# taz.de -- Neues Berliner Polizeigesetz: Rundum überwacht
> Berlin bekommt ein neues Polizeigesetz. Die schwarz-rote Koalition ist
> dabei mehr an den Möglichkeiten zur Überwachung als an den Grundrechten
> interessiert.
(IMG) Bild: Auch Künstliche Intelligenz soll der Berliner Polizei ermittelnd beistehen
Zwei Menschen umarmen sich innig am Berliner Alexanderplatz – und rufen
damit die Polizei auf den Plan, die mit einem großen Aufgebot anrückt. Was
absurd bis dystopisch klingt, könnte bald Wirklichkeit werden, wenn Berlins
schwarz-rote Koalition [1][das neue Polizeigesetz] wie geplant am 4.
Dezember im Abgeordnetenhaus verabschiedet. Es soll dann zum Jahreswechsel
in Kraft treten.
Von da an darf die Berliner Polizei etwa [2][dauerhafte Videoüberwachung]
an sogenannten kriminalitätsbelasteten Orten installieren. Dazu zählen der
Alexanderplatz, der Görlitzer Park und das Kottbusser Tor. Und mehr noch:
Eine Künstliche Intelligenz (KI) scannt das Material dann live nach
auffälligem Verhalten – ob etwa sich eine Prügelei anbahnt. In dem Fall
soll sie dann Polizist*innen alarmieren.
Das Problem ist nur: Die Software kann Schlägereien nicht zuverlässig von
nur innig gemeinten Umarmungen unterscheiden. Sie produziert dadurch viele
Fehlalarme. Was die Verantwortlichen in Innenverwaltung und Parlament als
Arbeitserleichterung für die Polizei anpreisen, hat sich deshalb bislang
nicht bewährt. Im Gegenteil: Erfahrungen aus Mannheim und aus Hamburg, wo
die Technologie [3][bereits eingesetzt wird], zeigen, dass sie eher mehr
Arbeit macht als weniger.
Ob die Technologie nun funktioniert oder nicht – zentrale Bereiche der
Berliner Innenstadt können künftig nicht mehr betreten werden, ohne ins
[4][Visier staatlicher Überwachung] zu geraten. Doch das ist nicht der
einzige Punkt im neuen Polizeigesetz, bei dem CDU und SPD weit übers Ziel
hinausschießen. Denn die Polizei erhält zum einen [5][neue und
weitreichende Befugnisse]. Zum anderen wird der Personenkreis, der in den
Fokus der Polizei geraten kann, erheblich erweitert.
Hinzu kommt ein völlig neuer Bereich: der Einsatz von KI. Neben dem
Verhaltensscanner kriegt die Polizei nämlich auch die von ihr [6][lang
ersehnte Gesichtserkennungssoftware] für die Online-Suche nach Verdächtigen
und darf bald Daten auf einer automatisierten Analyseplattform verknüpfen
und auswerten.
Dass das Vorbild für die neue Gesichtserkennungstechnik, die private
Software PimEyes, [7][in der EU gar nicht zugelassen ist] – geschenkt. Auch
sonst zeigt sich die Koalition unbelehrbar. Auf massive Kritik von
Expert*innen wie Berlins Datenschutzbeauftragter reagierten CDU und SPD
mit einem Änderungsantrag, [8][der strittige Punkte zum Teil noch weiter
verschärft].
Damit verfolgt Berlin eine bedenkliche Strategie, die zuvor auch schon
andere Bundesländer angewendet haben. Nicht die Grundrechte bilden die
Richtschnur für das neue Gesetz. Stattdessen testet die Koalition lieber
die Grenzen des verfassungsrechtlich Möglichen aus, indem sie die Wünsche
der Polizei erfüllt und es zivilgesellschaftlichen Organisationen und dem
Bundesverfassungsgericht überlässt, die neuen Regeln zu prüfen und
womöglich zu kippen.
Schon mehrfach ist genau das passiert. In Hamburg, Hessen und
Mecklenburg-Vorpommern hat das Bundesverfassungsgericht Teile der
jeweiligen Polizeigesetze für verfassungswidrig erklärt. Im Fokus stand
dabei immer wieder die automatisierte Datenanalyse – etwa mithilfe der
[9][umstrittenen US-Software Palantir] –, die künftig auch in Berlin
erlaubt sein soll. Gut möglich, dass das Berliner Gesetz schon bald die
Richter*innen in Karlsruhe beschäftigt.
Das ist auch gut so. Denn viele der neuen Instrumente im Werkzeugkasten der
Polizei sind schon jetzt gefährlich. Aber sollte eines Tages eine
autoritäre Regierung an die Macht gelangen, böten sie ihr die Möglichkeit
zur massenhaften Überwachung und Einschüchterung der Bürger*innen – und
das ganz legal.
27 Nov 2025
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## AUTOREN
(DIR) Hanno Fleckenstein
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vorn.