# taz.de -- Streit über Rentenpaket: Was passiert mit der Rente?
       
       > Das Bundeskabinett hatte das Rentenpaket schon beschlossen, doch jetzt
       > könnte es an 18 jungen Unionsabgeordneten scheitern. Worum es eigentlich
       > geht.
       
 (IMG) Bild: Wir können uns die Rente nicht mehr leisten, heißt es. Stimmt das eigentlich?
       
       In der Regierung gibt es Zoff um die Rente. Kann daran die Koalition
       zerbrechen? 
       
       Eher unwahrscheinlich. Zwar hat SPD-Arbeitsministerin Bärbel Bas vor einem
       Koalitionsbruch gewarnt und der Fraktionschef der Union, Jens Spahn, jüngst
       hinter verschlossenen Türen verkündet, man werde nicht zusammen mit der SPD
       sterben. Auch hält das Geraune über eine mögliche Minderheitsregierung
       weiter an. Aber keiner will die Koalition platzen lassen, denn zu gewinnen
       gibt es da nichts: Die Mehrheiten danach wären nicht besser, das Regieren
       nicht einfacher. Sicher ausschließen kann man dennoch nichts. Weil die
       Union handwerklich schlecht regiert, sind Unfälle vorstellbar.
       
       Worum geht’s überhaupt? 
       
       Union und SPD haben sich im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, das
       Rentenniveau bis 2031 bei 48 Prozent zu stabilisieren. Diese sogenannte
       Haltelinie [1][ist in diesem Jahr ausgelaufen.] Das Kabinett hat den
       [2][Gesetzentwurf bereits abgesegnet], jetzt muss er durch den Bundestag.
       Doch 18 [3][junge Abgeordnete der Unionsfraktion wollen nicht zustimmen.]
       Sie behaupten, der Gesetzentwurf von Bärbel Bas ginge über den
       Koalitionsvertrag hinaus – und warnen vor milliardenschweren Folgekosten.
       
       Was bemängeln die Unions-Rebellen? 
       
       Die Junge Union (JU) stört sich an einer Passage im Gesetzentwurf von Bas.
       „Auch nach 2031 liegt das Rentenniveau um rund einen Prozentpunkt höher als
       im geltenden Recht“, heißt es darin. Der zusätzliche Prozentpunkt, so die
       JU, gehe über den Koalitionsvertrag hinaus und würde bis zu 120 Milliarden
       Euro Mehrkosten bis 2040 verursachen. Außerdem würden damit Entscheidungen
       der Rentenkommission vorweggenommen. Sie soll 2026 Vorschläge für eine
       umfassende Reform vorlegen. 120 Milliarden ist die Faszination der großen
       Zahl. Man kann auch sagen: Es wären pro Jahr ungefähr 13 Milliarden Euro
       mehr. Auch viel, klingt aber nicht so dramatisch.
       
       Der Streit dreht sich also nur um einen Prozentpunkt? 
       
       Jetzt wird es tricky. Mit der Haltelinie läge das Rentenniveau 2031 bei 48
       Prozent. Ohne Haltelinie wären es nur 47 Prozent, also ein Prozentpunkt
       niedriger. Einig sind sich alle Seiten, dass man ab 2032 zum
       Nachhaltigkeitsfaktor zurückkehren will. Den hat 2005 Rot-Grün eingeführt,
       um den Rentenanstieg zu dämpfen, weil immer weniger Beitragszahlende für
       immer mehr Rentner:innen aufkommen müssen.
       
       Uneinig sind sich die Koalitionäre darüber, auf welchem Ausgangswert die
       Rentenanpassungen ab 2032 beruhen sollen: einem Rentenniveau von 48
       Prozent, das meint die SPD. Die JU will, dass das Niveau von 47 Prozent aus
       sinkt – so, als hätte es die Haltelinie nicht gegeben. Das sei so, als ob
       man eine Lohnerhöhung für fünf Jahre vereinbare, nach fünf Jahren so tue,
       als habe es in den letzten fünf Jahren keine Lohnerhöhung gegeben, sagt
       SPD-Mann Karl Lauterbach.
       
