# taz.de -- Grüne und Gewerkschaften einig in Kritik: „Zusammen den Widerspruch organisieren“
       
       > In ihrem Unmut über die Regierung sind sich Verdi-Chef Frank Werneke und
       > Ex-Grünen-Chefin Ricarda Lang einig. Aber einen Dissens haben sie doch.
       
 (IMG) Bild: Ricarda Lang im Gespräch mit Frank Werneke, dem Vorsitzenden der Gewerkschaft Verdi
       
       taz: Frau Lang, in der Grünen-Fraktion sind Sie seit diesem Jahr für
       Arbeitspolitik und die Beziehung zu den Gewerkschaften zuständig. Warum
       haben Sie sich nach Ihrem Abgang als Parteichefin für diese Rolle
       entschieden? 
       
       Ricarda Lang: Erstens bin ich schon lange stolzes Gewerkschaftsmitglied.
       Zweitens ist für den Schutz der Demokratie die Frage zentral, ob die
       arbeitende Bevölkerung das Gefühl hat, dass Entscheidungen über ihre Köpfe
       hinweg getroffen werden – oder ob sie selbst mitentscheiden können.
       Drittens will ich, dass die Grünen bei der sozialen Gerechtigkeit mehr
       Glaubwürdigkeit gewinnen.
       
       taz: Wie können Ihnen bei alldem die Gewerkschaften helfen? 
       
       Lang: Durch ihre Expertise aus der Praxis und den Betrieben, aber auch
       durch ihre Bündnisfähigkeit. Viele entscheidende Themen, auch der
       Klimaschutz, geraten gesellschaftlich gerade ins Abseits. Ein Akteur allein
       wird sie da nicht wieder rausholen. Dafür braucht es Partner – und zu den
       zentralsten gehören für mich die Gewerkschaften.
       
       taz: Herr Werneke, was bringen die Grünen den Gewerkschaften? 
       
       Frank Werneke: Ein Stichwort ist das [1][Bundestariftreuegesetz, das gerade
       im Bundestag ist]. Der Gesetzentwurf hat bereits Schwächen, einen zu hohen
       Schwellenwert von 50.000 Euro, ab dem das Gesetz wirkt, und reihenweise
       Ausnahmeregelungen. Trotzdem wird er aus der Unionsfraktion angeschossen.
       Da ist es schon wichtig, dass aus der Opposition die Grünen für das Projekt
       werben und Verbesserungen einbringen. Außerdem mache ich mir große Sorgen,
       weil die Neoliberalen mit ihren Kürzungsfantasien den Sozialstaat gerade in
       allen Bereichen angreifen. Er lässt sich nur verteidigen, wenn es ein
       breites gesellschaftliches Bündnis dagegen gibt. Da spielen die
       Sozialverbände eine wichtige Rolle, die Umweltverbände, natürlich die
       Grünen und die Linken – und hoffentlich auch die SPD.
       
       taz: Sie gehen regelmäßig zum Gewerkschaftsrat des SPD-Präsidiums, ohne
       dass das besondere Auswirkungen auf die Politik der SPD zu haben scheint … 
       
       Werneke: Er hat schon länger nicht mehr stattgefunden.
       
       taz: … Glauben Sie, dass es beim jetzt wieder eingerichteten
       Gewerkschaftsbeirat der Grünen anders laufen wird? 
       
       Werneke: Für mich sind beide Foren wichtig, und wenn ich Zeit habe, gehe
       ich zu beiden hin. Es ist nicht so, dass einem dort Politiker
       gegenübersitzen, die alle unsere Wünsche mitschreiben und zu hundert
       Prozent umsetzen. Es sind Dialogforen, in denen man auch Kontroversen
       austrägt. Uns ist das wichtig. Auch zur Union würde ich hingehen, aber sie
       bietet ein solches Forum nicht.
       
       taz: Vor fünf Jahren haben Sie der taz schon mal [2][zusammen mit Anton
       Hofreiter ein Interview gegeben]. Den Grünen haben Sie damals bescheinigt,
       sie würden „eins zu eins die Positionen von Verdi“ vertreten. Gilt das
       immer noch, auch nach den drei Jahren in der Regierung? 
       
