# taz.de -- Polizei in Hamburg: Wenn die KI eine Umarmung als Schlägerei deutet
       
       > Die Polizei Hamburg will Videoüberwachung mit Künstlicher Intelligenz
       > aufrüsten. Die Technik ist umstritten – nicht nur aus Datenschutzgründen.
       
 (IMG) Bild: Überall Kameras am Hansaplatz: In Hamburg bald mit künstlicher Intelligenz
       
       Hamburg taz | Warum geht die Person schräg über den Platz? Hält sie da ihr
       Handy oder ist das eine Waffe? Was hat sie vor und könnte es eine Straftat
       sein?
       
       Um solche Fragen zu klären, will die Hamburger Polizei sich bald von
       Künstlicher Intelligenz helfen lassen. Ab dem 1. September soll ihre
       Videoüberwachung auf zwei Plätzen in der Nähe des Hauptbahnhofs mit dem vom
       Fraunhofer-Institut entwickelten System „IVBeo“ aufgerüstet werden, das
       potenziell gefährliche Situationen erkennen soll.
       
       Es wäre der erste längerfristige [1][Einsatz von KI-Überwachungssoftware
       durch die Polizei im öffentlichen Raum] in Hamburg. Anfang des Jahres wurde
       dafür extra das [2][Landespolizeigesetz geändert]. Die Technik ist
       allerdings umstritten, und wann sie eingesetzt werden kann, noch offen.
       
       Vorher müssten wichtige datenschutzrechtliche Fragen geklärt werden, findet
       Hamburgs Datenschutzbeauftragter Thomas Fuchs. Dabei geht es vor allem
       darum, dass die Polizei Videoaufnahmen aus Hamburg nicht wie vorgeschrieben
       löschen, sondern ans Fraunhofer-Institut in Baden-Württemberg schicken
       will, um die KI zu trainieren.
       
       ## KI rechnet Menschen in Strichmännchen um
       
       „An wen gehen die Daten genau, wie stellt die Polizei sicher, dass nur
       Personen Zugang zu den Daten haben, die das dürfen, wie lange bleiben die
       Aufnahmen gespeichert, wann werden sie gelöscht?“ Auf Antworten der Polizei
       und der Innenbehörde zu diesen Fragen warte er seit geraumer Zeit
       vergeblich, sagte Fuchs der taz.
       
       Grundsätzlich sei er mit der KI aber d’accord. Die Software wandelt
       Videoaufnahmen von Menschen in Strichmännchen um. Sie erfasst laut dem
       Fraunhofer-Institut keine individuellen Merkmale wie die Haarfarbe oder das
       Gesicht. Sie ist darauf programmiert, auffällige Bewegungen zu erkennen wie
       Schläge, Tritte oder Stürze. Dann springt der Bildschirm auf der
       Polizeiwache an und informiert die Beamt*innen, die davor sitzen, durch ein
       Signal.
       
       Das findet Thomas Fuchs aus datenschutzrechtlicher Perspektive gar nicht so
       schlecht, weil die Polizei die Hamburger*innen dadurch weniger lange
       Zeit beobachte. Den zentral gelegenen Hansaplatz und angrenzende Straßen
       überwacht die Polizei seit 2019 mit 16 Kameras zu bestimmten Zeiten, den
       [3][Hachmannplatz am Hauptbahnhof seit Sommer 2024 mit 27 Kameras]. Beide
       Maßnahmen begründet sie mit der „hohen Kriminalitätsbelastung“.
       
       Die Überwachung mit KI aufzurüsten, wird in Hamburg schon lange diskutiert.
       Am Hansaplatz wurde die Software von Juli bis Oktober 2023 schon einmal
       getestet, allerdings ohne mit den Aufnahmen die KI zu trainieren –
       erfolgreich, fand die Hamburger Polizei, die das Projekt selbst evaluiert
       hat. So sah es auch Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD): „Die bisherigen
       Erfahrungen zeigen, dass wir dank der Software sehr frühzeitig auf
       Gefahrensituationen aufmerksam werden und unmittelbar intervenieren
       können.“
       
       ## System verwechselt Umarmung mit Schlägerei
       
       Tatsächlich kam es in der Testphase nur zu einem einzigen Strafverfahren –
       und zu mehreren Fehlalarmen. Die KI schlug mehrmals an, obwohl es keine
       Gefahrensituation gab.
       
