# taz.de -- Deutsche Asylpolitik: Abschieben in die Schattenwirtschaft
       
       > Flüchtende erwarten in Griechenland prekäre Jobs und Obdachlosigkeit.
       > Aber Deutschland will Abschiebungen dorthin ermöglichen.
       
 (IMG) Bild: Zumutbar? Flüchtlinge auf Rhodos
       
       Lesbos taz | Vielleicht sucht ja der Wirt der Taverne, der den Touristen in
       der Straße hinter der Hafenpromenade hervorragenden Oktopus in Rotweinsoße
       serviert, noch eine Bedienung. Vielleicht braucht der Betreiber des Hotels,
       von dessen Zimmern aus man über das sichelförmige Hafenbecken Mytilinis,
       der Inselhauptstadt von Lesbos, bis zu den Bergen auf dem nahen türkischen
       Festland herüberschauen kann, noch jemanden, der die Betten macht. Oder
       vielleicht sucht auch ein Bauer auf der Insel noch eine Helferin für die
       Ernte, schließlich müssen ab Oktober die Oliven von den rund 11 Millionen
       immergrünen Bäumen auf [1][Lesbos] gepflückt werden.
       
       Solche Jobs werden hier oft unter der Hand vergeben – prekär, temporär,
       schlecht bezahlt. „Schattenwirtschaft“ heißt das dann. In Griechenlands
       Hotellerie, der Gastronomie, auf dem Bau oder in der Landwirtschaft ist
       dies weit verbreitet. Vor allem für Migrant:innen geht dies oft mit
       Lohnbetrug, Mindestlohnverstößen, extrem langen Arbeitszeiten oder
       ungeschützter Arbeit in großer Hitze einher.
       
       Doch in Griechenlands „Schattenwirtschaft“ nach Beschäftigung zu suchen –
       das empfahl kürzlich das Bundesverwaltungsgericht abgeschobenen
       Flüchtlingen, um über die Runden zu kommen. Der erstaunliche Satz dazu
       lautet: Ihre „Grundbedürfnisse einschließlich Ernährung können sie durch
       eigenes Erwerbseinkommen, anfänglich jedenfalls in der sogenannten
       Schattenwirtschaft, decken“. Der Satz steht in einer Mitteilung des
       Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig vom 30. April. Das hatte zwei Urteile
       aus Hessen bestätigt. In den Verfahren ging es um die Frage, ob Deutschland
       nach rund 15 Jahren wieder regulär nach Griechenland abschieben darf.
       
       So lange ist es her, dass Gerichte verboten hatten, Menschen aus
       Deutschland in den EU-Staat Griechenland zurückzuschicken. „Erniedrigende
       Haft- und Lebensbedingungen“ drohten dort, entschied bereits 2009 unter
       anderem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte.
       
       Griechenland gewährt Asylsuchenden heute zwar minimale Leistungen. Wer aber
       als Geflüchtete anerkannt wird, der bekommt gar nichts mehr. Das bloße
       Existenzminimum – zuletzt unter dem Schlagwort „Bett, Brot, Seife“ in der
       Diskussion – ist nicht gesichert. Trotzdem sehen deutsche Gerichte es
       erstmals wieder so, dass es „keine unmenschliche oder erniedrigende
       Aufnahmesituation“ gebe. „Arbeitsfähige, gesunde und alleinstehende junge“
       Männer dürften also abgeschoben werden.
       
       Vier deutsche Innenminister – Wolfgang Schäuble (CDU), Thomas de Maizière
       (CDU), Horst Seehofer (CSU) und [2][Nancy Faeser (SPD)] – hatten lange auf
       diesen Sinneswandel hingearbeitet. Mit Geld und guten Worten, aber auch mit
       Druck auf die griechische Regierung. Die Ampel hatte vor allem seit Anfang
       2024 ihre entsprechenden Bemühungen dazu intensiviert. Das zeigen interne
       Dokumente aus dem Bundesinnenministerium, [3][die die
       Informationsfreiheits-Plattform FragDenStaat zugänglich gemacht hat]. Aus
       ihnen geht hervor, dass die Ministerialbeamten über den Umweg von
       Interventionen bei der griechischen Regierung gezielt versuchten, die
       „Rechtsprechungsänderungen der Obergerichte weiterhin vorantreiben“, wie
       die Beamten notierten.
       