       Werneke: Insbesondere Wirtschaftsminister Robert Habeck war in der Ampel
       immer für uns ansprechbar, auch zu schwierigen Themen. Das ist wirklich
       positiv hervorzuheben. Die Grünen haben aber auch Entscheidungen
       mitgetragen, die ich kritisch gesehen habe. Die Realeinkommen liegen unter
       dem Niveau von 2019, gleichzeitig gibt es eine wahnsinnige Spreizung von
       Arm und Reich. Die Frage der Verteilungsgerechtigkeit wird seit vielen
       Jahren nicht angegangen, auch nicht in der vorherigen Bundesregierung.
       
       taz: Im Zweifel ist auf die Grünen doch kein Verlass? 
       
       Werneke: Ich nehme wahr, dass es bei den Grünen einen starken Strang gibt,
       der sich für die Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern engagiert.
       Aber es gibt auch Enttäuschungen. In Baden-Württemberg regiert seit drei
       Legislaturperioden ein grüner Ministerpräsident, ein Landestariftreuegesetz
       gibt es aber bis heute nicht.
       
       taz: Frau Lang, Sie kommen aus Baden-Württemberg. Was läuft dort falsch? 
       
       Lang: In der jetzigen Koalition mit der CDU ist ein solches Gesetz nicht
       umsetzbar. Aber ich nehme die Kritik an: Man hätte es in der ersten
       Legislatur machen sollen, als wir dort noch mit der SPD regiert haben.
       Gleichzeitig ist natürlich auch unsere Partei kein einheitlicher Block. Es
       gibt unterschiedliche Positionen und Aushandlungen. Ich mache mich dabei
       für den Schutz von Arbeitnehmern stark.
       
       taz: Können Sie auch die Kritik am Regierungshandeln der Grünen im Bund
       nachvollziehen? In der Ampelzeit trugen Sie Verantwortung. 
       
       Lang: Wir sollten schon auch die Erfolge anerkennen, die
       Mindestlohnerhöhung oder die Energiepreispauschale. In der Bilanz aber hat
       sich für Menschen mit geringen und mittleren Einkommen zu viel
       verschlechtert. Es gab Lohnzuwächse, auch durch gute Tarifabschlüsse, aber
       gleichzeitig stiegen [3][Lebensmittelpreise], [4][Energiekosten] und
       [5][Mieten]. Das spielt dann auch eine Rolle, wenn nun wieder verstärkt der
       Sozialstaat und speziell [6][das Bürgergeld angegriffen] werden.
       
       taz: Inwiefern? 
       
       Lang: Das jetzige Nach-Unten-Treten funktioniert doch so: Du hast nicht
       genug; du glaubst auch nicht mehr daran, dass es besser wird; dann soll es
       zumindest jemand anderem noch schlechter gehen. Dieses Spiel spielt die
       Union unter Friedrich Merz ganz gezielt – aber es geht nur auf, weil es
       Menschen mit kleinen Einkommen tatsächlich schlechter geht.
       [7][Verantwortung dafür müssen auch wir annehmen.]
       
       Werneke: Wir haben eine gesellschaftliche Stimmung, die extrem
       problematisch ist. Da hat Ricarda recht. Die Menschen sehen vielfach keine
       Vorwärtsperspektive mehr. Dazu trägt auch bei, dass das Thema Wohnen die
       Einkommen immer mehr belastet und dass die öffentliche Daseinsvorsorge
       kaputtgespart wird. Die Kommunen haben dramatische Defizite, nicht nur in
       Berlin, sondern auch in ehemals reichen Städten.
       
       Lang: Siehe mein Wahlkreis. Ich komme aus einer Region, in der man vor zehn
       Jahren noch mitleidig auf die kommunalen Finanzen im Ruhrgebiet oder in
       Ostdeutschland geschaut hat. Jetzt können die Kommunen auch dort eigentlich
       nur noch ihre Pflichtaufgaben erfüllen. Sozialtickets oder Ermäßigungen für
       Bibliothek und Schwimmbad gehören da nicht dazu.
       
       taz: Herr Werneke, Ihre Kritik an der Ampel klingt wohltemperiert. Als sie
       noch existierte und Frau Lang im Koalitionsausschuss saß, [8][haben Sie
       deutlichere Worte gefunden]. Sie warfen SPD und Grünen vor, sich von der
       FDP „im Nasenring durch die Arena ziehen zu lassen“. 
       
       Werneke: Davon nehme ich auch nichts zurück.
       
       taz: Als „völlig irre Entscheidung“ haben Sie es bezeichnet, kein sozial
       gestaffeltes Klimageld einzuführen. Schwarz-Rot verzichtet auch darauf.
       Warum ist der Protest der Gewerkschaften dagegen nicht lauter? 
       
