# taz.de -- Vergesellschaftungsgesetz in Berlin: Niemand hat die Absicht zu enteignen
       
       > Die Koalition legt Vergesellschaftungsrahmengesetz vor. SPD nennt es
       > „historisch“, CDU und DWE sind sich einig: Enteignungen sollen damit
       > verhindert werden.
       
 (IMG) Bild: Bis zur Enteignungsparty dauert es noch. Demonstration von Deutsche Wohnen enteignen im Juni 2025
       
       Mehr als vier Jahre nach dem erfolgreichen Volksentscheid Deutsche Wohnen &
       Co enteignen haben CDU und SPD ihre Antwort auf den mehrheitlichen Wunsch
       der Berliner:innen vorgelegt: Am Donnerstag wird ihr Entwurf für ein
       Vergesellschaftungsrahmengesetz ins Parlament eingebracht.
       Vergesellschaftet werden soll mit dem neuen Gesetz jedoch nicht, überhaupt
       hat es keinerlei praktische Folgen.
       
       Die acht Paragrafen des Gesetzes konkretisieren knapp, was im Kern schon in
       Artikel 15 des Grundgesetzes zu lesen ist, der grundsätzlich die
       Vergesellschaftung von Wirtschaftszweigen erlaubt. So wird im Entwurf etwa
       die grundsätzliche Legitimität von Vergesellschaftung dahingehend
       konkretisiert, dass so ein „allgemeines Versorgungsinteresse breiter
       Schichten der Bevölkerung“ sichergestellt werden soll. Der Zweck der
       Vergesellschaftung wird so definiert, dass diese ein „Missverhältnis
       zwischen dem festgestellten Versorgungsinteresse der Allgemeinheit und der
       Versorgungssicherheit beseitigen“ solle.
       
       Die Handschrift der CDU zeigt sich vor allem darin, dass ein großer Fokus
       auf die Prüfung der Verhältnismäßigkeit gelegt wird. So soll als
       Voraussetzung der Vergesellschaftung festgehalten werden, dass das Ziel der
       Gemeinwirtschaft nicht auf andere Wege erreicht werden kann und dass diese
       „die Leistungsfähigkeit des Landeshaushalts“ nicht auf Dauer erheblich
       einschränken darf. Zur Höhe der Entschädigung bei Enteignungen heißt es,
       nötig sei eine „Gesamtschau“, bei der „alle unmittelbaren und mittelbaren
       wirtschaftlichen Folgen der Vergesellschaftung betrachtet werden“. Als
       „Ausgangspunkt“ wird der Verkehrswert der enteigneten Wirtschaftsobjekte
       genannt.
       
       Das Gesetz ist ein Kompromiss zwischen der CDU, die eine Vergesellschaftung
       insbesondere von Wohnraum rundherum ablehnt, und der SPD, in der es
       zumindest in Teilen Sympathien für Vergesellschaftung gibt. Das
       Rahmengesetz war im Koalitionsvertrag vereinbart worden. Ob das Gesetz nun
       als mögliche Vorarbeit für spätere Vergesellschaftungen zu betrachten ist
       oder solchen Debatten ein Ende setzt, ist allerdings auch nach
       Veröffentlichung zwischen den beiden Parteien umstritten.
       
       ## Ende oder Anfang?
       
       So betonte der CDU-Fraktionsvorsitzende Dirk Stettner am Mittwoch gegenüber
       der taz: „Das Gesetz ermöglicht keine Enteignung.“ Stattdessen schütze es
       „den Berliner Haushalt vor milliardenschweren Abenteuern“. Im Gesetz seien
       die Voraussetzungen „so eng definiert“, „dass nur echte, klar belegbare
       Ausnahmefälle infrage kommen“. Verankert worden sei, dass jede
       Vergesellschaftung fair entschädigt werden muss, „und zwar auf Basis des
       Verkehrswerts“. Inwiefern das mit dem Gesetzestext vereinbar ist, nach dem
       der Verkehrswert nur der Ausgangspunkt der Entschädigungshöhe sein soll,
       ließ er offen.
       
       In Artikel 14 Grundgesetz, der die Möglichkeit von Enteignungen zum Wohle
       der Allgemeinheit regelt, heißt es, dass eine Entschädigung nach einer
       „Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten“ erfolgen
       muss. Auch die vom Senat beauftrage Expertenkommission war zu dem Schluss
       gekommen, dass für die beabsichtigte Vergesellschaftung von etwa 220.000
       Wohnungen privater Konzerne nicht der Verkehrswert zu zahlen sei.
       
       Aus den Reihen der SPD spricht derweil der Abgeordnete Sebastian
       Schlüsselburg von einem „historischen“ Gesetz. Das erste Mal würde ein
       Gesetzgeber „das Schwert des Grundgesetzes für die Gemeinwirtschaft aus dem
       Schrank ziehen“, so Schlüsselburg zur taz. Zwar sei der nun verabschiedete
       Entwurf „deutlich reduzierter und schlanker“ als der im Sommer vorgelegte
       SPD-Entwurf, er erfülle aber seinen zentralen Zweck: alle entscheidenden
       Rechtsfragen vom Bundesverfassungsgericht klären zu lassen, um eine
       anschließende Vergesellschaftung rechtssicher zu ermöglichen.
       
       Vor allem erkämpft haben will die SPD ausgerechnet den Passus, der erlaubt,
       dass eine Vergesellschaftung eben keine Enteignung von Eigentum bedeuten
       muss, sondern auch über die Schaffung von „anderen Formen der
       Gemeinwirtschaft“ möglich ist. Der taz sagte Schlüsselburg, der Sinn des
       Gesetzes sei, „rechtssicher, maßvoll und haushaltsschonend“ zu regulieren,
       „statt unverhältnismäßig zu enteignen“. So solle „das Soziale an der
       Marktwirtschaft“ gesichert werden.
       
       ## Initiative kritisiert „Pseudo-Politik“
       
       Schon seit dem Sommer trommelt die SPD für diese Interpretation der
       Vergesellschaftung, die nicht auf Enteignung, sondern auf andere Eingriffe
       in den Wohnungsmarkt setzt. Ins Spiel gebracht hatte die SPD etwa
       Regelungen, die einem neuen Mietendeckel gleichkämen.
       
       Die Initiative Deutsche Wohnen Co enteignen kritisiert den Gesetzesentwurf
       als „Pseudo-Politik ohne jeden Effekt auf die Mietenkrise“. Jede:r Vierte
       sei in Berlin von Wohnarmut bedroht, sagte Sprecher Justus Henze. Doch
       statt diesen Menschen zu helfen, würde das Gesetz die Berliner:innen
       nur „mit einer billigen Nebelkerze ablenken“. Die Initiative verweist auf
       ihren eigenen Gesetzesentwurf zur Enteignung, den sie im kommenden Jahr
       über einen weiteren Volksentscheid zur zwingenden Umsetzung bringen will.
       „CDU und SPD können uns mit ihren Verschleppungsstrategien nicht
       aufhalten“, so die Initiative.
       
       Nach Vorstellung der SPD soll das Gesetz im Januar dem Abgeordnetenhaus
       vorgelegt werden und könnte im Frühjahr beschlossen werden. Es soll erst 24
       Monate später in Kraft treten. Schon ab Verabschiedung ist allerdings eine
       Normenkontrollklage vor dem Bundesverfassungsgericht möglich. Dann würde
       sich Karlsruhe mit dem Gesetz befassen – und möglicherweise für Klarheit
       sorgen, wie enteignet werden darf.
       
       17 Dec 2025
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Timm Kühn
 (DIR) Erik Peter
       
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