       Dabei hatten sie offenkundig Erfolg. In Griechenland seien zwar der „Zugang
       zu Obdach, Nahrungsmitteln und sanitären Einrichtungen“ mit „sehr großen
       Schwierigkeiten verbunden“ und Sozialleistungen praktisch nicht zu
       erlangen, befand 2024 der Verwaltungsgerichtshof Kassel. Die „größten
       Chancen, eine Arbeit zu finden“, gäbe es angesichts der „entspannten
       wirtschaftlichen Lage“ im „Sektor der Schattenwirtschaft“. Dies verwehre
       den dort Beschäftigten zwar „den Zugang zur sozialen Sicherheit und setzt
       sie anhaltender Unsicherheit aus“, so das Gericht.
       
       Trotzdem sei es „nicht unzumutbar“, anerkannte Schutzberechtigte nach einer
       Abschiebung vorübergehend auf „Arbeit im Bereich der Schattenwirtschaft zu
       verweisen“. [4][Ende Juni entschied auch das Verwaltungsgericht Hamburg,
       dass verbotene „Tagelöhnertätigkeiten“ für Abgeschobene in Griechenland
       „zumutbar“ seien.] Dabei beklagte die Europäische Grundrechteagentur FRA
       schon vor Jahren „schwere Formen der Arbeitsausbeutung“ bei
       Migrant:innen in Griechenlands Schattenwirtschaft. Eine Untersuchung
       der Universität Nottingham sah gar Formen „moderner Sklaverei“, etwa auf
       griechischen Erdbeerplantagen.
       
       Die Iranerin Setareh E.* sucht seit Monaten auf Lesbos nach Arbeit.
       Reihenweise bewarb sie sich bei Restaurants und Hotels auf der Insel – ohne
       Erfolg. „Keiner hat auf meine Bewerbungen auch nur geantwortet“, sagt sie.
       „None of Your business“ hat E. auf dem Unterarm tätowiert, die Augenpartie
       ist geschminkt, die Haare zusammengebunden, so kommt sie zum Gespräch in
       das Büro einer Hilfsorganisation in der Nähe des Fähranlegers von Mytilini.
       Wer sie nach ihrer Geschichte fragt, dem erzählt Setareh E. von ihrer
       Odysee, die damit endet, dass sie 2022 von Teheran bis nach Zürich
       geflohen war und dann wieder nach Griechenland abgeschoben wurde. Seit dem
       Frühjahr sitzt E. auf der Insel fest.
       
       Am Abend, da wird das Licht weich über der Ägäis, das Blau des Meeres
       kriegt einen rosafarbenen Schimmer und der Wind weht sanft aus der Türkei
       herüber. Seit dem vergangenen Jahr können Türk:innen für sieben Tage
       visafrei auf einigen griechischen Inseln Urlaub machen, und so ist jetzt,
       an einem Abend Anfang Juli, die Innenstadt von Mytilini gut besucht. Neue
       Restaurants und Hotels haben eröffnet, neue Flug- und Fährverbindungen
       bringen Touristen auf die Insel. „Aber die Jobs gehen alle an Griechen“,
       sagt Setareh E. Und so weiß sie nicht, wie sie überleben würde, wäre sie
       nicht in einem Haus untergekommen, das eine NGO für queere Geflüchtete
       angemietet hat. „Ich will eine eigene Wohnung, will für mich selber kochen
       können, meine Ruhe haben, Besuch empfangen“, sagt E. Doch wie es aussieht,
       liegen diese Dinge für sie noch in weiter Ferne.
       
       2022 ging E. in Teheran auf die Straße, es war die Zeit der Proteste nach
       dem Tod von Jina Mahsa Amini. Die junge Frau war wegen „unislamischer
       Kleidung“ von der Sittenpolizei festgenommen worden. „Sie haben sie
       ermordet“, sagt E. über das Schicksal Aminis, der sie sich verbunden fühlt.
       E. ist ausgebildete Fitnesstrainerin, das war ihr Beruf im Iran. „Ich ging
       in meinem Sportoutfit auch auf die Straße“, sagt sie, sie trug das Kopftuch
       mit Absicht, so locker es eben ging. So geriet auch E. mit den
       Sittenwächtern aneinander.
       