       Werneke: Würde Verdi morgen zu einer Demonstration für die Schaffung eines
       Klimagelds aufrufen, käme voraussichtlich kaum jemand. Man müsste es erst
       mal so kampagnenfähig eingeordnet bekommen, dass es für sich genommen zu
       einem Mobilisierungsthema wird. An meiner Kritik nehme ich aber auch hier
       nichts zurück. Ab nächstem Jahr steigt der CO2-Preis kontinuierlich,
       insbesondere für Tanken und Wohnen. Gibt es keinen sozialen Ausgleich, geht
       die Akzeptanz für Klimaschutz weiter zurück.
       
       Lang: Der CO2-Preis und der ETS-Mechanismus dahinter werden zunehmend unter
       Beschuss geraten. Die aktuelle Regierung weigert sich, ihn sozial
       auszugestalten, um dann zu rufen: „Muss alles weg, weil ist ja total
       unsozial.“ Für meine Partei wird es wichtig sein, nicht nur den Mechanismus
       zu verteidigen, sondern genau aufzuzeigen, dass und wie sozialer
       Klimaschutz möglich wäre – und dafür wiederum Mehrheiten zu erkämpfen.
       Gleichzeitig warne ich auch in den eigenen Reihen davor, die Frage des
       sozialen Ausgleichs nur aufs Klimageld zu reduzieren. Es geht um mehr,
       gerade auch um öffentliche Daseinsvorsorge.
       
       taz: Das heißt? 
       
       Lang: Ich will ein Beispiel nennen: Wir brauchen mehr gemeinschaftliche
       Wärmeversorgung, auch jenseits der Metropolen. Wir denken das immer noch
       viel zu individuell: Jeder kümmert sich um seine Heizung – und die wird
       dann bezuschusst. Fördergelder landen in Deutschland aber meist bei
       Menschen, die eh schon einigermaßen gut Geld haben. Wer gar keine Rücklagen
       hat, fällt raus. Das sollten wir viel mehr als kommunale und
       gemeinschaftliche Aufgabe verstehen: So viele Haushalte wie möglich an ein
       erneuerbares Wärmenetz anzuschließen, ist auch eine Frage der
       Gerechtigkeit.
       
       taz: Herr Werneke sagt, fürs Klimageld könne er nicht mobilisieren. Würden
       Sie sich jetzt in der Opposition da ein bisschen mehr Rückenwind wünschen? 
       
       Lang: Was die Regierung plant, von der Aushöhlung des Sozialstaats über die
       Angriffe auf Arbeitnehmerrechte bis zum Ausbleiben des sozialen
       Klimaschutzes, wird die arbeitende Bevölkerung stark treffen. Es würde mich
       nicht wundern, wenn auf den angekündigten Herbst der Reformen und den
       Winter der sozialen Kälte ein Frühling des Protests folgt. Wir können das
       alles nicht einfach so durchlaufen lassen. Ich würde aber nicht sagen: Das
       müssen die Gewerkschaften machen, wir ruhen uns aus und warten, bis der
       Druck kommt. Wir müssen zusammen überlegen, wie wir den nötigen Widerspruch
       organisieren.
       
       Werneke: Im Moment haben wir vor allem den Herbst des grausamen
       Gequatsches. Sobald Gesetzesentwürfe kommen und es konkret werden sollte –
       mit Angriffen im Bereich Rente, Gesundheit und Pflege, Leistungskürzungen,
       der [9][Streichung des Acht-Stunden-Tages] – wären wir auch in der Lage,
       dagegen zu mobilisieren. Im Rahmen einer solchen Mobilisierung bräuchte es
       dann auch immer Antworten, was wir anders machen wollen. Dazu gehört ein
       sozial gestaffeltes Klimageld genauso wie das Thema Vermögens- und
       Erbschaftssteuer.
       
       taz: Gegen die geplante Aufweichung des Acht-Stunden-Tags haben Sie schon
       vor diesem Interview große Aktionen angekündigt. Wird das mehr sein als die
       üblichen Gewerkschaftskundgebungen mit Bratwurst und Hüpfburg? 
       
       Werneke: Wenn wir es schaffen, zu Kundgebungen für den Acht-Stunden-Tag
       aufzurufen, wird das schon Eindruck hinterlassen. So üppig ist die Mehrheit
       von Union und SPD im Bundestag nicht. Inwieweit das Thema tatsächlich
       skandalisierbar ist, wird sich weisen. Ich bin jedoch zuversichtlich. In
       den Belegschaften nehme ich die Verteidigung des Acht-Stunden-Tages als
       Herzensthema wahr.
       
