# taz.de -- Bericht von der Frankfurter Buchmesse: Woher der Wind weht
       
       > Viel gesprochen wurde über links und rechts, Caroline Wahl, Romance und
       > ein bisschen über Literaturkritik. Außerdem gab es einen
       > Schnitzelskandal.
       
 (IMG) Bild: Nein, diese Messe ist nicht ins Auge gegangen. Installation im Pavillon des Ehrengastes Philippinen bei der Frankfurter Buchmesse
       
       Früher war mehr Schnitzel, das weiß, wer dieser Tage das deutsche
       Feuilleton durchblättert. Lametta war früher wohl auch mehr, denn die
       großen Partys der Frankfurter Buchmesse fielen in diesem Jahr weitestgehend
       aus, doch es scheint vor allem das Schnitzel, traditionell aufgetischt beim
       Empfang der österreichischen Verlage, das 2025 schmerzlich vermisst wurde.
       
       So ganz wird man dabei das Gefühl nicht los, es ist weniger die ersatzweise
       gereichte Kartoffelsuppe, die die Gemüter erregte, sondern die
       Vegetarisierung ganz allgemein, zumindest vermeldete man in der Welt
       genüsslich, dem Kritikerbauch habe man stattdessen ein Backhendl
       einverleibt.
       
       Wahrscheinlich hat die Sorge über die karge Bewirtung jedoch einen ernsten
       Kern: Verliert die Kritik an Bedeutung? Der Programmleiterin des Claassen
       Verlags, Miryam Schellbach, zufolge spiele die Literaturkritik finanziell
       zumindest keine Rolle mehr.
       
       Man erachte sie jedoch weiterhin als wichtig, sagt Schellbach bei einer
       Diskussionsrunde auf der Messe, weil sie „Gespräche über Literatur“
       vitalisiere. Das Panel streift [1][die Reizthemen der letzten Jahre,
       Midcult, Booktok, Romance,] um schließlich bei Caroline Wahl zu landen.
       
       ## Mega geil, bekannt zu sein
       
       Die Bestseller-Autorin taucht denn auch regelmäßig auf auf der Messe. Am
       Stand der Zeit spricht sie mit Volker Weidermann über die Kritik gegen sie
       und ihre Bücher, über einen Shitstorm, den keiner von beiden rekonstruieren
       kann. Irgendeinen „blöden Artikel“ habe es wohl gegeben, meint Wahl, aber
       es ist eigentlich auch egal. Jetzt sei sie eben noch bekannter, sagt sie,
       dass das Buch polarisiere, findet sie „mega geil“.
       
       Man ist sich nicht ganz sicher, welches Spiel Volker Weidermann spielt, ob
       er sich insgeheim über Wahl lustig macht. Er lobt ihre schönen Sätze,
       insbesondere die Stelle, wo jemand in Wahls neuem Roman der „Assistentin“
       sagt, sie habe ein schönes Gesicht, und diese ernsthaft entgegnet: „Ich
       glaube, das ist das Romantischste, was je einer zu mir gesagt hat.“ Ganz
       geheuer scheint Weidermann die Situation jedenfalls nicht, das Gespräch
       endet nach weniger als 30 Minuten.
       
       Den meisten Zuschauer:innen mit gezückter Handykamera war es wohl
       ohnehin gleich, worüber gesprochen würde. „Ich will sie nur mal sehen“,
       sagt eine Jugendliche und bedauert, dass sie und ihre Freundinnen Nelio
       Biedermann verpasst haben. Biedermann hat mit „Lázár“ das Lieblingsbuch der
       Buchhändler:innen geschrieben, das sich offenbar phänomenal verkauft.
       Dass er erst 22 ist und zudem einen aristokratischen Hintergrund hat, das
       spielt dabei gewiss bloß eine untergeordnete Rolle.
       
       ## Bücher aus dem Puppenhaus
       
       Bücher, die sich gut verkaufen, davon gibt es einige auf der Buchmesse. Die
       Hallen der New-Adult-Verlage sind im wahrsten Wortsinne atemberaubend voll;
       überall Schlangen an jungen Frauen. Die Dark-Romance-Autorin D. C. Odesza
       gibt Autogramme im Akkord. Fans haben ihren Namen schon auf einem kleinen
       Post-it notiert, sodass die Bestseller-Autorin bloß abschreiben muss.
       Gerade ist Martina an der Reihe, die sich sieben Aufkleber mit Widmung für
       ihre Heimbibliothek wünscht. Schnell noch ein Foto; das war’s.
       
       [2][Alles bekannt und im letzten Jahr genauso beobachtet,] über die
       Infantilisierung des Ganzen erschrickt man aber dann doch aufs Neue. War
       der Stand des Bastei-Lübbe-Imprints Lyx 2024 auch schon einem pinkfarbenen
       Puppenhaus nachempfunden?
       
