# taz.de -- Rot-Grün in Niedersachsen will Fußfesseln: Ausweitung der Wahlkampfzone
       
       > Die Polizei soll potenzielle Terroristen mit elektronischen Fußfesseln
       > orten. Auch dann, wenn gegen sie strafrechtlich nichts vorliegt.
       
 (IMG) Bild: Gar nicht mal so schön: elektronische Fußfessel
       
       Hannover taz | Fünf Wochen nach dem Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt
       an der Berliner Gedächtniskirche steigt Niedersachsens rot-grüne
       Landesregierung in den Wettlauf um schärfere Sicherheitsvorkehrungen ein.
       Menschen, die die Polizei für potenzielle „terroristische Gefährder“ hält,
       sollen zum Tragen einer elektronischen Fußfessel gezwungen werden können –
       auch wenn sie zuvor keinerlei Straftaten begangen haben.
       
       Außerdem machen sich jetzt auch SPD und Grüne für mehr Videoüberwachung
       stark: Veranstaltungen mit viel Publikum wie etwa Schützenfeste oder
       Marathonläufe sollen künftig bereits beobachtet werden können, wenn nach
       Ansicht der Sicherheitsbehörden „nicht geringfügige Ordnungswidrigkeiten“
       zu erwarten sind. Im Jahr 2013 hatten beide Parteien in ihrem
       Koalitionsvertrag noch eine Einschränkung der Videoüberwachung angekündigt.
       
       „Die Sicherheitslage hat sich massiv verändert“, sagte Niedersachsens
       Innenminister Boris Pistorius (SPD) bei einer gemeinsamen Pressekonferenz
       mit der grünen Landesjustizministerin Antje Niewisch-Lennartz (Grüne) zur
       Begründung. Insbesondere der „islamistische Terrorismus“ habe eine
       „Dynamik“ entwickelt, die immer neue Herausforderungen an die
       Sicherheitsbehörden stelle.
       
       Die grüne Justizministerin versicherte, die neuen Regelungen zum Tragen
       elektronischer Fußfesseln richteten sich allein gegen potenzielle
       Terroristen. Bundesweit erstmalig wolle Niedersachsens Regierungskoalition
       dazu den Begriff der „terroristischen Straftat“ gesetzlich definieren. Wer
       mit dem Tragen der Fußfessel nicht einverstanden sei, könne sich „an die
       Verwaltungsgerichte wenden“. Damit werde die Polizeimaßnahme
       „rechtsstaatlich eingehegt“, versicherte Niewisch-Lennartz – behördlicher
       Willkür werde niemand ausgeliefert.
       
       ## „Ausdruck einer völlig sinnlosen Symbolpolitik“
       
       Die Fraktionsvorsitzenden von SPD und Grünen im Landtag in Hannover,
       Johanne Modder und Anja Piel, begrüßten die verschärften Regelungen. Diese
       seien „notwendig, um den neuen Gefahren auch durch islamistischen
       Terrorismus noch wirksamer begegnen zu können“, sagte Modder. Auf
       Bundesebene setzten sich beide Parteien außerdem dafür ein, „der
       Terrorismusfinanzierung den Nährboden zu entziehen“, sagte Piel – und
       forderte die Einschränkung „salafistischer Werbung im Internet“.
       
       Mit ihren Sicherheitspaket versuchen die beiden Regierungsparteien, die
       Wahlkampfstrategie der Landtagsopposition für die im September und Januar
       anstehenden Bundes- und Landtagswahlen zu unterlaufen. Insbesondere die
       Christdemokraten setzten dabei voll auf das Thema der inneren Sicherheit:
       Obwohl islamistischer Terror in Niedersachsen bisher kein einziges
       Todesopfer gefordert hat, beklagt die CDU seit Monaten ein Versagen der
       Sicherheitsbehörden.
       
       Aufklären soll dieses angebliche Versagen ein parlamentarischer
       Untersuchungsausschuss, der dazu etwa die Messerattacke der am Freitag zu
       sechs Jahren Jugendhaft verurteilten 16-jährigen Safia S. ins Visier
       genommen hat. Geht es nach den Christdemokraten, haben die ehemalige
       Gymnasiastin, ihr Bruder und ein weiterer Mitwisser eine „Terrorzelle“
       mitten in Hannover gebildet. Überprüfen soll der Ausschuss aber auch die
       2015 aus Furcht vor möglichen Anschlägen erfolgten Absagen des
       Braunschweiger Karnevalsumzugs sowie des Fußball-Länderspiels gegen die
       Niederlande in Hannover.
       
       Unterstützung für Fußfesseln und Videoüberwachung erhielten Pistorius und
       Niewisch-Lennartz auch von der Gewerkschaft der Polizei – deren Landeschef
       Dietmar Schilff sprach von einem „klaren Signal an sogenannte Gefährder“.
       
       Die Grüne Jugend kritisierte dagegen besonders die Fußfesseln als „Ausdruck
       einer völlig sinnlosen Symbolpolitik“. Auch Niedersachsens
       Datenschutzbeauftragte Barbara Thiel mahnte, eine polizeiliche Anordnung
       allein reiche für den Zwang zur Fußfessel nicht aus: „Aus meiner Sicht wäre
       dringend die Einschaltung eines Richters erforderlich.“
       
       30 Jan 2017
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Wyputta
       
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