# taz.de -- Lobbyorganisation Elnet: Meinungsbildungsreisen nach Israel
       
       > Elnet lobbyiert für die Regierung Netanjahu. Über hundert deutsche
       > Abgeordnete reisten mit dem Verein, der Kontakt zu Siedlern und
       > Trump-Fans hat.
       
 (IMG) Bild: Ist doch alles super hier! Touristen mit Blick auf den Tempelberg in Jerusalem
       
       Anfang August kündigte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU)
       [1][Einschränkungen bei Waffenlieferungen an] Israel an – ein Schritt, der
       [2][laut Umfragen] in der Gesamtbevölkerung auch unter Christdemokraten
       breite Zustimmung fand. Doch aus den eigenen Reihen hagelte es Kritik.
       
       Noch am selben Tag mahnte der Außenpolitiker Stephan Mayer (CSU) Merz
       [3][in der Bild], es sei „unsere Pflicht, unmissverständlich an der Seite
       Israels zu stehen“. Unverblümter wurde Carsten Müller (CDU), Vorsitzender
       des Rechtsausschusses: [4][Auf X] verurteilte er die „erhebliche
       Fehlentscheidung“ der Bundesregierung „aufs Schärfste“.
       
       Den Entgegnungen aus der Union gegen den Parteichef Merz waren [5][ähnliche
       Stellungnahmen] pro-israelischer Vereine vorausgegangen, etwa von der
       Organisation European Leadership Network (Elnet). Ihr Vorsitzender
       bezeichnete die [6][mittlerweile aufgehobene Lieferbeschränkung] als ein
       Versagen gegenüber dem Partnerland, von dem Deutschland „selbst regelmäßig
       Rüstungsgüter“ beziehe, und verbreitete noch am selben Tag den Tweet von
       Carsten Müller weiter.
       
       Außerhalb des Bundestags ist der Name [7][Elnet] kaum geläufig. In den
       vergangenen Jahren hat sich der Verein jedoch zu einem wichtigen Akteur der
       deutsch-israelischen Beziehungen entwickelt – auch im Militärbereich. Es
       gibt eine Reihe von Organisationen, die Druck auf Israel abwehren wollen
       und deshalb immer intensiver agieren, mit immer größeren finanziellen
       Ressourcen, während der israelischen Armee schwerste Kriegsverbrechen zur
       Last gelegt werden und die Netanjahu-Regierung rechtsstaatliche Strukturen
       untergräbt. In diese Landschaft fügt sich Elnet ein.
       
       ## Auf Elnet-Kosten nach Israel
       
       Die Organisation unterhält Büros in Brüssel, Paris, London, Rom, Warschau
       und Berlin sowie in Tel Aviv und New York City. Vor israelischen Politikern
       beschreibt sich Elnet selbst als Europas Gegenstück zum American Israel
       Public Affairs Committee (Aipac) – der einflussreichsten Israel-Lobby in
       den USA.
       
       Mitte 2025 listete das deutsche Büro von Elnet auf seiner Website 13
       Mitarbeitende. Laut dem [8][Lobbyregister] hat Elnet im vergangenen Jahr
       gut eine Million Euro für Interessenvertretung im Bundestag aufgewendet.
       
       Ähnlich wie andere im Bundestag aktive Interessenverbände verschickt Elnet
       Positionspapiere, lädt zu parlamentarischen Frühstücken ein und pflegt
       engen Kontakt zu Abgeordneten und ihren Mitarbeitenden.
       
       Besonders sticht Elnet hervor durch die Organisation von [9][Reisen nach
       Israel] für Mandatsträger, bei denen direkte Begegnungen mit Vertretern aus
       Politik, Militär und Industrie auf dem Programm stehen. Das Israelbild, das
       dabei vermittelt wird, ist alles andere als kritisch.
       
       Auch die Unionspolitiker, die den Waffenlieferstopp entschieden ablehnten,
       nahmen an den Lobbyreisen teil. Carsten Müller reiste 2019, 2022 und 2024
       mit Elnet nach Israel, Stephan Mayer im Jahr 2024. Zudem sprach Mayer
       zweimal auf Konferenzen von Elnet.
       
       Auf die Frage, wie viele Politiker die Reisen begleiten und wer diese
       finanziert hat, antwortet Elnet nicht. [10][Nach einer Recherche von
       Abgeordnetenwatch] haben allein in der letzten Wahlperiode 51 Abgeordnete
       angegeben, auf Kosten Elnets nach Israel gereist zu sein.
       
