# taz.de -- Hamburger jüdische Initiative Mit2wo: Raus aus der Trauerecke
> Konstruktiv und ausdrücklich offen in alle Richtungen: Der Hamburger
> jüdische Kulturverein Mit2wo setzt auf Dialog und Bündnisfähigkeit.
(IMG) Bild: Brücken bauen: Peggy Parnass (drinnen) mit Michael Batz und Giorgio Paolo Mastropaolo (draußen) bei der Bustour von Mit2wo 2024
Man musste es beinahe als Kommentar verstehen. Als der jüdische
Kulturverein Mit2wo am Dienstagvormittag zum Gespräch ins Hamburger
Schanzenviertel bat, da näherte sich anderswo in der Stadt gerade [1][ein
Rechtsstreit zwischen zwei jüdischen Gemeinden] seinem Ende. Dass jüdische
Menschen in Deutschland allzu oft als zerstritten und rechthaberisch
wahrgenommen würden, das zu ändern, war 2022 sozusagen die Gründungsidee
[2][des Vereins].
An [3][Peggy Parnass] erinnerte nun zum Auftakt der Vereinsvorsitzende
Giorgio Paolo Mastropaolo: „Was können wir tun?“, habe ihn die Autorin,
Schauspielerin und Gerichtsreporterin, selbst Shoa-Überlebende, einmal
gefragt. Ganz konkret: „Du und ich, was können wir tun?“ Das war durchaus
auf den sich zunehmend offen zeigenden Antisemitismus bezogen. Den redeten
auch jetzt weder Mastropaolo klein noch der neben ihm sitzende Michael
Batz, ehrenamtliches Mitglied des Vereinsvorstands.
Der Hamburger, dessen Aktivitäten mit „Lichtkünstler“ [4][kaum zureichend
beschrieben] sind, arbeitet seit Jahrzehnten immer wieder zu historischen
Themen, das heißt, auch immer wieder zur planmäßigen Ermordung von Europas
Jüdinnen und Juden. Dass dieses Thema Raum brauche, die Erinnerung daran
sowie die Mahnung, daran möchte hier gar niemand rühren, das zeigte sich
bei dem Pressetermin.
## Nicht nur in der Vergangenheit leben
Und doch ging es den drei Einladenden – es moderierte der Publizist und
Kommunikationsexperte Michel Rodzynek – um mehr: 80 Jahre nach der
Befreiung vom Nationalsozialismus lebten viele Jüdinnen und Juden noch
immer in der Vergangenheit, heißt es in einer Erklärung des Vereins Mit2wo.
Und „anders als in vielen europäischen Ländern“ täten jüdische Menschen
sich „schwer“ mit der Integration „in ihre Wahlheimat“ – selbst die hier
Geborenen „scheuen ein uneingeschränktes Bekenntnis zu ihrem Land“.
Das klingt anders als etwa in den jahrelang vorhersagbar angestimmten
Samstagsreden übers wieder erblühende jüdische Leben und die Bereicherung,
die es darstelle für alle Deutschen. Eine Lösung liefert der Verein aber
auch: Es mangele den jüdischen Gemeinden an „Identitätskonzepten“, die „ein
neues und zeitgerechtes Bewusstsein“ bei ihren Mitgliedern erzeugen
könnten.
Statt also, wenn auch aus erklärbaren Gründen, einzig die akute
antisemitische Bedrohungslage zur Kenntnis zu nehmen, wirbt Mit2wo dafür,
sich gegen „jede Form der Diskriminierung“ zu positionieren. Der Verein
setzt sich für Solidarität, „grundsätzlich mit allen betroffenen
Gruppierungen“ ein. Bündnisfähigkeit und der Einsatz für alle, die ihrer
Hilfe bedurften, das waren bis zuletzt Eigenschaften der [5][2025
verstorbenen Peggy Parnass]. Die habe ihn etwa sensibilisiert für das Leid
von Sinti und Roma, erzählte Mastropaolo beim Pressetermin.
Die Geschichte anderer wahrzunehmen, mitzufühlen ohne Angst, sich selbst
oder der eigenen Gruppe etwas wegzunehmen, das scheint zentral für den
jünger wirkenden 53-jährigen Mastropaolo, der mit Nylonblouson und Vollbart
nicht weiter auffallen würde im Schanzenpublikum draußen vor der Tür. Er
erzählte von der Begegnung mit einem Mädchen mit familiären Wurzeln in Gaza
– nach dem 7. Oktober 2023. Hätte sie ihn, den Juden, zunächst für alles
Leid dort verantwortlich gemacht, sei er später, beim Verlassen des Raums,
von ihr abgepasst worden, und sie habe sich dafür bedankt, etwas gelernt zu
haben.
## Zu Gast in Schulen – und bei der Polizei
Zugetragen hat sich die Anekdote im Rahmen der [6][„Mit2wo-Akademie“]:
Immer wieder besuchen Mastropaolo und andere aus dem Verein Hamburger
Schulen, auch bei der Polizei ist man regelmäßig zu Gast. Dabei geht es
darum, Wissenslücken zu schließen - oder wenigstens kleiner zu machen. Für
Mastropaolo – darin wiederum Parnass folgend – steht hinter antijüdischem
Ressentiment oftmals schlicht fehlendes Wissen.
Bei aller Distanz zu anderen, auch etablierteren jüdischen Organisationen
und den beiden Gemeinden in Hamburg, ganz unter dem Radar bleibt das
Engagement des Vereins nicht. Man ist dabei, wenn einmal im Jahr ehemalige,
verjagte oder geflohene, Hamburger:innen ihre alte Heimatstadt besuchen
kommen. [7][Ein Buch] mit Texten Peggy Parnass' haben Mastropaolo und Batz
auch schon gemeinsam herausgegeben.
Weiteres sichtbares Zeichen der Aktivitäten ist eine Alsterdampferfahrt,
gewidmet dem jüdischen Fest Chanukka – und dem christlichen Weihnachtsfest.
Wenn dieses Ende November, am 29., wieder gefeiert wird, wird einmal mehr
Michael Batz für die Beleuchtung sorgen. An Bord eines Alsterdampfers
stellt dann die [8]["Praxis ohne Grenzen"] ihre Arbeit vor - auch so eine
Einrichtung, die erklärtermaßen allen hilft, die daran Bedarf haben.
18 Nov 2025
## LINKS
(DIR) [1] /Hamburgs-juedische-Gemeinden-vor-Gericht/!6124016
(DIR) [2] https://mit2wo.de/
(DIR) [3] /Dankbar-dass-sie-da-ist/!6034419
(DIR) [4] /Aufarbeitung-auf-der-Buehne/!5293836
(DIR) [5] /Nachruf-auf-Peggy-Parnass/!6075424
(DIR) [6] https://mit2wo.de/kopie_mit2wo-akademie.html
(DIR) [7] https://www.dugverlag.de/produkt.php?isbn=3-96060-712-1&full=yes&precat=start
(DIR) [8] /Nicht-bloss-in-der-Ecke-sitzen/!355619
## AUTOREN
(DIR) Alexander Diehl
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