       Was ist mit Rentenniveau gemeint?Das Rentenniveau beschreibt, wie hoch die
       Rente einer Person, die 45 Jahre zum Durchschnittslohn gearbeitet hat, im
       Verhältnis zum aktuellen Durchschnittslohn ist. Es sagt nichts über die
       tatsächlich ausgezahlte Rente einer konkreten Person aus, die kann deutlich
       drüber oder auch drunter liegen. Im Idealfall soll sich das Alterseinkommen
       aus gesetzlicher Rentenversicherung, Betriebsrente und privater Vorsorge
       zusammensetzen. Das ist aber nicht so. 50 Prozent der Rentner:innen in
       West- und sogar 74 Prozent in Ostdeutschland haben nur die gesetzliche
       Rente, so Arbeitsministerin Bas.
       
       Was passiert, wenn das Rentenniveau sinkt? 
       
       Rentenzahlungen dürfen nicht gekürzt werden, das ist gesetzlich festgelegt.
       Aber wenn das Rentenniveau sinkt, steigen die Renten langsamer als die
       Löhne, die Kaufkraft der Rentner:innen wird kleiner. Wenn alles so
       bleibt wie bisher, sinkt das Rentenniveau voraussichtlich bis 2040 auf 45
       Prozent.
       
       Die Rente können wir uns nicht mehr leisten, heißt es. Stimmt das
       eigentlich? 
       
       Viele verweisen darauf, dass der Bundeszuschuss zur gesetzlichen Rente
       immer weiter steigt. In [4][absoluten Zahlen stimmt das zwar.] Aber
       gemessen an den [5][Einnahmen des Bundeshaushalts ist der Anteil des
       Zuschusses in den vergangenen zwanzig Jahren sogar gesunken.] Eine Ausnahme
       waren die Coronajahre.
       
       Bei aller Kritik hilft es außerdem, den Blick zu weiten. Im Vergleich zu
       [6][anderen EU-Mitgliedsstaaten hat Deutschland, gemessen am
       Bruttoinlandsprodukt, relativ moderate Rentenausgaben.] Ja, das System der
       gesetzlichen Rente ist wegen Überalterung unter Druck. Aber die viel
       beschworene Kostenexplosion ist ein politischer Kampfbegriff. Er wird von
       denen verwendet, die das Rentenalter anheben wollen und für mehr
       Privatisierung plädieren.
       
       Warum ist es überhaupt so wichtig, was die Junge Union sagt? 
       
       Weil sie einen langen Hebel hat: In der Unionsfraktion im Bundestag sitzen
       18 Abgeordnete der JU. Diese „Junge Gruppe“ hat beschlossen, dass sie dem
       Gesetzentwurf so nicht zustimmt. Weil Schwarz-Rot nur eine Mehrheit von 12
       Stimmen hat, würde er also durchfallen. Allerdings wird bereits über erste
       Abweichler innerhalb der Gruppe spekuliert: Philipp Amthor gehört als
       Staatssekretär zur Regierung, Catarina dos Santos-Wintz als
       Parlamentarische Geschäftsführerin zur Fraktionsführung. Inhaltlich teilen
       auch viele ältere Unionsabgeordnete die Kritik der JU. Aber wie viele wären
       bereit, die Koalition dafür aufs Spiel zu setzen? Für eine interessante
       Wende könnte die Linke sorgen: Sie erwägt, dem Gesetzentwurf im Bundestag
       zuzustimmen. Die Partei hält sowohl die Stabilisierung des Rentenniveaus
       als auch die Ausweitung der sogenannten Mütterrente für richtig. So könnte
       der Gesetzentwurf durchkommen. Dann hätte Merz aber ein neues Problem.
       
       Und was will die SPD? 
       
       Die SPD zerstört schon eigenhändig das [7][von ihr erfundene Bürgergeld.]
       Das Versprechen, 15 Euro Mindestlohn einzuführen, hat auch nicht so richtig
       geklappt. Umso wichtiger ist, dass die SPD ihr Rentenversprechen 48 Prozent
       vom Durchschnittslohn hält. Auch deshalb verkündete der ansonsten biegsame
       Lars Klingbeil in Sachen Rente: „An diesem Gesetz wird nichts mehr
       geändert.“ In der Fraktion fürchten manche: Lässt man sich bei der Rente
       von ein paar 30-jährigen Jung-Unionisten erpressen, ist das die Einladung,
       es bei Pflege- und Sozialstaat genau so zu machen. Nickt die SPD das ab,
       wird das wie Agenda 2010. Nur schlimmer.
       