       ## Ein umfassendes Netzwerk
       
       Nach Recherchen der taz liegt die Zahl der Teilnehmer noch deutlich höher.
       Seit 2017 flogen mindestens 96 Mitglieder des Bundestags, 14
       Landtagsabgeordnete und 4 deutsche Mitglieder des Europaparlaments mit
       Elnet nach Israel, einzelne von ihnen sogar mehrmals. Keine andere
       Organisation hat in diesem Zeitraum auch nur annähernd so viele
       Auslandsreisen für deutsche Abgeordnete organisiert.
       
       Unter den Teilnehmern sind Vertreter aller Fraktionen außer der AfD. SPD
       und CDU sind zahlenmäßig am stärksten vertreten, doch es finden sich auch
       Namen wie Anton Hofreiter (Grüne), Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) oder
       Martina Renner (Linke). Auch Bürgermeister, Militärexperten und
       Journalisten wurden zu den Reisen mitgenommen. Dutzende weitere deutsche
       Politiker, darunter Minister und Staatssekretäre, nahmen an Veranstaltungen
       des Vereins teil. Der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung Felix
       Klein reiste mit Elnet zum jährlichen Aipac-Treffen in Washington.
       
       Zum Beirat von Elnet zählen die heutige Bildungsministerin Karin Prien und
       die ehemalige Justizministerin Brigitte Zypries. „Ein so umfassendes
       Netzwerk mit prominenten Entscheidungsträgern begegnet einem nicht alle
       Tage“, sagt Timo Lange vom Verein Lobbycontrol gegenüber der taz.
       
       Auf der Website von Elnet findet sich das Wort Lobbyismus nicht.
       Stattdessen präsentiert sich der Verein als „europäische und unabhängige
       (…) Denkfabrik und Netzwerkorganisation“ und tritt als Unterstützer von
       Dialog und Völkerverständigung auf – auch im Israel-Palästina-Konflikt.
       Politiker, mit denen die taz gesprochen hat, sind in diesem Glauben mit
       Elnet nach Israel gereist.
       
       Doch wer nach Israel schaut, entdeckt eine deutliche Abweichung von der
       Selbstdarstellung in Deutschland: Dort sind führende Mitarbeiter des
       Vereins eng mit der Siedlerbewegung und der Netanjahu-Regierung verwoben –
       seine Aktivitäten außerhalb des Landes werden von dieser Regierung zum Teil
       auch finanziert.
       
       ## Geld aus den USA, Politik aus Israel
       
       Erst im vergangenen Jahr stellte der Chef des Tel-Aviv-Büros israelischen
       Politikern Elnet als Organisation vor, die „in vollumfänglicher
       Koordination und Kooperation mit dem Außenministerium, dem Nationalen
       Sicherheitsrat und der Knesset“ zusammenarbeitet.
       
       Für die gemeinsame Recherche mit Kollegen aus Frankreich, Israel und den
       USA hat die taz nicht öffentliche Akten, geleakte E-Mails und zahlreiche
       Dokumente ausgewertet und Hintergrundgespräche mit Experten, früheren
       Elnet-Mitarbeitenden sowie mehreren Abgeordneten geführt. Die Mehrheit von
       ihnen bestand darauf, anonym zu bleiben. Während manche das Vorgehen von
       Elnet in Deutschland lediglich als hochprofessionelle Lobbyarbeit
       einstufen, sehen andere darin ein Täuschungsmanöver.
       
       Sowohl die Gründung der Organisation 2007 in Brüssel als auch ihre
       politische Ausrichtung gingen maßgeblich auf Raanan Eliaz zurück. Er stammt
       aus Beit Horon im Westjordanland, einem der frühesten Stützpunkte der
       Siedlerbewegung, und war zuvor sowohl für Aipac als auch für das Büro des
       israelischen Premierministers tätig. An seiner Seite und vor allem für das
       Finanzielle verantwortlich: der Geschäftsmann Larry Hochberg aus Chicago,
       ehemals Vorsitzender von Friends of the IDF, einem Verein, der Spenden für
       die israelischen Streitkräfte sammelt.
       