       Lang: Deutschland hat einen riesigen Dienstleistungssektor, in dem
       überdurchschnittlich viele Frauen arbeiten. Genau diese Frauen werden oft
       als Legitimation dafür genutzt, jetzt ans Arbeitszeitgesetz heranzugehen.
       Dabei geht es hier nicht real um mehr Flexibilität für Arbeitnehmerinnen.
       
       taz: Sondern? 
       
       Lang: Ginge es um mehr Flexibilität, dann wären ein stärkeres Rückkehrrecht
       auf Vollzeit oder mehr Mitbestimmung bei Arbeitszeiten und Arbeitsort
       sinnvoll. Das Arbeitszeitgesetz regelt aber das Zugriffsrecht des
       Arbeitgebers. Nicht mehr die alleinerziehende Mutter soll entscheiden
       können, ob sie um 22 Uhr noch eine Mail schreiben will, sondern der
       Arbeitgeber soll anordnen können: Du hast dreimal pro Woche um 22 Uhr
       verfügbar zu sein und deine Mails zu checken. Was das für das
       Familienleben, für ehrenamtliches Engagement und die psychische Gesundheit
       bedeutet, will man sich gar nicht vorstellen. Wir stellen uns deshalb klar
       gegen die Abschwächung des Arbeitszeitgesetzes.
       
       taz: Im Bundestagswahlkampf forderten die Grünen, [10][Sozialabgaben auch
       auf Kapitalerträge] zu erheben. Abgaben auf Arbeitseinkommen sollten dafür
       nicht mehr steigen. Verdi lobte den Vorschlag, es gab aber auch Gegenwind –
       und Habeck räumte das Thema wieder ab. Fehlt den Grünen in solchen Fragen
       die Standhaftigkeit? 
       
       Lang: Was als Gedanke hinter dem Vorschlag steht, ist die
       Bürgerversicherung. Zum einen sollen Sozialversicherungsbeiträge also nicht
       nur auf Arbeitseinkommen gezahlt werden, zum anderen sollen mehr Menschen
       einzahlen, die heute rausfallen: wir Abgeordnete, aber auch Beamte oder
       Selbstständige. Der Einsatz dafür wird uns einiges an Konfliktfähigkeit
       abverlangen – und damit auch einen parteiinternen Wandel. Wir haben uns
       lange als eine Partei verstanden, die in alle Richtungen die Hand
       ausstreckt und Brücken baut. Das ist oft richtig, Sprengmeister gibt es
       schon genug. Der Konflikt muss aber auch mal hart ausgetragen werden.
       
       Werneke: Ich teile auch nicht die These, die mir oft aus den Parteien
       entgegengebracht wird, dass Verteilungsgerechtigkeit kein erfolgreiches
       Wahlkampfthema sei. Die gerechte Finanzierung sozialer Leistungen ist ein
       vitales und berechtigtes Interesse der Bevölkerung. Wenn solche Punkte im
       politischen Raum nicht stark gemacht werden, ist die Gefahr groß, dass die
       Menschen falschen Antworten hinterherlaufen. [11][Das Stadtbild] wurde zum
       Beispiel auch zum Thema gemacht, um von Verteilungsfragen abzulenken.
       
       Lang: Von Friedrich Merz hören wir immer wieder Sätze wie: „Wir müssen den
       Gürtel enger schnallen.“ Wer merkwürdigerweise nie Teil des „wir“ ist:
       Menschen mit sehr großen Vermögen und Erbschaften etwa. Menschen wie
       Friedrich Merz. Die sollen sogar noch weiter entlastet werden. Auch da
       müssen wir ran – ohne zugleich weiter Vertrauen zu verspielen. Wenn wir die
       Vermögenssteuer in Wahlprogramme schreiben, die SPD auch, sie in den
       Koalitionsverhandlungen dann aber wieder hintenüberfällt, schafft das nur
       Verdruss.
       
       taz: Das gilt auch für die Bürgerversicherung, kommen wir deshalb auf sie
       zurück: Bei der Altersvorsorge würde sie nur funktionieren, wenn auch die
       Leistungen angeglichen werden, Beamte also nur noch eine Rente statt einer
       Pension bekommen. Das trauen sich jedoch weder die Grünen noch die
       Gewerkschaften offen auszusprechen. 
       
       Werneke: Das ist auch gar nicht die Position von Verdi.
       
