# taz.de -- Europäisches Asylsystem (Geas): Warum Merz' Ankündigung kein Grund zur Freude ist
       
       > Der Kanzler will Grenzkontrollen beenden, wenn die europäische Reform der
       > Grenzpolitik in Kraft tritt. Dann droht ein neues Kapitel der
       > Abschottung.
       
 (IMG) Bild: Kontrollen in Pomellen an der Deutsch-Polnischen Grenze, Mecklenburg – Vorpommern, am 20.5.2025
       
       Die Grenzkontrollen und die [1][Zurückweisungen Asylsuchender] werden in
       absehbarer Zukunft beendet. So kündigte es Kanzler Friedrich Merz kürzlich
       an. Dann nämlich, wenn die Reform des Gemeinsamen europäischen Asylsystems
       (Geas) greift. Das wird Mitte 2026 der Fall sein. Darüber kann man aus
       guten Gründen erleichtert sein. Die Kontrollen mögen zwar nicht direkt
       rechtswidrig sein, sie waren aber eindeutig ein Verstoß gegen die Idee des
       Schengenraums mit offenen Grenzen.
       
       Eindeutig illegal indes waren die Zurückweisungen von Schutzsuchenden. Wie
       offen die Bundesregierung hier das Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts
       aus dem vergangenen Sommer ignoriert, ist nach wie vor ein Skandal. Nun
       könnte folgendes Fazit ziehen: Ungut, dass es so weit gekommen ist, gut,
       dass es jetzt eine Ausstiegsperspektive gibt. Allerdings sagt es einiges
       über die Geas-Reform, wenn Innenminister Alexander Dobrindt, CSU, und
       Kanzler Merz dazu bereit sind, ihre nationale Abschottungsstrategie gegen
       die Geas-Reform zu tauschen.
       
       Schon in ihrer ursprünglichen Form war die Reform eine Zumutung:
       Schnellverfahren in Haftlagern an den EU-Außengrenzen ohne Anwält*innen
       und die Zivilgesellschaft, undurchsichtige Ausnahmeregelungen für
       Krisenfälle, bessere Möglichkeiten, illegale Pushbacks zu verschleiern. Das
       ist aber noch nicht alles. Am 8. Dezember [2][einigten sich die
       EU-Innenminister auf eine Neufassung der Rückführungsverordnung].
       
       Dieser Schritt war überhaupt erst der Anlass für Merz’ Ankündigung, die
       nationalen Kontrollen bald beenden zu wollen. Was die Innenminister da
       beschlossen haben, macht den Weg frei für ein ganz neues Kapitel der
       europäischen Abschottung. Neben allerlei neuen Pflichten für Abzuschiebende
       und harten Strafen für alle, die sich widersetzen, kippt der Beschluss auch
       das sogenannte Verbindungselement.
       
       Sollte das so vom EU-Parlament beschlossen werden, könnten abgelehnte
       Asylbewerber*innen bald in sogenannten Rückführungslagern interniert
       werden, in jenen Ländern, die die Betroffenen noch nie zuvor betreten
       haben. Fernab der Öffentlichkeit können sie dort festgehalten werden, bis
       sie freiwillig in ihr Herkunftsland zurückgehen oder dorthin abgeschoben
       werden.
       
       Das gekippte Verbindungselement ist ein Schritt in Richtung einer noch
       drastischeren Lösung: der des sogenannten [3][Ruanda-Modells]. Nach diesem
       werden nicht nur abgelehnte Asylbewerber*innen, sondern auch die neu
       ankommenden Geflüchteten in ein fremdes Nicht-EU-Land verfrachtet.
       
       Am Beispiel der USA, die bereits ähnlich vorgehen, zeigt sich, dass sich
       mit ausreichend politischem und wirtschaftlichem Druck durchaus
       Aufnahmeländer finden lassen. Nur kann man sich eben nicht sicher sein,
       dass Staaten wie der Südsudan die ihnen aufgezwungenen Menschen gut
       behandeln – oder sie nicht direkt dorthin abschieben, woher sie einst
       flohen. Mit diesem Szenario im Hinterkopf klingt Merz’ Ankündigung zum Ende
       der nationalen Grenzkontrollen eher wie eine Drohung.
       
       12 Dec 2025
       
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