftsunterbrechungen. Melonis Koalition setzt auf Nadelstiche
       statt auf Frontalangriff.
       
       So verabschiedete sie ein Gesetz, wonach die Regionen den
       Aktivist*innen der Organisation Pro Life den Zugang zu
       Schwangerschaftsberatungsstellen einräumen dürfen. Dort können [3][die
       Abtreibungsgegner*innen] dann den Frauen ihre Propaganda ausbreiten
       oder ihnen gar die Herztöne ungeborener Kinder vorspielen.
       
       Des Weiteren untersagte das Innenministerium den Kommunen, in Ausland
       geborene Kinder homosexueller Paare standesamtlich als Kinder beider
       Elternteile zu registrieren, auch wenn das im Ausland bereits so
       vorgenommen worden war.
       
       Und schließlich treibt die Rechtskoalition im Parlament ein Gesetz voran,
       das die – in Italien bereits verbotene – Leihmutterschaft zum
       „Universalverbrechen“ erklären soll, womit auch jene Paare strafrechtlich
       verfolgt werden könnten, die ihr Kind von einer Leihmutter im Ausland
       hatten gebären lassen.
       
       Richtig ungemütlich wird die regierende Rechte, wenn es um Genderdiskurse
       und vor allem um trans Personen geht. Im September verabschiedete der
       Ausschuss für Kultur des Abgeordnetenhauses mit der Mehrheit der
       Regierungsparteien eine Entschließung, welche die Regierung auffordert, im
       Schulunterricht die Propagierung „von Verhaltensweisen zu verhindern, die
       auf der Genderideologie gründen“.
       
       Dem Abgeordnetenhaus liegt zudem ein Gesetzentwurf vor, der an den Schulen
       jene Theorien verbieten will, welche „die Unabhängigkeit, die
       Veränderbarkeit oder Umkehrbarkeit der Genderidentität gegenüber den
       sexuellen Charakteristika“ einer Person behaupten.
       
       Dass die Universität Roma Tre mit staatlichen Fördergeldern eine
       Beratungsstelle betreibt, an die sich auch trans Kinder wenden können,
       rief wiederum die Universitätsministerin auf den Plan. Sie wittert
       Missbrauch von Fördergeldern und hat staatliche Prüfer losgeschickt.
       
       Auch ein Krankenhaus in Florenz wurde vom Gesundheitsministerium
       „inspiziert“, weil dort Heranwachsenden mit dem Wunsch nach
       Geschlechtsumwandlung Pubertätsblocker verabreicht worden waren. Den Ton
       für solche Maßnahmen gibt Meloni selbst vor – mit ihren regelmäßigen
       Ausfällen gegen die „Genderideologie“. Michael Braun, Rom
       
       ## Slowakei: Fico greift Journalist:innen an
       
       Seit ihrem Antritt vor einem Jahr geht die slowakische Regierung gegen
       kritische Stimmen vor. [4][Kulturministerin Martina Šimkovičová] hat jüngst
       die Leitung mehrerer großer Kulturhäuser – Nationaltheater, Nationalgalerie
       und Nationalmuseum – ausgewechselt. Nachvollziehbare Gründe nannte die
       Ministerin von der rechtsextremen Slowakischen Nationalpartei (SNS) nicht.
       Ihr Vorgehen weckt Erinnerungen an die staatliche Zensur während des
       Sozialismus.
       
       Auch Einschnitte der Meinungsfreiheit zeichnen sich bereits ab: Die
       Regierung ließ kürzlich den öffentlich-rechtlichen Rundfunk RTVS formal
       schließen und neu gründen. Ziel ist ein verengtes, einheitliches,
       regierungstreues Programm. Vorbild ist dabei Polen, wo die PiS-Regierung
       ähnlich agierte, sowie natürlich Victor Orbáns Ungarn, dem Premierminister
       Robert Fico nachzueifern scheint.
       