       Je länger die weltweit beachteten Proteste der iranischen Frauen im Herbst
       2022 dauerten, desto brutaler wurde die Polizei. Mindestens 100 Menschen
       wurden bei den Protesten getötet, weit mehr verhaftet. E.s Angst wurde zu
       groß, sagt sie. Sie floh aus dem Iran, über die Türkei versuchte sie nach
       Griechenland zu gelangen. Drei Mal schob die Polizei sie Anfang 2023 über
       die Landgrenze am Evros-Fluss zurück. Dann bestieg E. ein Boot und
       erreichte Lesbos. Ende 2023 wurde ihr Asylantrag positiv beschieden. Sie
       musste das Flüchtlingslager verlassen und saß auf der Straße.
       
       So geht es jedes Jahr zehntausenden Geflüchteten in Griechenland. Das Land
       erkennt Schutzsuchende aus einer Reihe von Ländern vergleichsweise schnell
       an. Danach aber überlässt sie sie praktisch vollständig sich selbst – wohl
       auch in der Hoffnung, dass viele dann in andere EU-Staaten weiterziehen.
       
       Nach Angaben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) kamen
       seit 2020 nahezu 100.000 Ausländer:innen, die in Griechenland bereits
       Schutz erhalten hatten, nach Deutschland und beantragten hier erneut Asyl.
       Das sei zwar unzulässig, eine Abschiebung innerhalb Europas aber sei bei
       drohender „Verelendung“ im Zielstaat nicht rechtens, so das Bamf. Doch dass
       Menschen wie Setareh E. in Griechenland Verelendung drohe – „diese
       Sichtweise wurde nun durch das aktuelle Urteil revidiert“, so das Bamf.
       
       Dessen Präsident Hans-Eckhard Sommer begrüßte das Urteil und sah seine
       „Rechtsauffassung bestätigt“. Das Urteil werde seine Behörde „sofort
       umsetzen und Asylanträge dieses Personenkreises konsequent als unzulässig
       ablehnen“. Und um „deutlich zu machen, dass sich die Weiterwanderung nach
       Deutschland nicht lohnt, muss es nun schnell zu Abschiebungen nach
       Griechenland kommen“.
       
       Deutschland hatte lange darauf hingewirkt, dass es für Geflüchtete
       zumindest auf dem Papier „Bett, Brot, Seife“ gibt. Denn das
       Innenministerium will nicht nur die bereits in Griechenland Anerkannten
       zurückschicken. Geht es nach Kanzler Merz und Innenminister Dobrindt,
       sollen auch all jene Asylsuchenden direkt dorthin zurückgewiesen werden,
       die künftig an den deutschen Grenzen aufschlagen, aber bereits in
       Griechenland behördlich erfasst wurden.
       
       Die Dokumente des Bundesinnenministeriums, die die Plattform FragDenStaat
       veröffentlicht hat, zeigen, dass die Ampel versucht hat, Griechenland zur
       Ausweitung eines EU-finanzierten Hilfsprogramms für Geflüchtete namens
       „Helios+“ zu bewegen. Dessen Vorläufer – „Helios“ – war Ende 2024
       ausgelaufen. Leistungen daraus erhalten hatten in der vierjährigen Laufzeit
       seit 2020 insgesamt nur rund 4.200 Menschen. Das sind etwa 3 Prozent der in
       Griechenland lebenden Schutzberechtigten. Nur ein Bruchteil also – und kaum
       genug, um alle vor „Verelendung“ zu bewahren. Eine Ausweitung des
       Nachfolgeprogramms Helios+ aber würde die Lage für Geflüchtete in
       Griechenland verbessern, heißt es in einem Vermerk des
       Bundesinnenministeriums von 2024. „Hierdurch können wir dann auch weitere
       Personengruppen als lediglich junge, gesunde und erwerbsfähige anerkannt
       Schutzberechtigte zurückführen.“
       
       Der Staatssekretär Bernd Krösser schickte dazu im April 2024 einen Brief an
       den damaligen griechischen Migrationsminister Dimitris Kairidis. Er
       „unterstütze ausdrücklich“, dass künftig auch jene Geflüchteten Hilfe aus
       dem Helios+-Programm bekommen können, die zwischendurch Griechenland
       verlassen hatten, so Krösser. So sollten nach dem Willen des
       Bundesinnenministeriums auch jene, die nach einem Aufenthalt in Deutschland
       abgeschoben werden, Leistungen beantragen können.
       
       Die Rechnung ging auf: Im Urteil des VGH Kassel etwa werden – neben den
       Verdienstmöglichkeiten in der „Schattenwirtschaft“ – die Leistungen aus dem
       Helios+-Programm als Faktor genannt, der der Verelendung vorbeugen soll.
       Genau das aber ist höchst fraglich.
       