       Geht es bei dem Streit wirklich nur um die 48-Prozent-Haltelinie? 
       
       In der konkreten Auseinandersetzung ja. Aber in dem Gesetzentwurf steckt
       auch die sogenannte Ausweitung der Mütterrente, die die CSU unbedingt will
       und die etwa 5 Milliarden Euro pro Jahr kosten wird. Hinzu kommen: die
       Einführung der Aktivrente, bei der Rentner:innen Steuervorteile
       bekommen, wenn sie weiterarbeiten, und die Frühstartrente, eine private
       Altersvorsorge für Kinder mit staatlichem Zuschuss. Beides sind
       Herzensanliegen der CDU. Jede der drei Koalitionsparteien hat also ein
       Interesse daran, das Gesamtpaket durch den Bundestag zu bringen.
       
       Warum sind Rentenreformen so schwierig? 
       
       Wenn Sie eine Woche Zeit und gute Nerven haben, lesen Sie den
       Rentenversicherungsbericht des Arbeitsministeriums. Er ist nicht lang, aber
       ein Gewitter von Zahlen und Statistiken, ein technokratisches
       Gesamtkunstwerk. Rente ist eben komplex. Fast alle sind betroffen, schon
       mit kleinen Schrauben bewegt man Milliarden. Und: Was man jetzt ändert,
       wirkt sich erst in Jahren aus. Mit Rentenreformen kann man, ähnlich wie im
       Gesundheitssystem, politisch schnell viel verlieren, aber nur wenig
       gewinnen. Allerdings: Dass das deutsche Rentensystem nicht reformierbar
       sei, ist Propaganda. Einige Beispiele für Rentenreformen: die Anhebung des
       Steueranteils in den 1990er Jahren, um die Lohnnebenkosten zu begrenzen,
       die Einführung der Rente mit 67 und des Nachhaltigkeitsfaktors.
       
       Welche Auswege gibt es? 
       
       Puh. Keine Lösung ist jedenfalls, alles so zu lassen wie es ist, oder eine
       Neuauflage der Riesterrente zu versuchen. Man kann den Kreis der
       Beitragszahler:innen erweitern, dann zahlen auch
       Bundestagsabgeordnete, Beamte oder Selbstständige in die gesetzliche
       Rentenversicherung ein. Für die Selbstständigen steht das sogar im
       Koalitionsvertrag. Ansonsten kann man für mehr Umverteilung innerhalb des
       Rentensystems sorgen. Andere wollen das Renteneintrittsalter erhöhen und
       mehr Kapitalmarkt wagen. Klar ist: Rentenpolitik ist immer auch
       Arbeitsmarktpolitik. Gute Löhne, eine höhere Erwerbs- und Vollzeitquote von
       Frauen oder gesteuerte Arbeitsmigration hätten positive Effekte. Denn
       Altersarmut ist schon jetzt ein wachsendes Problem.
       
       Wie geht ’ s jetzt weiter? 
       
       Unklar. CDU-Familienministerin Karin Prien hat vorgeschlagen, die
       Abstimmung im Bundestag zu verschieben. Doch Merz, Jens Spahn und auch die
       SPD wollen das Rentenpaket im Dezember durch den Bundestag bringen. Damit
       die Aktivrente wie geplant im Januar in Kraft treten kann, soll sie am 19.
       Dezember auch noch durch den Bundesrat. Merz und Spahn müssen die Junge
       Gruppe also schnell weichkochen. Und ihr etwas bieten, damit sie zustimmen
       kann, ohne ihr Gesicht zu verlieren.
       
       Was wird nun aus unserer Rente? Darum geht es in der aktuellen Folge des
       taz-Podcasts Bundestalk.
       
