# taz.de -- Debatte im Berliner Abgeordnetenhaus: Abschied vom Rechtsstaat?
> Für Grüne und Linke öffnet das neue Polizeigesetz die Tür zum
> Überwachungsstaat. CDU und SPD hingegen halten erweiterte Kompetenzen für
> unabdingbar.
(IMG) Bild: Polizeibeamte laufen am Kottbusser Tor in Berlin-Kreuzberg zu einer Personenüberprüfung, am 10.10.2025
Überwachungsstaat versus nötige Anpassung an neue Bedrohungen und
Möglichkeiten: Weit, sehr weit sind am Donnerstag im Abgeordnetenhaus die
Einschätzungen zum überarbeiteten Polizeigesetz auseinandergegangen. Wo die
CDU fragte, wer das eigentlich ernstlich ablehnen könne, sahen Grüne und
Linkspartei quasi das Tor zur Überwachungshölle geöffnet. Nach kontroverser
Debatte ist der seit Monaten diskutierte Gesetzesentwurf nun mit Stimmen
von CDU und SPD beschlossen – und jenen der AfD, die sich noch mehr
Möglichkeiten zur Kriminalitätsbekämpfung wünschte.
Bei der Neufassung des Polizeigesetzes geht es um erweiterte Befugnisse zur
Kommunikationsüberwachung, dauerhafte Videoüberwachung an Orten, die als
kriminalitätsbelastet eingestuft sind, den Einsatz künstlicher Intelligenz,
längere Speicherung von Videomaterial aus U-Bahnhöfen und größeren Schutz
von Frauen vor häuslicher Gewalt. Die Änderungen gegenüber der bisherigen
Fassung des Polizeigesetzes, die zum Jahresbeginn 2026 in Kraft treten,
umfassen 750 Seiten.
Für Martin Matz, den innenpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, bekommt
die Polizei nun „zeitgemäße Instrumente an die Hand, um mit den Aufgaben
unserer Zeit umgehen zu können“. Zwei Dinge schloss er für die Arbeit der
Berliner Polizei ausdrücklich aus: eine biometrische Fernidentifizierung in
Echtzeit und den Einsatz der umstrittenen Ermittlungssoftware Palantir.
Letztere ist bei der nordrhein-westfälischen Polizei bereits im Einsatz.
CDU-Innenexperte Burkard Dregger hält moderne Instrumente für unabdingbar,
um Gefahren durch Terrorismus und organisierte Kriminalität begegnen zu
können. „Wir haben die Pflicht, unsere Demokratie wehrhaft zu machen“,
sagte er. Mache man das nicht, werde das Vertrauen in die Demokratie
erschüttert.
## Innensenatorin Spranger nimmt nicht an Debatte teil
Nicht im Plenarsaal ist bei der Debatte die zuständige Innensenatorin Iris
Spranger (SPD), [1][die den Gesetzentwurf bei seiner ersten Lesung im Juli]
„das sicherheitspolitische Kernstück dieser Koalition“ nannte. Grüne,
Linkspartei und AfD kritisieren, dass Spranger stattdessen beim Treffen der
16 Landesinnenminister in Bremen ist. Dort geht es allerdings auch um
gewichtige Dinge – und Spranger gilt nicht als eine, die sich vor einer
Debatte im Abgeordnetenhaus drücken würde.
An Sprangers Stelle redet Bausenator Christian Gaebler (SPD) für die
Landesregierung. Der hat allerdings durchaus eine prägende Verbindung zum
Thema Bedrohung: Gaebler war 2016 gerade Staatssekretär in der
Senatsverwaltung für Inneres und Sport geworden, als beim Anschlag auf den
Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz 13 Menschen starben und seine Behörde
im Fokus stand.
Die Polizei könne jetzt besser gegen Terrorismus und organisierte
Kriminalität vorgehen, sagte Gaebler, Frauen würden besser vor häuslicher
Gewalt geschützt. „Es geht nicht um einen übergriffigen Staat, sondern um
den Schutz vor übergriffigen Gewalttätern.“
## Heftige Kritik von Grünen und Linkspartei
Die oppositionellen Grünen und Linken folgten dieser Argumentation nicht.
Für den Grünen-Abgeordneten Vasili Franco legen CDU und SPD „die Axt an das
Prinzip der Verhältnismäßigkeit“. Wer so ein Gesetz beschließe, „der
verabschiedet sich vom Rechtsstaat, sagte Franco. Anders als vom SPDler
Matz zugesichert, vermutet er, dass die Polizei doch mit der kritisierten
Palantir-Software arbeiten könnte. Und sein Kollege Niklas Schrader von der
Linkspartei warf der Koalition vor, sie gehe [2][an die Grenzen des
verfassungsrechtlich Möglichen] „und manchmal auch darüber hinaus“.
Matz hat in seiner Rede zugesichert, dass die Koalition auch nach dem
Gesetzesbeschluss an dem Thema dranbleiben will: Man werde schauen, ob die
Änderungen als Leitplanken funktionieren oder vielleicht nochmal angepasst
werden müssten. „Dann würden wir das auch machen.“
8 Dec 2025
## LINKS
(DIR) [1] /Feierabend-im-Abgeordnetenhaus/!6096209
(DIR) [2] /Anwalt-ueber-Berliner-Polizeigesetz/!6126976
## AUTOREN
(DIR) Stefan Alberti
## TAGS
(DIR) Polizei Berlin
(DIR) Innensenatorin Iris Spranger
(DIR) Terrorismus
(DIR) Polizeigesetz
(DIR) Reden wir darüber
(DIR) Schwerpunkt Stadtland
(DIR) Schwarz-rote Koalition in Berlin
(DIR) Polizei Berlin
## ARTIKEL ZUM THEMA
(DIR) Neues Berliner Polizeigesetz: Rundum überwacht
Berlin bekommt ein neues Polizeigesetz. Die schwarz-rote Koalition ist
dabei mehr an den Möglichkeiten zur Überwachung als an den Grundrechten
interessiert.
(DIR) Diskussion um Berliner Polizeigesetz: Schwarz-Rot beschließt weitere Verschärfungen
Das umstrittene Berliner Polizeigesetz hat die nächste Hürde genommen. CDU
und SPD haben den Entwurf überarbeitet – und dabei Befugnisse ausgeweitet.
(DIR) Neues Berliner Polizeigesetz: Big Brother soll mehr watchen können
Der Innenausschuss berät am Montag über eine Reform des Polizeigesetzes.
CDU und SPD wollen deutlich weitreichendere Befugnisse beschließen.