# taz.de -- Streit um gerechte Löhne: Duisburger Hafenbeschäftigte wollen Tarifvertrag
> Die Duisburger Hafen AG gehört dem Land NRW und der Stadt Duisburg. Einen
> Tarifvertrag lehnt der Hafenchef ab – zum Ärger der
> Bundesarbeitsministerin.
(IMG) Bild: Der Duisburger Hafen ist der größte Binnenhafen Europas und schafft viele Arbeitsplätze – aber ein Tarifvertrag fehlt
SPD-Chefin Bärbel Bas scheint wenig amüsiert, wenn sie auf den drohenden
Arbeitskampf bei der Duisburger Hafen AG blickt. Die ist einer der
wichtigsten Arbeitgeber ihrer Heimatstadt. „Tarifbindung ist ein Kernstück
unserer sozialen Marktwirtschaft“, erklärt die mächtigste Sozialdemokratin
der Republik auf taz-Anfrage. „Wer unter einem Tarifvertrag arbeitet,
verdient mehr und hat bessere Arbeitsbedingungen“, sagt Bas. Als
Bundesministerin für Arbeit und Soziales setze sie sich deshalb „mit
Überzeugung dafür ein, die [1][Tarifbindung in Deutschland zu stärken]“.
Doch bei der Duisburger Hafen AG, die zu zwei Dritteln dem schwarz-grün
regierten Land Nordrhein-Westfalen und zu einem Drittel der SPD-geführten
Stadt Duisburg und damit vollständig der öffentlichen Hand gehört,
interessiert das die Chefetage wenig. Der Vorstandsvorsitzende Markus
Bangen lehnt die Forderung der Gewerkschaft Verdi nach Abschluss eines
Tarifvertrages gänzlich ab. Die Hafen AG habe „keinerlei Rückmeldungen von
Mitarbeitenden erhalten, dass Interesse an einer gewerkschaftlichen
Betreuung / Vertretung besteht“, lässt er sich [2][im Lokalteil der
Westdeutschen Allgemeinen zitieren]. Mit der taz wollte Bangen über das
Thema Tarifvertrag nicht sprechen.
Doch eine Umfrage, die Verdi mit über 200 Beschäftigten im Duisburger Hafen
durchgeführt hat, kommt zu einem ganz anderen Ergebnis: 95 Prozent wollen
einen Tarifvertrag. Denn im Vergleich zu anderen Häfen wie etwa
Wilhelmshaven wird in Duisburg schlecht bezahlt. Mitarbeiter, die ihren
Namen aus Angst vor Repressionen erst einmal nicht in der Zeitung sehen
wollen, berichten von Gehältern zwischen 2.750 und 2.900 Euro brutto.
## Mitarbeitende kritisieren schlechte und ungerechte Bezahlung
In Wilhelmshaven seien dagegen bis zu 5.000 Euro drin, sagt
Verdi-Gewerkschaftssekretär Sören Brandes. Unverständlich sei die
Verweigerungshaltung des Hafen-Chefs, findet Brandes – schließlich gebe es
in den öffentlichen Hafenbetrieben etwa in Köln, Neuss und Emmerich
„selbstverständlich“ Tarifverträge.
In Duisburg werde dagegen kein Weihnachtsgeld gezahlt, klagen Arbeiter und
Kranführer, die bei Regen und Kälte jeden Tag an der Hafenkante im Einsatz
sind. Auch die betriebsintern unterschiedliche Bezahlung nerve: „Die
Gehälter werden hier gewürfelt“, sagt einer. „Wer schlecht verhandeln kann,
hat eben Pech.“
Dazu kämen miese Arbeitsbedingungen, etwa durch erst in der letzten Minute
veröffentlichte Arbeitspläne im Drei-Schicht-System: So sei zum Beispiel
der Schichtplan für November erst am 28. Oktober veröffentlicht worden.
„Wie soll man da sein Leben planen“, ärgern sich die Arbeiter. Unter dem
Slogan „Volle Container – leere Taschen“ haben sie deshalb vor dem
Duisburger Rathaus demonstriert, in dem [3][Oberbürgermeister Sören Link]
regiert. Ein Hoffnungsträger der SPD in NRW: Der 49-Jährige gilt als
möglicher Herausforderer von CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst bei den
anstehenden Landtagswahlen im Frühjahr 2027.
Von ihrem eigenen, arbeitgebernah agierenden Betriebsrat bekommen die
Beschäftigten keine Unterstützung. Der Arbeitnehmervertretung sei die
Forderung nach einem Tarifvertrag schlicht nicht bekannt: „Auf uns ist
keiner der Kollegen zugekommen“, erklärte etwa die stellvertretende
Betriebsratschefin Nadine Krischer – wiederum im Lokalteil der WAZ.