       22 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/rentenpaket-2025-2368678
 (DIR) [2] /Rentenreform-des-Arbeitsministeriums/!6093288
 (DIR) [3] /Merz-im-Zugzwang/!6130308
 (DIR) [4] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/7031/umfrage/bundeszuschuesse-an-die-rentenversicherung-seit-1950/
 (DIR) [5] https://www.wsi.de/de/blog-17857-die-wahrheit-warum-bundeszuschuesse-zur-rentenversicherung-richtig-sind-63218.htm
 (DIR) [6] https://www.bmas.de/DE/Soziales/Rente-und-Altersvorsorge/Fakten-zur-Rente/Alterssicherung-im-internationalen-Vergleich/alterssicherung-im-internationalen-vergleich.html
 (DIR) [7] /Die-SPD-und-die-Buergergeldreform/!6121478
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jasmin Kalarickal
 (DIR) Sabine am Orde
 (DIR) Stefan Reinecke
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Rente
 (DIR) Junge Union
 (DIR) Schwarz-rote Koalition
 (DIR) GNS
 (DIR) Reden wir darüber
 (DIR) Rente
 (DIR) Rente
 (DIR) wochentaz
 (DIR) Schwerpunkt Armut
 (DIR) Rente
 (DIR) CDU/CSU
 (DIR) rente mit 67
 (DIR) rente mit 67
 (DIR) Kolumne Materie
 (DIR) Kanzler Merz
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Ergebnis des Koalitionsausschusses: Eine Frage des Vertrauens
       
       Das Rentenpaket soll so kommen, wie im Kabinett beschlossen. Einige
       Zugeständnisse an die Jungen in der Union gibt es. Aber reichen ihnen
       diese?
       
 (DIR) Rentensystem im Vergleich: Was Deutschland von Österreich lernen kann
       
       Die Alpenrepublik zahlt deutlich höhere Renten als Deutschland. Doch das
       österreichische System steht vor ähnlichen demografischen Problemen.
       
 (DIR) Rentensystem: „Der Blick allein auf das Alter greift viel zu kurz“
       
       Die Bundesregierung streitet über ihr Rentenpaket. Dabei müsste man die
       Probleme ganz anders angehen, sagt der österreichische Sozialforscher Josef
       Wöss.
       
 (DIR) Debatte um Grundsicherung: Es geht nicht darum, wer „faul“ ist
       
       Es ist zum Kopfschütteln, wenn das alles nicht so arm wäre. Und ja, die
       Armut im Lande ist durchaus hausgemacht. Da sollte man mal drauf schauen.
       
 (DIR) Bundestagsstreit über die Rente: Reichinnek wartet erst mal ab
       
       Die Linkspartei lässt offen, wie sie bei der Abstimmung zum schwarz-roten
       Rentenpaket votieren wird. Erst müsse der finale Gesetzentwurf vorliegen.
       
 (DIR) Die Rente und die Union: Vier Auswege aus dem Rentenstreit
       
       Die Junge Gruppe in der Unionsfraktion droht, das Rentenpaket scheitern zu
       lassen. Die SPD ist zu einer Veränderung nicht bereit. Wie also weiter?
       
 (DIR) Altersvorsorge: Ökonomen warnen vor Rentenpaket der Bundesregierung
       
       RegierungsberaterInnen positionieren sich für und gegen das Rentenpaket.
       Die Grünen wollen mit einem Rentenniveau von 48 Prozent Altersarmut
       begrenzen.
       
 (DIR) Weiter Streit über die Rente: Ökonomen für Stopp des Rentenpakets – Union dagegen
       
       Die Koalition ringt um das Rentenpaket. Ein Stopp, wie von Ökonomen
       gefordert, kommt für die Union nicht infrage. SPD-Vize Schmidt warnt vor
       Folgen.
       
 (DIR) Rebellion der Jungen Union: Alle Räder stehen still, wenn dein Tennisarm es will
       
       Die Junge Union blockiert das Rentenpaket der Bundesregierung. Gut so!
       Sonst wird sich auch die nächsten Jahre nichts verändern.
       
 (DIR) Rentenstreit in der Union: Ein Debakel mit Ansage
       
       Kanzler Merz demonstriert wieder einmal, dass er die Kunst der
       Regierungsführung nicht beherrscht. Für die Reformfähigkeit verheißt das
       nichts Gutes.