       Im Juli 2024 notierten Beamte aus dem Bundesinnenministerium (BMI), dass
       Griechenland „Vorbehalte“ gegen die deutschen Vorstellungen zu dem
       Helios+-Programm habe. Eine Antragstellung noch vor einer Rückkehr aus
       Deutschland wollte Athen nicht gestatten. Eine Unterbringungen
       Abgeschobener „unmittelbar nach Rückführung“ mochte Griechenland nicht
       garantieren, die völlig unzureichende Wohnbeihilfe wollte es nicht erhöhen.
       „Gefahr der Obdachlosigkeit“, schrieben die BMI-Beamten dazu in einem
       internen Vermerk. Dies wäre nicht ausreichend, um die Voraussetzungen der
       „Bett-Brot-Seife“-Rechtsprechung der deutschen Verwaltungsgerichte zu
       erfüllen.
       
       Gleichwohl tat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) seither
       so, als sei bei dem Existenzminimum für nach Griechenland Abgeschobene
       alles geritzt. Im ersten Halbjahr 2024 hatte die Behörde nur 3,6 Prozent
       der Anträge von Asylsuchenden mit Flüchtlingsanerkennung aus Griechenland
       abgelehnt. Zwischen Juli und Oktober 2024 kehrte sich dies nach einer
       Auswertung von Pro Asyl um: Plötzlich wurden 87,1 Prozent der Antragsteller
       abgelehnt. Die Schutzsuchenden mit laufendem Verfahren bekamen einen Brief,
       um sie zur freiwilligen Rückkehr nach Griechenland zu bewegen. Von einem
       Abholservice vom Flughafen, vier Monaten kostenloser Unterkunft mit
       „Vollverpflegung“, Beratungsgesprächen für einen „erfolgreichen Neuanfang“
       und einem Griechischkurs ist in diesem Brief die Rede.
       
       Auf Anfrage der taz gibt sich das Innenministerium zugeknöpft. Bei Helios+
       handele sich um ein „rein nationales Integrationsprogramm des griechischen
       Staates, an dem Deutschland nicht beteiligt ist“. Das Bamf verweist auf ein
       ergänzendes, ominöses „Überbrückungsprogramm“, das „Obdachlosigkeit
       entgegenwirken“ soll.
       
       Als Setareh E. nach ihrer Abschiebung am Flughafen in Athen landete,
       „hatten die Polizisten nicht einmal meine Taschen als Gespäck aufgegeben“,
       sagt sie. „Ich hatte gar nichts, nicht mal eine Haarbürste. Wie kann man
       einer Frau so etwas antun?“, fragt sie. „Ich fühlte mich verlassen, ging
       zur Polizei, aber die sagten nur, „raus aus dem Flughafen', es gab
       keinerlei Hilfe.“ In Athen kannte sie niemand. Also rief sie eine
       Aktivistin an, die sie im Vorjahr auf Lesbos kennengelernt hatte. „Die
       schickte mir Geld für das Fährticket und holte mich am Hafen ab.“
       
       Im Mai 2025 beantragte sie Unterstützungsleistungen aus dem Programm. „Bis
       jetzt habe ich nichts von ihnen gehört“, sagt sie. Ob sie etwas bekommt,
       ist fraglich: Voraussetzung sind ein Mietvertrag und ein Bankkonto in
       Griechenland.
       
       Mitarbeiter von unabhängigen Beratungsstellen auf Lesbos berichten, dass
       die für die Umsetzung des Programms zuständige IOM, die Internationale
       Organisation für Migration, noch dabei ist, Personal zu suchen.
       Helios+-Anträge könnten zwar gestellt werden, würden aber noch nicht
       bearbeitet.
       
       Die für die Region zuständige IOM-Vertreterin Marina Liakis hat ein Büro in
       dem Lager Kara Tepe, etwas außerhalb von Mytilini. Es ist ein staubiges,
       umzäuntes Provisorium aus Containern und Zelten für 3.000 Menschen. Wer das
       Lager besucht, wird von Konstantin Scarellis, dem stellvertretenden Leiter,
       in einem klimatisierten Bürocontainer empfangen. Er zeigt eine
       Präsentation. Unter anderem ist darin ein Foto zu sehen, das eine
       Vertreterin der EU-Kommission zeigt. Sie besucht eine der „Jobmessen“ im
       Flüchtlingslager von Lesbos. Geflüchtete sollen so für die Zeit nach ihrer
       Anerkennung mit Arbeitgebern in Kontakt kommen, berichtet Scarellis. Für
       die Anerkannten gebe es also sehr wohl Wege in den Arbeitsmarkt, will
       Scarellis damit sagen. Allerdings: Gerade einmal 55 Menschen wurden so im
       ersten Halbjahr vermittelt, bei wie vielen dieser Jobs es sich nicht nur um
       Tagelöhnerei handelt, ist offen.
       
