# taz.de -- Vertagte EU-Waldschutz-Verordnung: „Nun wird weiter abgeholzt“
       
       > Die grüne EU-Abgeordnete Anna Cavazzini warnt vor großen Rissen in der
       > Brüsseler Brandmauer. Das sei fürs Klima und die Biodiversität ein
       > Desaster.
       
 (IMG) Bild: In Argentinien wird für die Rindfleisch-produktion viel Wald gerodet. Die EU wollte das mal ändern
       
       taz: Die EU-Kommission schwächt immer mehr Gesetze aus dem Green Deal auf,
       das Europaparlament macht mit – e rst war es das [1][europäische
       Lieferketten-Gesetz], nun ist es die [2][Verordnung zum Schutz der Wälder.]
       Sie sollte verhindern, dass etwa für Rindfleisch oder Kaffee Wälder gerodet
       werden. Doch nun wurde sie entschärft – und verschoben. Erleben wir einen
       Rechtsruck in der EU? 
       
       Anna Cavazzini: Ja, der Rechtsruck ist spürbar. Die EVP (die konservative
       Europäische Volkspartei, größte Fraktion im Parlament, geleitet vom
       CSU-Politiker Manfred Weber, die Red.) hat zwei mögliche Mehrheiten: einmal
       mit den proeuropäischen Fraktionen und dann mit den extrem Rechten. Die
       zweite Option sollte eigentlich tabu sein, die EVP nutzt sie aber mehr und
       mehr, um den Abbau des Green Deal durchzudrücken. Das ist politisch falsch
       und trägt nicht dazu bei, das Europaparlament handlungsfähig zu machen, im
       Gegenteil.
       
       taz: Was bedeutet das für den Klimaschutz und die Wirtschaft? 
       
       Cavazzini: Viele [3][Unternehmen haben sich auf das Entwaldungs-Gesetz
       vorbereitet], jetzt ist es wieder in der Schwebe. Ich war mit dem
       Binnenmarktausschuss in Vietnam und habe mich dort auch mit Kaffeebauern
       getroffen. Die haben gesagt: Wir haben hier investiert und uns an das
       EU-Gesetz angepasst, und jetzt verstehen wir nicht mehr, was ihr da macht.
       Das schafft Unsicherheit. Klimapolitisch und für die Biodiversität ist es
       ein Desaster. Die EU ist für 10 Prozent der globalen Entwaldung
       verantwortlich. Und nun wird weiter abgeholzt.
       
       taz: CDU/CSU und andere Konservative haben die Vertagung gemeinsam mit den
       Rechten und Rechtsradikalen durchgesetzt, darunter auch einigen von der
       AfD. Ist die Brandmauer in Brüssel endgültig tot? 
       
       Cavazzini: [4][Die Brandmauer hat unglaublich große Risse bekommen.] Ich
       verstehe die Strategie der EVP dahinter nicht. Sie braucht die
       demokratischen Parteien inklusive uns Grüne für die großen Fragen wie den
       EU-Haushalt. Sie gibt den Europafeinden damit Macht und Sichtbarkeit.
       
       taz: Zur Begründung wird der Bürokratieabbau angeführt. 
       
       Cavazzini: Das ist doch Symbolpolitik. Es gibt keine Belege dafür, dass es
       der Wirtschaft besser geht, wenn wir EU-Gesetze zurücknehmen oder
       aufschieben, die in Teilen noch nicht einmal in Kraft sind. Kanzler
       Friedrich Merz und die EVP werfen Nebelkerzen, um von ihren Problemen
       abzulenken.
       
       taz: Waren die Gesetze nur schlecht gemacht und zu bürokratisch? Beim
       Entwaldungsgesetz fehlt angeblich die IT-Plattform. 
       
       Cavazzini: Die EU-Kommission hat es vergeigt. Sie hat keine einsatzfähige
       IT-Plattform aufgebaut. Dabei wäre das ihre im Gesetz festgelegte Aufgabe
       gewesen. Auch viele andere Projekte im sogenannten Omnibus sind schlecht
       gemacht. Das hat ja gerade auch die Europäische Bürgerbeauftragte
       festgestellt. Sie wirft der EU-Kommission Missmanagement vor, weil die
       Standards im EU-Gesetzgebungsverfahren, wie Folgeabschätzungen, nicht mehr
       beachtet werden. Viele Vorschläge sind mit heißer Nadel gestrickt, manche
       laufen auf eine komplette Deregulierung hinaus.
       
       taz: Spüren Sie den langen Arm von US-Präsident Trump oder von Kanzler
       Merz? 
       
       Cavazzini: Ja, der Druck von Trump wirkt massiv in Brüssel. Das haben wir
       schwarz auf weiß. Die Kommission hat im Handelsabkommen mit Trump zugesagt,
       dass europäische Gesetze aufgeweicht werden. Trumps Einfluss spürt man
       nicht nur beim Lieferkettengesetz, [5][sondern auch beim KI-Gesetz] und
       vielen anderen Regulierungen. Dies ist ein noch nie dagewesener Vorgang,
       dass wir Handelspartnern so viel Einfluss einräumen. Das ist
       besorgniserregend. Die EU darf sich nicht erpressen lassen! Was Merz
       angeht: Man merkt, dass die Grünen nicht mehr an der Regierung sind. Man
       spürt die Achse Merz-Weber-Metsola (Parlamentspräsidentin Roberta Metsola,
       die Red.), die dann auf von der Leyen einwirkt. Das ist eine krasse
       EVP-Connection, die zum Abbau der Gesetze führt.
       
       taz: Werden Sie [6][Ursula von der Leyen] und ihrer politischen Plattform,
       in der die Konservativen den Ton angeben, die Unterstützung entziehen? 
       
       Cavazzini: Von der Leyen spielt in diesem Drama noch die beste Rolle. Sie
       versucht, zu retten, was zu retten ist, teilweise auch gegen ihre eigene
       Fraktion. Deshalb sollte sie nicht das erste Ziel sein, da würden mir ganz
       andere einfallen. Aber klar: Wir müssen schon überlegen, wo unsere Hebel
       sind, und wo die Grenzen.
       
       taz: Von der Leyen ist die Getriebene? 
       
       Cavazzini: Sie sucht noch am meisten die Mehrheit in der Mitte. Allerdings
       gibt sie viel zu oft nach und macht zu viele politische und handwerkliche
       Fehler.
       
       taz: Wie geht es weiter? 
       
       Cavazzini: Die Kommission muss den ganzen Ansatz der Deregulierung
       überdenken. So wie bisher kann es nicht weitergehen. Die Omnibusse und die
       Art, wie sie durchgedrückt werden, sind des [7][Europaparlaments] und
       seiner gesetzgeberischen Arbeit nicht würdig. Wir überlegen daher, das
       gerichtlich überprüfen zu lassen.
       
       1 Dec 2025
       
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