# taz.de -- Hamburger Bornplatzsynagoge: Die Wiedergutmachung
       
       > Die Unterstützungskampagne ist zu Ende, Geld bewilligt. Je konkreter sich
       > eine neue Synagoge für Hamburg abzeichnet, umso hitziger der Streit.
       
 (IMG) Bild: Projekt mit Unterstützung: Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) vor einem Bild der Synagoge
       
       Wer wollte dagegen etwas einwenden? Dass Jüdinnen und Juden sich
       entscheiden, wieder hier zu leben? Dagegen, dass sich dieses Leben auch
       deutlich zeigen kann – in Gestalt einer Synagoge zum Beispiel: weithin
       sichtbar, selbstbewusst statt versteckt, an einem historisch geradezu
       zwingenden Ort?
       
       So ein Ort ist in Hamburg [1][der Bornplatz] gewesen, gleich neben dem
       Universitätscampus. Im umliegenden Grindelviertel konzentrierte sich viel
       vom einstigen jüdischen Leben in der Stadt, und auf dem Platz stand ab 1906
       die „Neue Synagoge“, die größte in Norddeutschland und eine der größten in
       Nordeuropa. Bis zu 1.200 Menschen fanden Platz in dem 40 Meter hohen Bau im
       neoromanischen Stil, entworfen vom Architekten Semmy Engel und dem
       Regierungsbaumeister Ernst Friedheim.
       
       Als im November 1938 überall im Deutschen Reich Synagogen brannten, wurde
       auch die auf dem Bornplatz schwer beschädigt, Kultgegenstände wurden
       geschändet, geraubt. Einen Winter lang stand noch, was diese
       „Reichspogromnacht“ überstanden hatte, bis die Israelitische Gemeinde im
       folgenden Jahr auf eigene Kosten die Reste abtragen lassen musste. Heute
       trägt der Platz zwei Namen: Allendeplatz heißt der nordwestliche Teil, der
       südöstliche ist nach Joseph Carlebach benannt: Der Rabbiner wurde, so wie
       viele Mitglieder seiner Gemeinde, 1942 deportiert und ermordet.
       
       ## Offene Wunde inmitten der Stadt
       
       Als offene Wunde hat Philipp Stricharz den Platz wiederholt bezeichnet,
       Erster Vorsitzender von Hamburgs Jüdischer Gemeinde. Und von einem späten
       Sieg über den nationalsozialistischen Vernichtungswillen gesprochen, den
       die Rückkehr dorthin für das Judentum bedeute – auch über Hamburg hinaus.
       Stricharz ist seit Juni 2019 im Amt, etwas später im selben Jahr kam die
       Diskussion auf, ob sich diese Wunde nicht schließen lassen könnte: In
       Reaktion auf den antisemitischen Terroranschlag in Halle äußerte in der
       Bürgerschaft der damalige Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks die Idee, eine
       Synagoge zu bauen – dort, wo schon mal eine gestanden hatte.
       
       Hamburgs Landesrabbiner Shlomo Bistritzky [2][nahm den Ball auf], und die
       Sache fand rasch Unterstützung in der verfassten Politik. Hamburger
       Bundestagsabgeordnete besorgten dann im Haushaltsausschuss 600.000 Euro für
       eine Machbarkeitsstudie.
       
       Deren Ergebnisse sollten eigentlich Ende 2020 vorliegen – erst im ganz
       jungen Jahr aber erging auch die Ausschreibung. Nun ist die Rede vom
       Spätsommer. Dann erst lasse sich fundiert auch über das Wie des Ganzen
       diskutieren. Das sagte in der ausgehenden Woche Daniel Sheffer,
       Unternehmer, Mitglied der Jüdischen Gemeinde und Initiator einer erklärt
       [3][überparteilichen und -konfessionellen Unterstützungsinitiative].
       
       ## Millionen aus Berlin
       
       Diese Initiative beendete gerade, am Jahrestag der Auschwitzbefreiung am
       vergangenen Mittwoch, offiziell ihre Aktivitäten: [4][107.00 Unterschriften
       waren da gesammelt] für das Projekt, nun seien andere am Ball, sozusagen:
       die Stadt und die Jüdische Gemeinde. Und die Zeichen stehen gut: Inzwischen
       liegt, wiederum aus Berlin, eine Zusage über 65 Millionen Euro vor, als
       Kofinanzierung, Hamburg müsste also noch mal den nämlichen Betrag
       beisteuern.
       