       Seit Kurzem greift die Regierung auch vermehrt zu Einschüchterungsklagen.
       Fico etwa hat eine Klage gegen Peter Bardy, Chefredakteur des kritischen
       Nachrichtenportals Aktuality.sk, eingereicht. Anlass ist die Verwendung
       eines Fotos von Fico für das Cover von Bardys Buch „Fico – besessen von
       Macht“. Der Premier fordert je 100.000 Euro Schadenersatz von Autor Bardy
       und seinem Verlag. Medienfreiheitsorganisationen sehen ein Slapp-Vorgehen
       („strategic lawsuit against public participation“), also den Versuch,
       kritische Berichterstattung durch finanzielle Bedrohung zu unterbinden.
       
       Aktuality.sk war die Wirkungsstätte des Investigativjournalisten Ján
       Kuciak, der Korruption in der damaligen, ebenfalls von Fico angeführten
       Regierung recherchiert hatte. Der 27-jährige Kuciak und seine Verlobte
       wurden im Februar 2018 in Kuciaks Haus erschossen. Dieser Mord führte zum
       Ende der damaligen Regierung. Der nun wegen der Verwendung des Fico-Fotos
       angeklagte Bardy betont, sich nicht einschüchtern zu lassen: „Ich werde
       weiterhin tun, was ich seit fast drei Jahrzehnten im Journalismus tue.“
       
       Eine weitere Klage betrifft den slowakischen Schriftsteller Michal
       Hvorecký. Schon vor einem Jahr hatte er die Regierungsbeteiligung der
       rechtsextremen SNS kritisiert. Die beiden SNS-Minister, neben der
       Kulturministerin Šimkovičová Umweltminister Tomáš Taraba, bezeichnete er
       als „Neofaschisten“ und begründete dies mit deren Aussagen. Nun kündigte
       Šimkovičová eine Klage gegen ihn an. Im Fall einer Verurteilung drohen
       Hvorecký bis zu fünf Jahre Haft.
       
       Ein derartiges Vorgehen von höchster Ebene ist neu. Die Zivilgesellschaft
       brachte dagegen bereits mehrmals Tausende Menschen auf die Straße. Eine
       Petition, die den Rücktritt der Kulturministerin forderte, erreichte binnen
       vier Tagen 187.000 Unterschriften. Im September kam es zum [5][landesweiten
       Kulturstreik], weitere Proteste sollen folgen. Florian Bayer
       
       ## Frankreich: Le Pen delegiert ihre Hetze
       
       Von den auf einer Mauer in Serie aufgeklebten Plakaten lächelt eine junge
       Frau: „Philippine, 19 Jahre, getötet von einem wegen Vergewaltigung
       vorbestraften marokkanischen Migranten mit Ausreisebefehl“, steht darauf.
       
       Für die Rechtsextremisten, die diese Plakate derzeit verbreiten, lautet die
       Folgerung, ein illegal eingereister Nordafrikaner sei eine Gefahr für die
       Gesellschaft, und der Staat, der „nichts“ gegen die Präsenz der
       Sans-Papiers unternehme und gerichtlich verurteilte Ausländer nicht sofort
       aus dem Land weise, mache sich an Delikten und Verbrechen mitschuldig.
       
       Ob sich in Frankreich Kriminalfälle mit Ausländern tatsächlich häufen, ist
       statistisch nicht belegt. Aber zweifellos wird jeder Fall, der sich dazu
       anbietet, etwa der Tod der Studentin Philippine, für die nationalistische
       Propaganda instrumentalisiert. Der neue, autoritäre Innenminister Bruno
       Retailleau steht unter Druck und reagiert, wie sich das die extreme Rechte
       erhofft.
       
       Die Regierung von Premierminister Michel Barnier hängt vom Wohlwollen der
       rechtsextremen Opposition ab, [6][die diese Minderheitsregierung gewähren
       lassen will] – unter der Bedingung, dass sie die bereits restriktive Asyl-
       und Ausländerpolitik noch verschärft. Wie oft schon wurde in den letzten 50
       Jahren das Einwanderungsgesetz revidiert? 30-, 40- oder 50-mal?
       