       Ein Gespräch mit der IOM-Vertreterin Marina Liakis zum Thema Helios+ sei
       „gar kein Problem“, sagt dann einer von Scarellis Mitarbeitern. Dann heißt
       es, Liakis sei gerade beschäftigt und zu den IOM-Containern hätten Besucher
       keinen Zugang. Dann steckt der Mitarbeiter sein Handy aus. „Das ist ihre
       Nummer“, sagt er, man könne sich „draußen vor dem Tor“ mit Frau Liakis zum
       Gespräch verabreden, gar kein Problem. Doch die IOM-Frau Liakis verweist
       dann am Telefon auf die IOM-Zentrale in Athen, die auf wiederholte Anfragen
       nicht reagiert. Nach einer Woche schickt Liakis dann eine Nachricht, in der
       steht, dass sie „mehr Zeit“ brauche, bevor sie Fragen beantworten könne.
       
       „Das Helios+-Programm ist nichts als heiße Luft, leere Versprechungen und
       eine Gefahr für Geflüchtete“, sagt die Linken-Bundestagsabgeordnete Clara
       Bünger. Was es verspreche, gebe es in der Realität nicht:
       Integrationsangebote und besonders eine sichere Unterkunft. „Die Realität
       ist, dass Geflüchtete immer noch in der Obdachlosigkeit landen, wenn sie in
       Griechenland anerkannt werden oder wenn sie im Rahmen des Dublin-Verfahrens
       nach Griechenland abgeschoben werden.“
       
       246 Personen schob Deutschland 2024 nach Griechenland ab, im ersten Quartal
       2025 waren es dann schon 176 Personen. Ginge es nach der Bundesregierung,
       würde die Zahl schnell weiter steigen. Eine taz-Anfrage, wie viele Menschen
       das BMI nach Griechenland abzuschieben gedenke, beantwortete das
       Ministerium nicht – das sei Ländersache.
       
       Im Mai besuchte der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis
       Bundeskanzler Merz in Berlin. Man fühle sich „gemeinsam dem Problem der
       Migration nach Europa verpflichtet“, hieß es in der Mitteilung des
       Kanzleramtes. „Die Sekundärmigration von Griechenland aus nach Deutschland
       muss sinken. Die Rückübernahmen müssen steigen“, sagte Merz.
       
       Doch in Athen sieht man die Sache etwas anders. Seit jeher ist Griechenland
       der Meinung, überproportional durch die Flüchtlingsankünfte belastet zu
       sein. Die Zurückweisungen an den deutschen Grenzen hatte Mitsotakis’
       Regierung sehr kritisch gesehen. Nach den Gerichtsurteilen, die den Weg für
       Abschiebungen nach Griechenland frei machten, sagte der – mittlerweile
       wegen eines Agrar-Korruptionsskandals zurückgetretene – rechtsextreme
       Migrationsminister Makis Voridis, dass eine Rücknahme aus Deutschland unter
       den derzeitigen Umständen nicht infrage komme, da Griechenland nach Zypern
       bereits die höchste Anzahl von Flüchtlingen pro Kopf in der EU beherberge.
       
       „Solange es keine gerechte Lastenverteilung innerhalb der Europäischen
       Union gibt, wird Griechenland keine Rückführungen akzeptieren“, sagte
       Voridis. Anfragen zu Rücknahmen aus Deutschland werde man „nicht sehr
       freundlich gegenüberstehen.“
       
       * Name geändert.
       
       Die Reisekosten wurden von der Rosa-Luxemburg-Stiftung getragen.
       
       10 Jul 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Schwimmkurse-fuer-Fluechtlinge-auf-Lesbos/!6033796
 (DIR) [2] /EU-Asylreform-in-Deutschland/!6044282
 (DIR) [3] https://fragdenstaat.de/artikel/exklusiv/2025/07/aus-deutschland-in-die-obdachlosigkeit/
 (DIR) [4] https://www.landesrecht-hamburg.de/bsha/document/NJRE001580160
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Christian Jakob
       
       ## TAGS
       
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