       Gemeinsam verfolgten sie das Ziel, Elnet als [11][diskret agierende
       Lobbyorganisation] zu etablieren. „Würden in Europa tätige Gruppen wie
       unsere nur 10 Prozent des Budgets bekommen, das der Israel-Lobby in den USA
       zur Verfügung steht, könnten wir die Welt verändern“, erklärte Eliaz in
       einem Interview 2008. Seitdem kommt der Großteil des Geldes für Elnet aus
       den USA. Zu den bedeutsamen Unterstützern zählen auch [12][prominente
       Trump-Anhänger] wie der vor Kurzem verstorbene Home-Depot-Gründer Bernie
       Marcus.
       
       Auf einer von Eliaz betriebenen Website beschreibt er die außergewöhnliche
       Einflussnahme, die Elnet seinerzeit ausgeübt haben soll. Als
       Elnet-Vorsitzender habe er demnach „zahlreiche führende Persönlichkeiten
       aus den zentralen politischen Lagern in Deutschland rekrutiert“ und mit
       seiner „kontinuierlichen Tätigkeit in den höchsten politischen Ebenen“ dazu
       beigetragen, „dass Deutschland eine entschiedene Politik gegen die
       Boykottbewegung gegen Israel annahm“. Daneben ist ein Foto von Eliaz mit
       der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel zu sehen, auf dem sie sich die
       Hände schütteln.
       
       Weiteren Aufschluss über die damalige Arbeit von Elnet in Europa gibt ein
       umfangreicher Fundus [13][geleakter E-Mails israelischer Politiker]. In
       einer Nachricht von Larry Hochberg an Israels ehemaligen Armeechef Gabi
       Ashkenazi von 2011 heißt es: „Wir glauben, dass die Bemühungen unserer
       Kollegen, besonders in Frankreich, geholfen haben, Sarkozy in der UN-Frage
       einer einseitigen palästinensischen Staatlichkeit zurückzudrängen.“ Eine
       E-Mail aus dem Jahr 2012 spricht zudem von „ordentlichen Fortschritten“
       seitens Elnet mit François Hollande, der im selben Jahr Präsident wurde.
       
       ## „Diplomatische Sensibilitäten“
       
       Seit 2014 setzt Elnet seine Arbeit mit einem eigenen Büro im Berliner
       Regierungsviertel fort. Zu den Gründungsmitgliedern des deutschen Ablegers
       gehörten der frühere Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und
       sein Geschäftspartner Ulf Gartzke, der bis heute Vorstandsmitglied ist.
       Seit 2019 leitet der [14][bestens vernetzte CDU-Politiker] Carsten Ovens
       die Organisation. Ovens gehörte bis 2020 zeitgleich noch der Hamburgischen
       Bürgerschaft an, wo er Sprecher für Wissenschaft und Digitale Wirtschaft
       war.
       
       Dort hat er Anfang 2017 eine der ersten Anti-BDS-Resolutionen in deutschen
       Landesparlamenten initiiert. Menschen, die mit Ovens zu tun hatten,
       charakterisieren ihn als äußerst arbeitsintensiv und zugänglich. Elnet
       Deutschland verdankt seine heutige Gestalt nicht zuletzt ihm.
       
       Unter seiner Leitung begann das deutsche Büro – neben seinem Kerngeschäft
       im Bundestag – Konferenzen und Workshops im Gesundheits- und
       Hightech-Bereich sowie Projekte zur Bekämpfung von Antisemitismus
       voranzutreiben. Dafür erhielt der Verein Bundesmittel aus mehreren
       Ministerien. Diese staatlichen Zuschüsse, auf die Elnet in der
       Kommunikation mit Politikern gerne verweist, ließen die Organisation eher
       als deutsche zivilgesellschaftliche Adresse denn als größtenteils aus dem
       Ausland finanzierte Lobbyorganisation erscheinen, wie Abgeordnete der taz
       schilderten.
       
       Auch die Botschaften, mit denen sich Elnet in der deutschen Öffentlichkeit
       präsentiert, klingen zunächst weniger radikal als diejenigen der
       Netanjahu-Regierung. In Interviews und Artikeln spricht Ovens von
       Friedensperspektiven in der Region und bezieht sich positiv auf eine
       Zwei-Staaten-Lösung und den Wiederaufbau von Gaza. Eine Elnet-Werbekampagne
       gegen Judenhass zeigt Plakate mit Cartoons von sich umarmenden Juden und
       Arabern, auf einem Poster steht die Frage: „Wie Halal ist Koscher?“.
       