       Und die Männer? Gibt es das in Frankfurt, so richtig männliche Literatur?
       Die rechten Verlage reisen eigentlich nicht mehr an, doch mitunter stößt
       man, neben Angehörigen christlicher Sekten, die Vorbeilaufenden Broschüren
       aufnötigen, auch auf echte Rechte im Burschenschaftler-Dress. Feixende
       Männer stehen am Stand des Wiener Castrum Verlags und unterhalten sich über
       „konservative Ästhetik“. „Castrum ist rein“, ist dort zu lesen. Der Verlag
       hat unter anderem den Incel-Flüsterer Sebastian Schwaerzel im Programm.
       
       ## Kampagne gegen den Verlagspreis
       
       Überhaupt waren die Rechten Thema auf dieser Buchmesse. Nachdem das rechte
       Portal Nius [3][eine Kampagne gegen den deutschen Verlagspreis losgetreten
       hatte,] von hohen Summen an Steuergeldern, die in die Hände von
       Linksextremist:innen fielen, halluzinierte, griffen auch andere rechte
       Medien das Thema auf. Ausgezeichnet wurden mit dem Unrast und dem März
       Verlag trotzdem zwei der Geschmähten.
       
       Ein Klima setzt sich aus mehreren Wetterlagen zusammen. Dass bei
       Kritikerempfängen liberalkonservative Professoren in Erinnerungen an Karl
       May und die Fußball-WM 1954 (!) schwelgen (Hans Ulrich Gumbrecht), bei
       Verlagsabendessen missverstandene Kulturkritiker atemlose Reden über die
       Auflösung von rechts und links als politische Kategorien schwingen dürfen
       (Simon Strauss), ja, all das deutet darauf hin, dass sich die Winde gedreht
       haben.
       
       Krise also, wieder mal und weiterhin? Dass der zu Recht [4][mit dem
       Deutschen Buchpreis ausgezeichnete Roman von Dorothee Elmiger, „Die
       Holländerinnen“,] wochenlang aufgrund von Engpässen bei den Druckereien
       nicht lieferbar war, mutet aberwitzig an, in Zeiten, in denen der Umsatz in
       der Buchbranche eher schrumpft denn wächst, so man die Zahlen
       inflationsbereinigt betrachtet.
       
       Aber nun zum Ausland. Es herrscht gähnende Leere auf den Fluren der
       internationalen Verlage. Die Ölstaaten protzen mit Ständen in
       Duty-Free-Shop-Optik, bei den Amerikanern ist nicht viel los. Besonders
       belebt ist es auch im luftigen Pavillon [5][des Gastlandes Philippinen]
       nicht, doch als die Journalistin [6][Maria Ressa] auf der großen Bühne im
       Forum spricht, sind deutlich mehr Zuschauer:innen als Sitzplätze da.
       
       Ressa, die aufgrund ihrer Berichterstattung über den „war on drugs“ ins
       Visier von Ex-Präsident Duterte geriet, scheint auch über den neuen
       Staatsführer und Diktatorensohn Ferdinand Marcos Jr. nicht glücklich. „Wir
       sind von der Hölle ins Fegefeuer gekommen“, sagt sie. Der Inselstaat im
       Pazifik sei Testlabor gewesen, wie man mit Desinformationen eine Wahl übers
       Internet gewinnt.
       
       Nirgendwo auf der Welt verbrächten die Menschen so viel Zeit auf Social
       Media wie auf den Philippinen. Die Friedensnobelpreisträgerin kritisiert
       den Suchtfaktor von Smartphone-Apps, die konstante Dopamin-Ausschüttung
       scharf. „Wir sind zur Ware geworden“, so Ressa.
       
       ## Wellengang des Betriebs
       
       Über die Kommodifizierung von Mensch und Welt lässt sich auch anders
       sprechen. Lyrisch zum Beispiel, wie es die Autorin Natascha Gangl tut, in
       einem Text, der die Leistungssprache „aushöhlt“, wie sie sagt. Gangls
       Bücher erscheinen bei dem österreichischen Ritter Verlag, einem kleinen,
       experimentellen Haus, und man freut sich dann doch über den Wellengang des
       literarischen Betriebs, der manchmal unerwarteterweise Gewächse wie Gangl
       an die Oberfläche spült.
       
       Dass sie [7][den Klagenfurter Bachmann-Wettbewerb in diesem Jahr für sich
       entscheiden konnte,] ist zu verdanken, dass die Schriftstellerin nun live
       bei 3sat vom Arbeit geben, nehmen und wegnehmen sprechen darf, in einer
       Sprache, die man im Fernsehen eigentlich weder spricht noch versteht. Bei
       welchen Einschaltquoten allerdings, das steht auf einem anderen Blatt.
       
       19 Oct 2025
       
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