# taz.de -- Neue Enthüllungen im Fall Oury Jalloh: Polizei verschwieg Telefonmitschnitte
       
       > Neue Recherchen zeigen: Zwei Telefonate kurz vor dem Tod Oury Jallohs
       > wurden zwar aufgezeichnet, aber nie den Ermittlungsakten beigefügt.
       
 (IMG) Bild: Ermordet von deutschen Polizisten? Der Fall Oury Jalloh wirft Fragen auf
       
       Juristisch ist der Fall Oury Jalloh erledigt, doch noch immer werden neue
       Details bekannt. Am Donnerstag veröffentlichten der Verein
       Recherche-Zentrum und die NGO Frag den Staat das Protokoll einer Anhörung
       des Rechtsausschusses im Landtag von Sachsen-Anhalt aus dem Jahr 2005.
       Daraus geht hervor, dass zwei womöglich für die Rekonstruktion wichtige
       Telefongespräche des Dienstgruppenleiters Andreas S. im Dessauer
       Polizeirevier aus genau der Zeit des Brandausbruchs aufgezeichnet wurden.
       Diese Mitschnitte wurden aber weder in die Ermittlungsakten aufgenommen
       noch den Gerichten zugänglich gemacht.
       
       Der Asylbewerber Oury Jalloh starb bei einem Brand am Vormittag des 7.
       Januar 2005 im Dessauer Polizeirevier. In den beiden Gerichtsverfahren zur
       Aufklärung der Todesumstände vor dem Landgericht Dessau und dem Landgericht
       Magdeburg spielen die fraglichen Telefonate in der Zeit vor dem
       Brandausbruch eine Rolle. Denn da, so gab es der Dienstgruppenleiter
       Andreas S. an, sei über die Gegensprechanlage, über die die Zellengeräusche
       kontrolliert wurden, ein „Plätschern“ aus der Zelle zu hören gewesen.
       
       Vor Gericht sagte S., er habe wegen „lauter Rufe“ und „Rasselgeräusche“ die
       Lautstärke der Gegensprechanlage heruntergedreht. Auch sein
       Gesprächspartner in der Polizeidirektion habe diese mitbekommen und
       gefragt, „was denn bei euch los“ sei.
       
       In einer ersten Sitzung des Rechtsausschusses, rund fünf Wochen nach dem
       Brand, hatte ein Vertreter der Polizei noch den Eindruck erweckt, es gebe
       keine Mitschnitte dieser zwei Gespräche. Doch nachdem eine Polizistin
       ausgesagt hatte, dass Andreas S. während eines Telefongesprächs die
       Wechselsprechanlage „leiser gedreht“ habe, fragten die Abgeordneten bei der
       folgenden Sitzung des Ausschusses, im Juni 2005, noch einmal nach.
       
       Daraufhin räumten Behördenvertreter ein, dass „zwei Gespräche auf dem Band
       vorhanden seien, die nicht in der Ermittlungsakte niedergelegt seien“.
       Dabei handele es sich um Gespräche, die der Dienstgruppenleiter Andreas S.
       um 11:27 Uhr und um 11:55 Uhr mit zwei Kommissaren vom Lagedienst geführt
       habe. Laut S. brach das Feuer erst um 12:05 Uhr aus.
       
       Die Mitschnitte seien „die einzigen Beweismittel, die eine zeitgenaue
       Rekonstruktion der letzten halben Stunde vor dem Brandausbruch im
       [1][Polizeirevier Dessau] ermöglichen“, heißt es in einer Stellungnahme des
       Recherche-Zentrums, das zum Teil aus der Initiative Gedenken an [2][Oury
       Jalloh] hervorgegangen ist. „Weder das Landgericht Dessau noch das
       Landgericht Magdeburg konnten die letzten 30 Minuten vor dem Brand
       rekonstruieren – trotzdem fällten sie auf Basis der Aussage von Andreas S.
       Urteile.“
       
       In den Urteilen des Landgerichts Dessau vom März 2009 und des OLG Magdeburg
       vom April 2013 werden die Gespräche ausführlich erwähnt – allerdings
       ausschließlich auf Grundlage der Aussage von Andreas S.. Der Erinnerung von
       S. folgend ist lediglich von einem Gespräch um 11.45 Uhr oder um 12 Uhr die
       Rede – also gut eine Viertelstunde vor, beziehungsweise fünf Minuten nach
       den tatsächlichen Zeitpunkten und ohne dass die Zellengeräusche angehört
       worden wären.
       
       ## Staatsanwalt bewertete Mitschnitte als „nicht relevant“
       
       Der damalige Generalstaatsanwalt Jürgen Konrad sagte 2005 im Landtag,
       Protokolle von Telefongesprächen seien der Nebenklage, also der Familie
       Jallohs damals zur Verfügung gestellt worden. Dabei handelte es sich aber
       um an dem Tag geführte Gespräche mit einem Polizeiarzt und einem anderen
       Beamten – nicht aber die beiden fraglichen Telefonate des
       Dienstgruppenleiters Andreas S. während der unmittelbaren Zeit des
       Brandausbruchs. Für die Ermittlungen seien diese Mitschnitte „nicht
       relevant“ gewesen, es sei deshalb keine Abschrift erstellt worden,
       behauptete der Staatsanwalt Konrad damals im Landtag.
       
       Die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg stellte die Ermittlungen im Oktober
       2018 ein. Jallohs Bruder Saliou Diallo legte dagegen beim
       Bundesverfassungsgericht Beschwerde ein. Die Karlsruher Richter wiesen
       diese im Februar 2023 ab. Unter anderem habe Jallohs Familie in ihrer
       Beschwerde nicht dargelegt, „welche Polizeibeamten den Brand gelegt haben
       sollen und aufgrund welcher Beweismittel ein diesbezüglicher Nachweis
       möglich sein soll“.
       
       Nach dem Karlsruher Urteil hatte Saliou Diallo Beschwerde beim Europäischen
       Gerichtshof für Menschenrechte eingereicht. Allerdings ging diese wegen
       eines Formfehlers nicht fristgerecht in Straßburg ein. Der EGMR lehnte den
       Fall deshalb ab.
       
       29 May 2025
       
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