       Nun ist das Geld immer ein Thema bei einem solchen Projekt, aber längst
       nicht das einzige. Die denkmalschützerischen und städtebaulichen
       Herausforderungen seien „mannigfaltig und nicht einfach wegzudiskutieren“,
       sagt damals Tjarks. Aber was genau soll passieren, da im Herzen von
       Hamburgs traditionellem jüdischen Viertel – eine historisierende
       Wiederherstellung der Gründerzeitarchitektur? Oder nicht vielmehr etwas
       ganz anderes?
       
       Nicht dass diese Debatte erst Ende des vergangene Jahres aufgekommen wäre,
       nein, es gab von Anfang an auch Bedenken gegen ein allzu rückwärtsgewandtes
       Vorgehen – gerade weil die Gefahr bestehe, dass die lange offene Wunde
       inmitten der Stadt vergessen gemacht werden könnte.
       
       ## Schweres Debattengeschütz
       
       Diskutiert, ja: gestritten wird darüber aber umso lauter, je konkreter sich
       die Realisierung abzeichnet. Als abgehoben oder im „Elfenbeinturm“
       beheimatet sind selbst wohlüberlegte Argumente da bezeichnet worden, früh
       wurde auch ein besonders schweres Debattengeschütz aufgefahren: dass sich
       die Jüdische Gemeinde nicht von außen reinreden zu lassen habe.
       
       Über die Redlichkeit solcher Rede wird sich ebenfalls trefflich streiten
       lassen – gegen eine Rückkehr in die Gründerzeit sind Einwände auch in der
       Jüdischen Gemeinde selbst zu vernehmen. Und ein [5][allzu viel
       Rekonstruktion kritisierendes Positionspapier], das im Dezember für ein
       gewisses Aufsehen sorgte, hatten, wenn nicht Gemeindemitglieder, so doch
       auch jüdische Historiker:innen mitverfasst: Miriam Rürup etwa, die bis
       Ende 2020 das Hamburger Institut für die Geschichte der deutschen Juden
       geleitet hat, und [6][Moshe Zimmermann] aus Jerusalem.
       
       Und wenn, mit Verlaub, dagegen doch nicht ganz so hell leuchtende,
       zweifelsohne wohlgesinnte Berufspolitiker sich im Sinne einer „schönen“,
       also nicht zuletzt touristisch attraktiven, in denkbar profaner Weise der
       Stadt nützlichen Synagoge aussprechen? Wenn ein – inzwischen ehemaliger –
       Bundestagsabgeordneter mit besten Berliner Haushalts-Connections sich zu
       Beginn der Debatte auf eine bestimmte, nämlich restaurative äußere Form
       festlegt, oder Beifall kommt [7][von einem Verein], der sich ausdrücklich
       „für Denkmalschutz, traditionelle Architektur und Rekonstruktionen“
       einsetzt: Ist das dann eigentlich ein berufeneres Mitreden – keines „von
       außen“?
       
       ## Am Ende entscheidet die Jüdische Gemeinde
       
       Es kann vielleicht gar nicht zu oft klargestellt werden: Wenn am Ende eine
       Entscheidung getroffen wird zugunsten eines Gebäudes, nah am mehr als 100
       Jahre alten Original, und wenn diese Entscheidung wesentlich in und aus der
       Jüdischen Gemeinde getroffen wird, dann ist das richtig so. Und wenn
       irgendwer nicht an die Existenz der Schoah erinnert werden muss, dann sind
       es jene, die ihr entkamen, und deren Nachkommen.
       
       Dass aber bis dahin darum gerungen werden darf, ja: muss – mit Argumenten,
       nicht Unterstellungen, mit Augenmaß, nicht irgendwelchen Keulen: Das ist
       auch wahr.
       
       Mehr Meinung zur Hamburger Bornplatzsynagoge lesen Sie in der gedruckten
       taz nord am Wochenende – oder [8][hier]
       
       29 Jan 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Synagogen-Initative-in-Hamburg/!5637335
 (DIR) [2] https://www.abendblatt.de/hamburg/article227487585/Rabbi-Lasst-uns-die-Synagoge-am-Bornplatz-wieder-aufbauen.html
 (DIR) [3] https://www.bornplatzsynagoge.org/
 (DIR) [4] /Hamburgs-neue-Synagoge-rueckt-naeher/!5743409
 (DIR) [5] https://www.facebook.com/denkmalverein/posts/817802239070659?__tn__=K-R
 (DIR) [6] https://www.tagesspiegel.de/kultur/kritik-antisemitismus-in-hamburg-eskaliert-ein-streit-um-erinnerungspolitik/26795450.html
 (DIR) [7] https://stadtbild-deutschland.org/wiederaufbau-der-bornplatzsynagoge/
 (DIR) [8] /Unser-eKiosk/!114771/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Alexander Diehl
       
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