       Auf Anfrage der taz erklärte Elnet, „nicht für die israelische Regierung“
       zu arbeiten. Zugleich erhält Elnet Gelder von ihr. In israelischen
       Dokumenten finden sich einige Zahlungen des Außenministeriums für
       Elnet-Aktivitäten.
       
       Auf der Website des Programms Voices of Israel, einem von der
       Netanjahu-Regierung betriebenen Fonds [15][zur Finanzierung von
       Einflusskampagnen] im Ausland, wird Elnet mit „Delegationen und Konferenzen
       für europäische Entscheidungsträger“ unter den ausgewählten Projekten
       geführt. Die genauen Ausgaben des Fonds sind unter Verschluss.
       
       Wie das französische Magazin Mediapart berichtete, hat die israelische
       Regierung zuletzt 72.000 Euro für eine von Elnet organisierte Konferenz zum
       Thema sexualisierte Gewalt am 7. Oktober im französischen Senat
       bereitgestellt. In dem offenbar unabsichtlich zugänglich gemachten Dokument
       des Finanzministeriums heißt es: „Die Offenlegung von Einzelheiten über die
       israelische Beteiligung an der Organisierung (…) könnte diplomatische
       Sensibilitäten berühren“, weshalb um Rücksprache „vor jeder
       Veröffentlichung“ gebeten werde.
       
       ## Aus der rechten Ecke
       
       Die Nähe der Organisation zu der in Teilen rechtsextremen
       Netanjahu-Regierung spiegelt sich auch in den Biografien führender
       Mitarbeiter wider. Nicht nur der Gründer Eliaz stammt aus einer Siedlung in
       den besetzten Gebieten, sondern auch drei der vier nachfolgenden
       Geschäftsführer des Israel-Büros.
       
       Der Leiter des Büros zwischen 2020 und 2022 war zuvor Pressesprecher der
       Dachorganisation der Siedlerbewegung (Jesha-Rat), einer führenden Kraft
       gegen die Oslo-Friedensverhandlungen, sowie Sprecher von Netanjahu in
       dessen erster Amtszeit als Premierminister. Auch der heutige
       Geschäftsführer lebt in einer Siedlung in Ostjerusalem und arbeitete vorher
       für die national-religiöse Jugendbewegung Bnei Akiva. Weitere Mitarbeiter
       und Vorstandsmitglieder in Israel haben enge Verbindungen zu Netanjahus
       Regierung.
       
       Für die Organisationen besonders prägend ist der Politikwissenschaftler
       Emanuel Navon, der als regelmäßiger Redner vor Elnet-Delegationen auftrat,
       bevor er von 2023 bis Sommer 2025 Geschäftsführer in Israel wurde. Navon,
       der ursprünglich aus Frankreich stammt, lebt in der Siedlung Efrat bei
       Bethlehem, kandidierte 2012 für einen Listenplatz in der Likud-Partei und
       war Senior Fellow beim rechtslibertären [16][Kohelet Policy Forum], das die
       strategische Vorarbeit für Netanjahus Pläne zur Entmachtung der Justiz
       leistete.
       
       Auch als Vorsitzender machte er seine rechten Positionen deutlich: In einer
       Rede 2024 bei der konservativen De-Gasperi-Stiftung in Rom rief er dazu
       auf, dem Opium des Wokismus „den Stolz unserer Jugend auf die westliche
       Zivilisation“ entgegenzustellen. In einem Beitrag für Elnet bezeichnete
       Navon den Aufstieg von Pro-Trump-Parteien wie etwa Rassemblement National
       in Frankreich und Vox in Spanien als „diplomatische Chance für Israel“.
       
       Das Büro in Tel-Aviv und seine Mitarbeitenden koordinieren auch die
       Einzelheiten der Reisen, die jährlich bis zu 300 europäische
       Entscheidungsträger nach Israel bringen. Der taz liegen 10 Reiseprogramme
       aus den vergangenen 5 Jahren vor. Zum Standardpaket gehören eine Führung
       durch die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem und der Besuch der Knesset
       inklusive einem Austausch mit Abgeordneten aus Regierungskoalition und
       Opposition – allerdings kaum mit deren linken oder arabischen Mitgliedern.
       Gespräche mit der regierungskritischen Zivilgesellschaft bildeten die
       Ausnahme, wobei Anti-Besatzung-Organisationen gänzlich außen vor blieben.
       