       Lang: Mein Ziel ist es schon, dass sich das näher aufeinander zubewegt. Die
       große Lücke zwischen Renten und Pensionen ist eine unbeantwortete
       Gerechtigkeitsfrage.
       
       Werneke: Wir sind dafür, dass die Selbstständigen in die Rentenversicherung
       einbezogen werden, auch die Abgeordneten. Bei Beamtinnen und Beamten gibt
       es aus meiner Sicht dazu absehbar keinen Weg.
       
       Lang: Da haben wir einen Dissens. Ist doch auch mal gut.
       
       taz: Frau Lang, mit Verdi haben die Grünen trotzdem mehr Schnittstellen als
       mit anderen Gewerkschaften. [12][Frank Bsirske war als Grüner sogar
       Verdi-Chef.] Wie viel schwieriger ist für Sie die Zusammenarbeit mit der IG
       Metall oder der IG BCE, die auch klimapolitisch weiter von Ihnen weg sind? 
       
       Lang: Wir haben uns in den letzten Jahren angenähert und Vertrauen gefasst.
       Mit der IG Metall etwa teilen wir viele Forderungen. Sie hat in den letzten
       Jahren wichtige Arbeit zur Modernisierung der Automobilindustrie und zur
       Elektromobilität gemacht. Aber natürlich ist es zuletzt durch die Situation
       in der Branche wieder herausfordernder geworden.
       
       taz: In der Frage, ob es beim Verbrenner-Aus 2035 bleibt, hat mittlerweile
       nur noch Winfried Kretschmann eine gemeinsame Position mit der IG Metall:
       Beide [13][sind dagegen]. 
       
       Lang: Winfried ist ja auch ein Grüner.
       
       taz: Hm. 
       
       Lang: Manchmal ist er auch [14][ein talentierter Verhüllungskünstler].
       
       taz: Grünen-Mitglieder sind in den Gewerkschaftsführungen immer noch
       Exoten. Nur Linke gibt es noch weniger. In den Vorstand der IG BCE wurden
       kürzlich sogar ausschließlich SPD-Mitglieder gewählt. Ist das für Sie noch
       nachvollziehbar? 
       
       Lang: Wenn ich mir die Politik der SPD in der Regierung anschaue: Nein,
       nicht so wirklich.
       
       taz: Herr Werneke, im Verdi-Vorstand gibt es immerhin einen Grünen, Linke
       sind allerdings auch auf Ihrer Führungsebene Fehlanzeige. Ist eine solche
       politische Personalauswahl noch zeitgemäß? 
       
       Werneke: Die Führungsebene besteht ja nicht nur aus dem Bundesvorstand,
       sondern auch aus den Landesleitungen. Dort haben wir sowohl weitere Grünen-
       als auch Linken-Mitglieder und zunehmend auch Parteilose.
       
       Lang: Auf der Landesebene gibt es auch in anderen Gewerkschaften zunehmend
       Grüne, Jan Otto als Bevollmächtigter der IG Metall Berlin zum Beispiel. Der
       Vertrauensaufbau, den ich beschrieben habe, wirkt sich so langsam in der
       Fläche aus.
       
       taz: Für einen wirklichen Durchbruch müssten Sie aber vielleicht auch so
       einträchtig neben Gewerkschaftern sitzen, wenn Sie mal wieder regieren –
       und nicht nur in Oppositionszeiten. 
       
       Lang: Das Ziel kann natürlich nicht sein, in der Opposition gemeinsame
       Forderungen aufzustellen und sie dann in der Regierung wieder zu vergessen.
       Wenn es auch in Zukunft keine Regierung schafft, den Glauben an mehr
       soziale Gerechtigkeit wieder zu entfachen, werden klassische soziale
       Konflikte immer stärker umgedeutet werden. Das zeigt sich schon heute:
       Statt um „oben gegen unten“ geht es dann plötzlich um „Deutsche gegen
       Ausländer“ oder „morgen gegen heute“ – nach dem Motto: Der Klimaschutz
       nimmt dir den Job weg. Meiner Partei bieten sich hier zwei Optionen: Wir
       können uns moralisch darüber empören. Oder wir fragen uns: Warum
       funktioniert das bei so vielen Leuten? Ich denke, der zweite Weg ist der
       zielführende.
       
