# taz.de -- Neues Berliner Polizeigesetz: Big Brother soll mehr watchen können
       
       > Der Innenausschuss berät am Montag über eine Reform des Polizeigesetzes.
       > CDU und SPD wollen deutlich weitreichendere Befugnisse beschließen.
       
 (IMG) Bild: Hier würde der Polizei eine neue Software zur Gesichtserkennung auch nicht weiterhelfen
       
       Wenn es nach der schwarz-roten Koalition geht, hat Berlin bald [1][ein
       neues Polizeigesetz]. Am kommenden Montag soll der Innenausschuss des
       Abgeordnetenhauses ein letztes Mal über die Neufassung des „Allgemeinen
       Sicherheits- und Ordnungsgesetzes“, kurz Asog, beraten. Schon Anfang
       Dezember könnte es im Plenum des Parlaments verabschiedet werden und kurz
       darauf in Kraft treten.
       
       Doch die Reform hat es in sich. Sie wurde unter anderem nötig, weil das
       bisherige Gesetz wegen neuer Bundes- und EU-Regelungen sowie der
       Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in vielen Punkten rechtswidrig
       war. Aber [2][der Entwurf von CDU und SPD] ist weit mehr als eine
       Überarbeitung der betreffenden Punkte. Er stattet die Polizei mit neuen und
       weitreichenden Befugnissen aus, schafft umfassende Möglichkeiten zum
       Einsatz von künstlicher Intelligenz und zur automatisierten Datenanalyse.
       Die taz gibt einen Überblick über fünf problematische Neuerungen.
       
       ## Umarmung oder Schlägerei? Der Verhaltensscanner
       
       Die gute Nachricht zuerst: Eine Live-Gesichtserkennung [3][wie in Hessen]
       bleibt Berlin wohl zunächst erspart. Was CDU und SPD vorhaben, klingt
       trotzdem dystopisch. An den sogenannten kriminalitätsbelasteten Orten –
       etwa dem Görlitzer Park, dem Kottbusser Tor oder dem Alexanderplatz – soll
       künftig [4][dauerhafte Videoüberwachung möglich sein]. Eine KI kann das
       Material dann live nach auffälligem Verhalten scannen, also ob sich zum
       Beispiel eine Prügelei anbahnt. In dem Fall soll sie dann
       Polizist*innen alarmieren.
       
       Laut Koalition schont die Technologie Ressourcen der Polizei. Erfahrungen
       aus Mannheim und aus Hamburg, wo die Software [5][bereits eingesetzt wird],
       zeigen aber, dass die Technologie aufgrund von Fehlalarmen eher mehr Arbeit
       macht als weniger. Fachleuten zufolge unterscheidet sie zum Beispiel
       Schlägereien nicht zuverlässig von Umarmungen.
       
       ## Präventive Überwachung und Kontaktschuld
       
       Vieles, das früher nur zur Strafverfolgung zulässig war, soll künftig
       präventiv zur Gefahrenabwehr erlaubt sein – etwa [6][staatliche
       Hackerangriffe auf private Telefone und Computer] sowie die Handyortung
       und -überwachung. Was aber ist überhaupt eine Gefahr? Das ist im Entwurf
       [7][reichlich vage definiert]: Nämlich wenn „Tatsachen die Annahme
       rechtfertigen“, dass eine Person „innerhalb eines übersehbaren Zeitraums“
       auf eine „zumindest ihrer Art nach konkretisierte Weise eine Straftat
       begehen wird“ – bereits dann darf die Polizei in vielen Fällen tätig
       werden. Auch Begleit- und Kontaktpersonen von Verdächtigen kann es künftig
       leichter treffen.
       
       ## Biometrische Suche oder: Lex Daniela Klette
       
       Die Schmach, die untergetauchte RAF-Verdächtige Daniela Klette mitten in
       Berlin [8][nicht selbst entdeckt zu haben], sitzt offenbar tief bei den
       Behörden. Jetzt wollen CDU und SPD nachhelfen und [9][der Polizei
       erlauben], eine Gesichtserkennungssoftware zu nutzen, die jener ähnelt, mit
       der ein Journalist Klette aufgespürt hat. Dabei wird das Internet anhand
       biometrischer Merkmale wie Fotos oder Stimmen durchsucht. Das Problem: Die
       Software, die der Journalist verwendete, ist in der EU nicht zugelassen,
       weil sie gegen die KI-Verordnung verstößt. Wie die Koalition hier also
       offenen Rechtsbruch vermeiden kann, ist unklar.
       