       Der am häufigsten eingeladene arabische Israeli, der mit den Delegationen
       sprach, ist Fellow beim [17][islamfeindlichen Gatestone Institute] aus den
       USA. Auch andere wichtige Figuren der israelischen Rechten wie der Siedler
       Itamar Marcus oder Oberst Golan Vach waren bereits Teil des Programms. Bis
       zum Kriegsbeginn standen auf dem Plan teilweise Hubschrauberflüge bis an
       die libanesische Grenze und sogar ein Blick in einen Hisbollah- oder
       Hamas-Tunnel in Begleitung des Militärs. Nach dem 7. Oktober wurden diese
       Stationen ersetzt durch Besuche an den Orten der Massaker in den Kibbutzim,
       Treffen mit Geiselfamilien und – nach Schilderungen mehrerer Teilnehmer –
       Besichtigungen von Leichen nicht identifizierter Opfer in einer
       Militärbasis Ende 2023.
       
       Die Reisen sollen nicht nur informieren, sondern auch emotionalisieren.
       Mehrere Abgeordnete beschrieben in Hintergrundgesprächen mit der taz, wie
       sehr sie die Eindrücke vor Ort aufgewühlt haben. Wie eine
       Elnet-Mitarbeiterin [18][in einem Video] erklärt, entsteht „nach vier bis
       fünf intensiven Tagen eine besondere Atmosphäre innerhalb der Gruppe und
       diese Bindung ermöglicht es uns, dranzubleiben (…) und so die Wirkung
       langfristig zu sichern“.
       
       ## Eine Wirkung, die sich auszahlt
       
       Die Kosten der Reisen beliefen sich je Abgeordnete teils auf über 5.000
       Euro. Bundestagsabgeordnete sind seit 2021 dazu verpflichtet, Zuwendungen
       für ihre politische Arbeit, die höher als 3.000 Euro liegen, zu
       veröffentlichen. Während der vorigen Legislaturperiode wurden
       Kostenübernahmen durch Elnet in Höhe von fast einer Viertelmillion Euro
       bekannt, wie Abgeordnetenwatch vorige Woche berichtete. Die Summe liegt
       wohl höher. Denn während einige Abgeordnete auf Reisekosten unter 3.000
       Euro verwiesen, lieferten 10 weitere auf taz-Anfrage keine schlüssige
       Erklärung oder reagierten überhaupt nicht.
       
       Nach den Reisen setzten sich zahlreiche Teilnehmende nachdrücklich für die
       deutsch-israelischen Beziehungen ein, warben für eine vertiefte ökonomische
       Kooperation oder unterstützten Maßnahmen gegen pro-palästinensische
       Proteste. Eine Delegationsreise von Mitgliedern des
       Verteidigungsausschusses im März 2022 hatte dabei offenbar eine besonders
       starke Wirkung. Kurz nach Beginn des Ukrainekriegs besuchten 10
       Ausschussmitglieder, darunter die Vorsitzende Marie-Agnes
       Strack-Zimmermann, Armeebasen und erhielten Briefings zu Israels
       militärischen Kapazitäten.
       
       Neben Treffen mit Ministern und Generälen wurde den Abgeordneten auf dem
       Luftwaffenstützpunkt Palmachim das Raketenabwehrsystem Arrow 3 vorgeführt.
       Nur eine Woche später, wie Elnet im [19][Jahresbericht] stolz verkündete,
       leitete der Verteidigungsausschuss „weitere Schritte zum Erwerb von Arrow 3
       ein, dessen Kosten auf drei Milliarden Euro geschätzt werden“.
       
       Die Reise sorgte bereits damals für Irritationen. Elnet beanspruchte
       später, durch das Zusammenbringen von deutschen Entscheidungsträgern mit
       israelischen Offiziellen „den erforderlichen Dialog vorangebracht“ zu
       haben, „um dieses historische Abkommen zu besiegeln“. Im selben Jahr
       erhielt Elnet eine Spende der israelischen Rüstungsfirma IAI, Herstellerin
       des Arrow-3-Systems.
       
       Auf Anfrage erklärte Elnet, die genannte Zuwendung habe „in keinem
       Zusammenhang mit einer Delegationsreise nach Israel“ gestanden, sondern sei
       ein „anlassbezogenes Sponsoring“ für eine von der Reise unabhängige
       Veranstaltung gewesen.
       