       Werneke: Ich weiß gar nicht, ob Einträchtigkeit das Ziel ist. Es gibt immer
       unterschiedliche Meinungen und das muss man auch miteinander austragen. Ich
       würde einen anderen Maßstab setzen: Gibt es ein echtes Interesse an den
       tatsächlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen von Menschen in
       Dienstleistungsbranchen, von Teilzeitbeschäftigten im Handel, von
       Pflegerinnen und Pflegern, von Kolleginnen und Kollegen im öffentlichen
       Dienst? Das nehme ich bei den Grünen wahr, bei der SPD und bei den Linken.
       Bei der Union leider überhaupt nicht.
       
       10 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Tariftreuegesetz-im-Bundestag/!6118973
 (DIR) [2] /Gruenen--und-Verdi-Chef-im-Interview/!5658807
 (DIR) [3] /Folgen-hoher-Preise/!6124186
 (DIR) [4] /Millionen-leiden-unter-Energiearmut/!6115952
 (DIR) [5] /Mobliertes-Wohnen-auf-Zeit/!6125281
 (DIR) [6] /Linken-Abgeordnete-zur-Buergergeld-Reform/!6124973
 (DIR) [7] /Ricarda-Lang-ueber-Strategie-der-Gruenen/!6074555
 (DIR) [8] /Verdi-Chef-Frank-Werneke-ueber-die-Ampel/!5984992
 (DIR) [9] /Tag-der-Arbeit/!6085381
 (DIR) [10] /Sozialabgaben-auf-Kapitalertraege/!6059586
 (DIR) [11] /Toechter-Demo-in-Berlin/!6122916
 (DIR) [12] /Frank-Bsirske-ueber-Klimastreiks/!5621168
 (DIR) [13] /Die-IG-Metall-und-das-Verbrenner-Aus/!6113428
 (DIR) [14] /Winfried-Kretschmann-ueber-Gruenen-Kurs/!6085738
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Pascal Beucker
 (DIR) Tobias Schulze
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Ricarda Lang
 (DIR) Frank Werneke
 (DIR) Bündnis 90/Die Grünen
 (DIR) Verdi
 (DIR) Gewerkschaft
 (DIR) Reden wir darüber
 (DIR) Reden wir darüber
 (DIR) Social-Auswahl
 (DIR) Bündnis 90/Die Grünen
 (DIR) wochentaz
 (DIR) Gewerkschaft
 (DIR) Bärbel Bas
 (DIR) Kanzler Merz
 (DIR) Bürgergeld
 (DIR) Bundesregierung
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Parteivorsitzende zum Kurs der Grünen: „Nach links oder in die Mitte? Weder noch“
       
       Wer sind die Grünen nach der Ära Habeck? Vor ihrem Parteitag sprechen
       Franziska Brantner und Felix Banaszak über nötige Debatten und ihre neue
       Strategie.
       
 (DIR) Die Grünen vor ihrem Parteitag: Einfach mal Stress machen?
       
       Die Grünen überlegen, wie sie nach der Ära Habeck wieder nach vorne kommen.
       Einige wollen weniger Brücken bauen, sondern auch mal polarisieren.
       
 (DIR) Zoff in der Verdi-Bundeszentrale: Mit Gewerkschaftsrechtsschutz gegen die Gewerkschaft
       
       Mehrfach hat die Gewerkschaft Verdi bereits vergebens versucht, ihren
       Angestellten Orhan Akman per Kündigung loszuwerden. Jetzt versucht sie es
       erneut.
       
 (DIR) Streit um gerechte Löhne: Duisburger Hafenbeschäftigte wollen Tarifvertrag
       
       Die Duisburger Hafen AG gehört dem Land NRW und der Stadt Duisburg. Einen
       Tarifvertrag lehnt der Hafenchef ab – zum Ärger der
       Bundesarbeitsministerin.
       
 (DIR) Töchter-Demo in Berlin: Das Problem mit dem weißen Mann
       
       Tausende folgten am Dienstagabend dem Demoaufruf „Wir sind die Töchter“.
       Unterstützung kam von Luisa Neubauer und Grünen-Politikerin Ricarda Lang.
       
 (DIR) Sozialverbände schreiben offenen Brief: Abgeordnete sollen sich bei Bürgergeld-Reform querstellen
       
       Wer Termine im Jobcenter nicht wahrnimmt, soll keine Miete mehr erstattet
       bekommen. Diese Sanktionspläne der Bundesregierung stoßen jetzt auf Kritik.
       
 (DIR) Tariftreuegesetz im Bundestag: Gegen Lohndumping – mit Ausnahmen
       
       SPD-Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas wirbt im Bundestag für das neue
       Tariftreuegesetz. Grüne, Linke und Gewerkschaften kritisieren
       Ausnahmeregeln.