       Retailleau reagiert auf den Fall Philippine. Er will die administrative
       Abschiebehaft von bisher drei auf sieben Monate verlängern und zugleich die
       Berufungsmöglichkeit gegen die Ausführung der Ausreiseanordnung aufheben.
       
       Zudem sollen die betroffenen Migranten keine Rechts- und Sozialhilfe von
       NGOs mehr erhalten dürfen. Außerdem versucht sich der neue Innenminister
       als scharfer Gegner des „politischen Islam“ zu profilieren. Er hat die
       Rolle des Steigbügelhalters für Marine Le Pen, die im Sommer dank einer
       Abwehrfront der Linken und Macronisten vielleicht letztmals an der
       Machtergreifung bei Wahlen gehindert wurde.
       
       Die vom ständig wachsenden [7][Medienimperium des ultrakonservativen
       Milliardärs Vincent Bolloré] beeinflusste öffentliche Meinung kippt immer
       mehr nach rechts und akzeptiert die fremdenfeindliche und reaktionäre
       Ideologie der extremen Rechten.
       
       Marine Le Pen, die sich weiter um ihr Verharmlostwerden bemüht, kann es
       sich leisten, die ausländerfeindliche Hetze an andere zu delegieren. Sie
       hat gute Chancen, bei den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2027 – ihrem
       vierten Anlauf – mit Unterstützung einer Fraktion der Konservativen an die
       Macht zu kommen.
       
       Frankreich ist ein Einwanderungsland, das viele Jahrzehnte lang die vor
       Elend, Krieg und Verfolgung Flüchtenden mit offenen Armen aufgenommen und
       dringend benötigte Arbeitskräfte aus den ehemaligen Kolonien geholt hat.
       Deren Integration ist aber in vielen Fällen nicht wirklich gelungen. Und
       ein zunehmender Teil der französischen Bürger*innen sieht heute in einer
       fremdenfeindlichen und oft rassistischen Rechten die „einzige Alternative“.
       Rudolf Balmer, Paris
       
       11 Oct 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.spiegel.de/politik/deutschland/manfred-weber-fraktionschefs-aus-eu-parlament-werfen-evp-chef-pakt-mit-extrem-rechten-vor-a-5012f406-28dd-4b11-8b40-bdc1a3e035b1
 (DIR) [2] /Regierungsbildung-in-Oesterreich/!6038624
 (DIR) [3] /Nicht-nur-traute-Einigkeit-bei-G7/!6017277
 (DIR) [4] /Meinungsfreiheit-in-der-Slowakei/!6027132
 (DIR) [5] /Proteste-in-der-Slowakei/!6037851
 (DIR) [6] /Erste-Feuerprobe-fuer-Frankreichs-Premier/!6041833
 (DIR) [7] /Frankreichs-Murdoch-ist-eine-Gefahr/!5845684
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eric Bonse
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 (DIR) Unterstützung für die Ukraine: Europa ist jetzt gefragt
       
       Egal wer die US-Wahl gewinnt – das Land wird in Zukunft kein verlässlicher
       Unterstützer mehr sein. Es wird schwerer für die Ukraine.
       
 (DIR) Parlamentswahl in Österreich: Rechts, rechter, Österreich
       
       Die FPÖ gewinnt die Parlamentswahl, aber niemand will mit den
       Rechtsradikalen regieren. Alle anderen Parteien müssen sich warm anziehen.
       
 (DIR) Plan für EU-Kommission steht: Von der Leyen stellt neues Team vor
       
       Immerhin elf Frauen konnte Kommissionspräsidentin von der Leyen für ihr
       Team gewinnen. Das Kollegium muss vom Europäischen Parlament bestätigt
       werden.
       
 (DIR) Neues Bündnis in Italien: Einheit gegen Giorgia Meloni
       
       In Italien verbünden sich die traditionell zerstrittenen Parteien des
       Mitte-links-Lagers gegen die Rechtsregierung von Ministerpräsidentin
       Meloni.