       Matthias Marx, Sprecher des [4][Chaos Computer Clubs (CCC)] hält die KI für
       nicht funktionsfähig. „Das System kann nicht leisten, was es verspricht“,
       sagt er. „Es kann Umarmungen nicht sauber von einer Schlägerei
       unterscheiden.“ Marx kritisiert, dass die Polizei Hamburg das System vom
       Fraunhofer-Institut gekauft hat, obwohl sich schon während einer ersten
       Testphase in Mannheim Probleme abgezeichnet hätten.
       
       Viel wichtiger als die Frage, ob das System gut oder schlecht funktioniert,
       sei aber die Frage, wozu es überhaupt eingesetzt werden soll.
       „Grundsätzlich ist Überwachung nicht das geeignete Mittel, um soziale
       Probleme zu lösen“, sagt Marx.
       
       [5][Soziale Probleme rund um den Hamburger Hauptbahnhof sollen seit Jahren
       vor allem verdrängt werden]. Mit der „Allianz sicherer Hauptbahnhof“ setzt
       der Senat auf Videoüberwachung, Waffenverbotszonen und [6][Alkoholverbote,
       die Kontrollen und Platzverweise ermöglichen]. Am Hansaplatz, zwei
       Gehminuten vom Bahnhof entfernt, wird diese Verdrängungspolitik besonders
       sichtbar.
       
       ## Hamburg setzt auf Verdrängung
       
       Der Platz mit dem großen Brunnen in der Mitte wird gleichermaßen von
       gutbürgerlichen Anwohner*innen, zahlenden Cafégästen und obdachlosen und
       offen Drogen konsumierenden Menschen genutzt.
       
       Letztere vertreiben Kontrollen und Überwachung zunehmend in Nebenstraßen
       oder auf einen nahegelegenen Spielplatz – ohne ihre Probleme zu lösen, wie
       das Bündnis Hansaplatz kritisiert, das sich in Reaktion auf die
       KI-Testphase 2023 gegründet hat.
       
       Künstliche Intelligenz, die Gefahrensituationen anhand von „ungewöhnlichem“
       Verhalten erkennen soll, werde die Situation verschärfen, glaubt Marx vom
       CCC. Sie führe dazu, dass Menschen ihr Verhalten anpassten, Kriminalität
       sich verlagere und der öffentliche Raum nicht mehr von allen gleichermaßen
       genutzt werden könne.
       
       Wie die Technik von den Nutzer*innen des Hansaplatzes wahrgenommen wird,
       untersucht derzeit die Uni Hamburg. Ob das System wirklich am 1. September
       eingesetzt wird, werde sich in den nächsten Wochen zeigen, sagte die
       Polizei auf Anfrage.
       
       ## Hamburg lehnt Einführung von Palantir ab
       
       Fest steht: Hamburg liegt im Trend. Bundesweit setzen immer mehr Länder auf
       KI, um Beamt*innen bei der Videoüberwachung zu unterstützen – Berlin
       setzt sie schon länger ein, [7][Hessen] und Rheinland-Pfalz testen und
       Niedersachsen würde auch gern, sagte Innenministerin Behrends (SPD) vor
       Kurzem.
       
       [8][Den Einsatz der umstrittenen Analysesoftware des US-Unternehmens
       Palantir vom rechten Techmilliardär Peter Thiel hat Hamburg kürzlich
       abgelehnt]. Anders sieht es mit der KI-gestützten Videoüberwachung aus. SPD
       und Grüne haben sich schon dafür ausgesprochen, die Ausweitung auf mehr
       Kameras an mehr Orten in der Stadt zu prüfen.
       
       31 Jul 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Deutschland-muss-KI-Regeln-umsetzen/!6007821
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 (DIR) [3] /Videoueberwachung-in-Hamburg/!6028669
 (DIR) [4] /Kongress-der-Hacker/!6056735
 (DIR) [5] /Sicherheit-am-Hamburger-Hauptbahnhof/!5945319
 (DIR) [6] /Massnahme-gegen-oeffentliches-Trinken/!5752407
 (DIR) [7] /Hessen-beschliesst-Polizeigesetz/!6056265
 (DIR) [8] https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/hamburgs-polizei-will-software-palantir-vorerst-nicht-nutzen,kurzehh-568.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Amira Klute
       
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