       ## Auf dem Weg zur Superdatenbank?
       
       Tritt das Gesetz wie geplant in Kraft, darf die Polizei ab Januar in einer
       Datenbank Informationen aus verschiedenen Quellen automatisiert
       [10][verknüpfen und analysieren]. Dazu gehören etwa persönliche
       Informationen, Verkehrsdaten, Falldaten der Polizei, Telefondaten und
       vieles andere mehr. Der Jurist Jonas Botta [11][kritisierte im
       Innenausschuss des Parlaments], die Regelung ermögliche der Polizei, eine
       „Superdatenbank“ zu erschaffen – und das sei verfassungswidrig.
       
       ## Der KI zum Fraß: Datensammlung als Selbstzweck
       
       Was bedenkliche Regelungen zum Umgang mit sensiblen Daten angeht, legt der
       Entwurf aber noch mit zwei weiteren [12][problematischen Passagen] nach:
       Zum einen sollen Polizei und Feuerwehr personenbezogene Daten „auch über
       die vorgesehene Speicherdauer hinaus“ weiter verarbeiten dürfen, wenn das
       „erforderlich ist, um KI-Systeme zu testen und zu trainieren“. Wie bitte?
       Das dachte sich auch Berlins Datenschutzbeauftragte Meike Kamp, die
       [13][eine umfassende Überarbeitung dieser Regelung forderte].
       
       Zum anderen ermöglicht ein [14][anderer Absatz des gleichen Paragrafen]
       Schluderei mit persönlichen Daten. Denn eigentlich müssen gespeicherte
       Informationen sorgfältig gekennzeichnet werden: etwa wie die Daten erhoben
       wurden – offen oder verdeckt – und zu welcher polizeilichen Kategorie die
       betroffenen Personen gezählt werden. Nur: Das alles muss die Polizei
       vorerst nicht machen, wenn es „technisch nicht möglich ist oder einen
       unverhältnismäßigen technischen Aufwand erfordern würde“. Das heißt, dass
       die Behörde einen Freifahrtschein zum Umgang mit Daten hätte, wenn es ihr
       technisch zu kompliziert wird.
       
       13 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Reform-des-Berliner-Polizeigesetzes/!6096087
 (DIR) [2] https://www.parlament-berlin.de/ados/19/IIIPlen//vorgang/d19-2553.pdf
 (DIR) [3] /Hessen-beschliesst-Polizeigesetz/!6056265
 (DIR) [4] https://www.parlament-berlin.de/ados/19/IIIPlen//vorgang/d19-2553.pdf#page=408
 (DIR) [5] /Kuenstliche-Intelligenz-im-Einsatz/!6099559
 (DIR) [6] /Telefonueberwachung-und-Handyortung/!6071495
 (DIR) [7] https://www.parlament-berlin.de/ados/19/IIIPlen//vorgang/d19-2553.pdf#page=413
 (DIR) [8] /Open-Source-Intelligence-bei-der-Polizei/!6060094
 (DIR) [9] https://www.parlament-berlin.de/ados/19/IIIPlen//vorgang/d19-2553.pdf#page=429
 (DIR) [10] https://www.parlament-berlin.de/ados/19/IIIPlen//vorgang/d19-2553.pdf#page=461
 (DIR) [11] https://www.parlament-berlin.de/ados/19/InnSichO/vorgang/iso19-0228-v_Stellungnahme-2.pdf#page=14
 (DIR) [12] https://www.parlament-berlin.de/ados/19/IIIPlen//vorgang/d19-2553.pdf#page=447
 (DIR) [13] https://www.parlament-berlin.de/ados/19/InnSichO/vorgang/iso19-0228-v_Stellungnahme-4.pdf#page=23
 (DIR) [14] https://www.parlament-berlin.de/ados/19/IIIPlen//vorgang/d19-2553.pdf#page=445
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hanno Fleckenstein
       
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