       Timo Lange von Lobbycontrol überzeugt die Rechtfertigung von Elnet nicht –
       im Gegenteil: „Der so entstandene Eindruck, hier wurden gezielt die
       ökonomischen Interessen einer Rüstungsfirma vertreten, wirft ernsthafte
       Fragen über die Gemeinnützigkeit des Vereins auf.“ Elnet widerspricht und
       schreibt, „zu keinem Zeitpunkt unmittelbare wirtschaftliche Interessen im
       Auftrag Dritter“ gefördert zu haben. Im Gegenteil: Das satzungsgemäße
       Pflegen persönlicher Kontakte „zwischen Entscheidungsträgern in Politik und
       Wirtschaft“ sei ein „Beitrag zur internationalen Zusammenarbeit und zur
       Völkerverständigung“.
       
       ## „Wichtiger Kooperationspartner“
       
       Seitdem hat Elnet seine Beziehungen zur Waffenindustrie weiter ausgebaut.
       Im Juli dieses Jahres fand die Gründung einer eigenen Elnet-Initiative für
       Sicherheit und Verteidigung statt– „mit freundlicher Unterstützung“
       mehrerer deutscher und israelischer Rüstungsfirmen wie IAI, Dynamit Nobel,
       Lufthansa Defence, Elbit oder Renk, wie es in der Einladung hieß. An der
       feierlichen Auftaktveranstaltung in der Hamburgischen Vertretung in Berlin
       nahmen „über 70 Gäste aus Politik, Bundeswehr, Wissenschaft und Industrie“
       teil.
       
       In der kommenden Woche lädt Elnet zu einem parlamentarischen Frühstück im
       Bundestag. Stargast ist Amikam Norkin, ehemaliger Kommandeur der
       israelischen Luftstreitkräfte, der heute einen Kapitalfonds für
       militärische Start-ups leitet und Rüstungsunternehmen strategisch berät. Er
       soll über die Relevanz der deutsch-israelischen Rüstungskooperation „im
       Lichte aktueller geopolitischer Entwicklungen“ referieren. Schirmherr der
       Veranstaltung ist der SPD-Abgeordnete Falko Droßmann. Droßmann,
       verteidigungspolitischer Sprecher seiner Partei, ist bereits zweimal auf
       Elnets Kosten nach Israel gereist. Bei der Reise des
       Verteidigungsausschusses, der anschließend für den Erwerb der israelischen
       Abwehrraketen Arrow 3 stimmte, war er ebenfalls dabei. Er würde diese Reise
       heute nicht mehr machen, hatte Droßmann vorige Woche gegenüber
       Abgeordnetenwatch erklärt. In seiner Funktion werde er „keine Termine mit
       Rüstungsunternehmen mehr“ wahrnehmen.
       
       Nun wird er Schirmherr sein, wenn nächste Woche im Bundestag Politiker bei
       einem Lobby-Event den israelischen Geschäftsmann und Ex-Militär Norkin
       treffen. Kein Widerspruch zu seinem Vorhaben, keine Rüstungsunternehmer
       mehr zu treffen, sagt Droßmann auf taz-Anfrage. Denn Norkin sei lediglich
       als ehemaliger Kommandeur „mit entsprechender Expertise“ eingeladen. Weiter
       schreibt Droßmann, er halte es für geboten, wichtige Themen in großer Runde
       und nicht in Hinterzimmern zu diskutieren. Darüber hinaus sei Israel „ein
       wichtiger Kooperationspartner für Deutschland, wenn es um Verteidigung
       geht.“
       
