# taz.de -- Theaterstück zur Bornplatzsynagoge: Wiedergewinnung einer Synagoge
       
       > Zerstörung und Verlust prägen jüdische Geschichte auch in Hamburg. Jetzt
       > widmet sich ein Theaterstück dem Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge.
       
 (IMG) Bild: Len beim Händler der Tora-Krone in dem Stück „Bornplatzsynagoge“
       
       Der Zeitplan wirkt perfekt, als wäre es eine Marketing-Kampagne. Gerade
       wurde der Siegerentwurf des Architekturwettbewerbs für den Hamburger
       Synagogen-Neubau erstmals öffentlich vorgestellt, da bringt
       Kammerspiel-Intendant Axel Schneider neun Tage später schon das von ihm
       dazu geschriebene und inszenierte Stück „Nächstes Jahr Bornplatzsynagoge“
       zur Uraufführung.
       
       Dass sein Haus diese [1][nicht nur jüdische Bürgerinitiative unterstützt],
       scheint eine historisch-moralische Notwendigkeit. Die Kammerspiele waren in
       der Weimarer Republik ein Fixpunkt der jüdischen Gemeinde des
       Grindelviertels, wurden von den Nazis annektiert und zur Organisation von
       Deportationen sowie als Sammellager für Menschen vor ihrem Abtransport in
       die Vernichtungslager genutzt. Im Juli 1945 konnte die Schauspielerin Ida
       Ehre, die selbst die Haft im KZ Fuhlsbüttel überlebt hatte, die Hamburger
       Kammerspiele wieder als Theater eröffnen.
       
       Die Bühne liegt nur 300 Meter vom ehemaligen Born-, heutigen
       Joseph-Carlebach-Platz entfernt, benannt nach dem letzten Oberrabbiner der
       dort ehemals 40 Meter in die Höhe ragenden Synagoge, die 1906 eingeweiht
       worden war. 1.200 Gläubigen bot sie Platz. [2][In der Reichspogromnacht
       1938 schändeten Hamburger die Heiligtümer, zerstörten Fenster und Mobiliar,
       entfachten Feuer.] Den befohlenen Abriss musste die jüdische Gemeinde
       bezahlen.
       
       An demselben Ort, der über Jahrzehnte geschichtsvergessen als Pkw-Parkplatz
       diente, ist jetzt eine [3][Rekonstruktion mit modernem Innenleben] geplant.
       Noch hängen dort Fotos von Opfern des palästinensischen Terrors, täglich 24
       Stunden mitbewacht von zwei zur anliegenden Talmud-Tora-Schule abgeordneten
       Polizisten, während in der angrenzenden Universität überwiegend
       antiisraelische Plakate hängen. Die mehr als 100-jährige Geschichte des von
       der Hansestadt bereits restituierten Grundstücks erzählt Schneider nun in
       Kurzszenen – anhand der fiktionalisierten Biografie des Gründers und
       Vorsitzenden der Stiftung Bornplatzsynagoge, des Hamburger Unternehmers
       Daniel Sheffer.
       
       ## Ein Sohn ermordeter Eltern
       
       Im Stück heißt er Len Steiner, sein Vater Aron. Der wird in kindlicher
       Verzweiflung nach der NS-Machtübernahme zur Tante nach Palästina
       verschifft, die Eltern wollen nachkommen, werden aber, Treffpunkt
       Kammerspiele, ins KZ Jungfernhof bei Riga transportiert und dort ermordet,
       wie der Sohn in einer späteren Szene recherchiert.
       
       Dabei lernt er seine zukünftige Frau kennen und bleibt in Deutschland. Vom
       Tiefpunkt der Gemütsverfassung zum Höhepunkt des Verliebtheitsglücks in
       wenigen Minuten, es folgt eine vitale Hochzeitsszene. Szenenapplaus. So
       geht Theater. Aber das ist die Ausnahme.
       
       Die Inszenierung von Axel Schneider will nicht überwältigen, sondern
       sachlich, [4][seriös Theaterwerbung für das Bauprojekt] betreiben. Dazu
       wird viel Hintergrundwissen in die daher etwas behäbigen Dialoge gepackt.
       Die vom sechsköpfigen Ensemble souverän skizzierten Figuren stehen in
       geradezu stereotyper Klarheit auf der mit Gardinen für schnelle
       Szenenwechsel designten Bühne.
       
       Der herrisch-aggressive Brüller ist der Nazi-Beamte, auch nach 1945 sitzt
       er noch auf seinem Stuhl in der Baubehörde, ein entnazifizierter
       Judenhasser. Lens Mutter ist vor allem duldsam, seine Frau vor allem nett
       und sanft unterstützend: „Hass bringt uns nicht weiter.“ Der Rabbiner kommt
       empörend devot daher, sagt er doch vor dem Abtransport in den Tod: „Wir
       gehen als aufrechte deutsche Juden dahin, wohin man uns schickt. Gott kennt
       unsere Wege und er kennt den Sinn darin.“
       
       Aron wirkt etwas komplexer, bekommt er doch als Schoah-Überlebender noch
       ein Trauma obendrauf: Als Mitglied der zionistischen Untergrundorganisation
       Haganah war er einst mitverantwortlich für die militärische Vertreibung
       arabischer Bevölkerung von ihrem Land. Was das Stück aber nicht
       weiterverfolgt und auch jede Assoziation zu aktuellen Palästina-Diskursen
       vermeidet.
       
       Begeistert von Bildern des alten Gotteshauses, entsetzt über antisemitische
       Anschläge in Deutschland, übernimmt Len das Engagement seines Vaters,
       jüdisches Leben wieder selbstverständlich in der Öffentlichkeit zu führen.
       Dafür soll die Synagoge ohne Zäune und Security-Großaufgebot die Lücke,
       Leerstelle oder Wunde im Stadtteil, in der Gesellschaft schließen.
       
       Probleme deuten sich bei der Finanzierung an. Laut Stück möchte die
       Politik, dass sich die Gemeinde deutlich an den Kosten beteiligt. Was Len
       Steiner grundsätzlich dazu denkt, wird in einer ausführlich erzählten
       Episode deutlich. Ein Antiquitätenhändler, oder sagen wir: Hehler, bietet
       ihm die Tora-Krone der zerstörten Synagoge für 20.000 Euro an. Len: „Ich
       soll für etwas bezahlen, was den Juden zuvor geraubt wurde“?! Deswegen
       macht Schneider den halbseidenen Verkaufsprofi schnell zum suspekten
       Objekt, in dem er verdeutlicht, dass er auch Nazi-Devotionalien im Angebot
       hat. „Geschäft ist Geschäft.“
       
       Die letzte Szene spielt am 19. September 2025, Enthüllung des
       Architekturentwurfs, PR-Botschaften werden strahlend ins Publikum
       gesprochen, das jubelnd zustimmt. Gelungen ist der Abend als pädagogisch
       lauter erarbeitetes Infotheater über die Bornplatzsynagoge. Er könnte nach
       der Einweihung auch prima als kulturelles Beiprogramm einer Tour durchs
       jüdische Hamburg funktionieren.
       
       6 Oct 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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