## Betriebsräte im Konzern schockiert über Verdi
Karl-Heinz Wich-Kühnlein, der Konzernbetriebsratsvorsitzende, sagte, die
Gewerkschaft Verdi habe keine Ahnung von der Hafen AG, an der indirekt über
50.000 Jobs hingen. Gegenüber der taz wollte er sich inhaltlich nicht
äußern: „Ich werde diese Farce nicht weiter befeuern“, so Wich-Kühnlein in
einem kurzen Telefonat. Die Betriebsräte seien „sehr schockiert über das
Verhalten dieser Gewerkschaft“.
Auch die Landesregierung will sich nicht einmischen. Zwar habe man
grundsätzlich „natürlich ein Interesse daran, dass die Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter gut bezahlt werden“, heißt es etwa aus dem Verkehrsministerium
von NRW unter Oliver Krischer (Grüne). Dessen Staatssekretär Viktor Haase
ist Vorsitzender des Aufsichtsratspräsidiums der Hafen AG. Allerdings sei
„die Einführung von Tarifverträgen Sache der beteiligten Tarifparteien vor
Ort“. Der aus Duisburg stammende [4][Bundesvorsitzende der Grünen, Felix
Banaszak,] will sich ebenfalls nicht zu dem Thema äußern.
Auch die Duisburger Stadtverwaltung erklärte, die Einführung von
Tarifverträgen sei Sache der beteiligten Tarifparteien vor Ort. Die Anfrage
stellte die taz beim Stadtdirektor und Kämmerer Martin Murrack. Der sitzt
ebenfalls im Aufsichtsrat der Hafen AG. Als Beisitzer im Landesvorstand der
NRW-SPD beschreibt er „Gerechtigkeit“ als ein Thema, das ihm „besonders
wichtig“ sei. Einschalten will sich Murrack trotzdem nicht: Die Stadt
Duisburg sei „nicht Tarifpartei“ und werde „deshalb keine Empfehlung für
oder gegen die Einführung eines Tarifvertrages“ aussprechen, so die
Stadtverwaltung.
„Land und Stadt müssen über den Aufsichtsrat Druck machen“, fordert dagegen
der Duisburger Bundestagsabgeordnete Mirze Edis von den Linken. Schlicht
„absurd“ sei deren Zurückhaltung angesichts der von der Politik immer
wieder geforderten Tarifverträge bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und
des [5][von Arbeitsministerin Bärbel Bas in den Bundestag eingebrachten
Tariftreuegesetzes]. Die Hafen AG, die Millionenüberschüsse erwirtschaftet,
habe sich „in den letzten Jahrzehnten dumm und dämlich verdient“, sagt
Edis, der früher Stahlarbeiter war. „Jetzt ist es Zeit, dass die
Beschäftigten davon profitieren.“
## Bas fordert Verhandlungen
Zwar äußert sich die Gewerkschaft Verdi noch nicht zu der Frage, ob sie bei
den im kommenden Frühjahr anstehenden Betriebsratswahlen mit einer eigenen
Liste antreten will oder gar ein Streik drohe – doch Edis ist sich schon
heute sicher: „Die kommenden Betriebsratswahlen werden anders ausgehen.“
Auch im Duisburger Stadtrat wollen die Linken den Tarifstreit zum Thema
machen. „Stadt und Land sind in der Pflicht, gerade die gewerblichen
Arbeitnehmer zu schützen“, sagt Ratsfraktionschefin Barbara Laakmann (Die
Linke).
Ähnlich klingt auch SPD-Bundeschefin Bärbel Bas: „Der konkrete
Tarifkonflikt liegt in der Verantwortung von Land und Stadt als
Anteilseigner“, findet die Bundesarbeitsministerin – und erteilt der
Verweigerungshaltung von Hafen-Vorstandschef Bangen eine klare Absage. Sie
erwarte, dass mit Hafen AG und Verdi „beide Seiten konstruktiv verhandeln
und eine Lösung finden, die die Interessen der Beschäftigten und
wirtschaftliche Stabilität gleichermaßen sichert“.
17 Nov 2025
## LINKS
(DIR) [1] /Tariftreuegesetz-im-Bundestag/!6118973
(DIR) [2] https://www.waz.de/lokales/duisburg/article410266535/streit-im-duisburger-hafen-braucht-duisport-einen-tarifvertrag.html
(DIR) [3] /Wie-die-SPD-den-Sozialbetrug-im-Ruhrgebiet-stoppen-will/!6124764
(DIR) [4] /Gruenen-Chef-Felix-Banaszak/!6106061
(DIR) [5] /Tariftreuegesetz-im-Bundestag/!6118973
## AUTOREN
(DIR) Andreas Wyputta
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