       29 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Merz-schraenkt-Israel-Waffenexporte-ein/!6105812
 (DIR) [2] https://www.stern.de/politik/ausland/waffen-fuer-israel--mehrheit-steht-laut-umfrage-hinter-lieferstopp-35986612.html
 (DIR) [3] https://www.bild.de/politik/inland/merz-alleingang-waffen-stopp-fuer-israel-sorgt-fuer-kritik-in-der-union-689611151174f91cb081efa1
 (DIR) [4] https://x.com/MdbMuller/status/1953837127529123916
 (DIR) [5] https://x.com/WerteInitiative/status/1953848799362756831
 (DIR) [6] /Waffenliefrung-nach-Israel-Deutschland-zuendelt-wieder-mit/!6126284
 (DIR) [7] https://elnet-deutschland.de/
 (DIR) [8] https://www.lobbyregister.bundestag.de/suche/R002671/31664
 (DIR) [9] https://elnet-deutschland.de/politik/delegationen/
 (DIR) [10] https://www.abgeordnetenwatch.de/presse/pressemitteilungen/neue-abgeordnetenwatch-recherche-verein-elnet-finanzierte-reisen-von-mindestens-51-bundestagsabgeordneten
 (DIR) [11] https://forward.com/news/13570/new-european-pro-israel-group-aims-for-low-profile-02010/
 (DIR) [12] https://www.opendemocracy.net/en/dark-money-investigations/elnet-mps-trips-israel-gaza-uk-politicians-trump-donors/
 (DIR) [13] https://ddosecrets.com/
 (DIR) [14] https://www.faz.net/aktuell/politik/wahl-in-hamburg/hamburg-wirtschaftspolitiker-carsten-ovens-verlaesst-das-parlament-16644136.html
 (DIR) [15] https://www.theguardian.com/world/article/2024/jun/24/israel-fund-us-university-protest-gaza-antisemitism
 (DIR) [16] https://www.lemonde.fr/en/international/article/2023/02/20/the-controversial-think-tank-behind-israel-s-justice-system-reform_6016561_4.html
 (DIR) [17] https://correctiv.org/faktencheck/hintergrund/2019/05/24/der-geschichtenerzaehler-beim-gatestone-institute-entstehen-falschmeldungen-die-bis-nach-deutschland-wandern/
 (DIR) [18] https://www.youtube.com/watch?v=U0RDQhBsEYQ
 (DIR) [19] https://elnetwork.eu/reports/elnets-annual-report-2022/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Leon Holly
 (DIR) Yossi Bartal
 (DIR) Guli Dolev-Hashiloni
       
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       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Netanjahus Überlebenstechniken: Der Staat bin ich
       
       Netanjahu beantragt Begnadigung durch Präsident Herzog im
       Korruptionsprozess. Der Schritt wäre der endgültige Untergang der
       Rechtsstaatlichkeit Israels.
       
 (DIR) Raketenabwehr über Deutschland: Bundeswehr nimmt Arrow 3 in Betrieb
       
       Die Bundeswehr hat für 3,6 Milliarden Euro ein System zur Raketenabwehr in
       Israel gekauft, das feindliche Flugkörper abfangen können soll.
       
 (DIR) Gewalt im Westjordanland: „Sie wollten das Kino anzünden“
       
       Im ganzen Westjordanland steigt die Gewalt durch israelische Siedler
       gegenüber Palästinensern an, auch in Hebron, wo Issa Amro ein Kino
       einrichten will.
       
 (DIR) 491 Tage in Hamas-Gefangenschaft: Im Tunnel von Gaza
       
       Eli Sharabi war eines der Entführungsopfer beim Terrorüberfall der Hamas am
       7. Oktober 2023. In einem bewegenden Buch beschreibt er seine Zeit als
       Gefangener.
       
 (DIR) Angeklagt wegen Korruption: Netanjahu bittet Israels Präsidenten um Begnadigung
       
       US-Präsident Donald Trump hatte zuvor eine Begnadigung des angeklagten
       israelischen Ministerpräsidenten gefordert. Der stellt nun ein
       Gnadengesuch.
       
 (DIR) Israelische Foltergefängnisse: Der Missbrauch ist politisch gewollt
       
       Von Israel inhaftierte Palästinenser sind Schlägen, Hunger und sexuellem
       Missbrauch ausgesetzt. Die Täter werden systematisch geschützt.
       
 (DIR) CDU-Fördergeldaffäre: Timur und sein Trupp
       
       Der Abgeordnete Timur Husein mischte mit bei der Vergabe von Förderung
       gegen Antisemitismus. Ein Aufruf zum Besuch der Nova-Ausstellung erntet
       Kritik.
       
 (DIR) Rabin-Vertrauter über Israel und Frieden: „Echter Frieden bedeutet auch heute, das Land zu teilen“
       
       Uri Dromi war Pressesprecher von Jitzhak Rabin. Dann wurde der
       Friedensstifter von einem Rechtsextremen ermordet. Was bleibt von Rabins
       Schaffen?