# taz.de -- Israel, Iran und das Mullahregime: Teheran, was nun?
       
       > Vor der Kamera sagt es niemand, doch viele Menschen in Iran freuen sich
       > über die Verluste des despotischen Regimes. Es wirkt instabiler denn je.
       
 (IMG) Bild: Mann mit Kopftuch, Teheran am 8. März 2009. Auf dem T-Shirt steht: Nieder mit dem Patriarchat
       
       Das islamistische Regime in Teheran konnte von Anfang an nur überleben,
       indem es seine inneren Konflikte nach außen verlagerte. Schon kurz nach der
       Iranischen Revolution von 1979 weitete es den Krieg mit Irak zu einem
       Endloskonflikt aus. Der irakische Diktator Saddam Hussein hatte Iran 1980
       überfallen. Der iranische Islamistenführer Ruhollah Chomeini setzte den
       Krieg dauerhaft fort.
       
       Im Schatten der religiös-nationalistischen Mobilisierung schaltete er in
       den 1980ern sämtliche Opposition gegen sich aus, die gemäßigte schiitische
       Geistlichkeit genauso wie demokratische und sozialistische Gruppen.
       
       Irak hatte damals mehr Waffen, Iran mehr Menschen. Von 1980 bis 1988
       starben auf irakischer Seite fast 400.000 Menschen, etwa eine Million auf
       iranischer, darunter Zehntausende iranische Kindersoldaten. Ihnen hatte man
       Plastikschlüssel um den Hals gehängt als Symbol für den bevorstehenden
       Eintritt in das Paradies. Dann wurden sie vor den regulären Einheiten als
       „Minenräumer“ ins Feld geschickt.
       
       Seit Beginn prägen Skrupellosigkeit und expansionistische Außenpolitik das
       Teheraner Mullahregime. Den bis 1979 regierenden Schah bezeichnete der
       Kulturkämpfer Chomeini konsequent als ausländischen zionistischen Agenten
       und reine US-Marionette, die Gleichberechtigung der Frau sowie der
       Laizismus seien uniranisch.
       
       ## Aggresiv und schwach zugleich
       
       1989 starb Ajatollah Chomeini. Sein Nachfolger und Kampfgefährte Ali
       Chamenei setzte den extremistischen Kurs nahtlos fort. In der fortdauernd
       hetzerischen Rhetorik gegen die USA, Israel und die Ungläubigen im Westen
       suchte man die Führerschaft im gesamten islamistischen Lager zu erringen.
       Auch andere, gemäßigtere Strömungen in der islamischen Welt gerieten so
       unter Zugzwang.
       
       Die Mullahs und ihre Revolutionsgarden gewannen schließlich die Hegemonie
       über einst feindliche Territorien wie Irak und Syrien. Und schoben sich
       immer dichter an Israel heran.
       
       In Libanon und im Gazastreifen unterstützten und unterhielten sie mit
       Hisbollah und Hamas kostspielige Schattenarmeen, die Israel direkt
       militärisch bedrohten. Andere ihrer Verbündeten wie die Huthis in Jemen
       hielten rivalisierende Staaten wie Saudi-Arabien in Schach und stressten im
       Bedarfsfall die internationale Seefahrt.
       
       Während die iranischen Mullahs außenpolitisch den Extremismus forcierten,
       wurden sie im Inneren in letzter Zeit allerdings immer schwächer. Die
       Ökonomie ist am Boden, Streiks und menschenrechtlich orientierte
       Protestwellen flammten wiederholt auf. Am Ende provozierte der Tod von Jina
       Mahsa Amini wegen eines falsch sitzenden Kopftuchs 2022 Massenproteste.
       Unter dem Slogan „Frau, Leben, Freiheit“ gingen im ganzen Land,
       insbesondere auch in den kurdischen Provinzen, die Menschen auf die Straße.
       
       ## Tod im Gästehaus
       
       Mit dem mörderischen Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023
       suchte das von den Mullahs in Iran angeführte Spektrum die ultimative
       Eskalation im Nahen Osten. Ismael Hanijeh, Auslandschef der Hamas,
       bejubelte die Massakrierung von 1.200 Menschen in Israel und die
       Verschleppung von 250 Geiseln in den Gazastreifen. Er rief andere dazu auf,
       man möge es der Hamas gleichtun. An Orten wie Berlin-Neukölln feierten
       Islamisten das Massaker mit der Verteilung von Süßigkeiten auf den Straßen.
       
       Hanijeh wurde schließlich im Juli 2024 bei einer Explosion in Teheran in
       einem Gästehaus der iranischen Revolutionsgarden getötet. Das Mullahregime
       konnte seinen Gast auch in dem scharf gesicherten Komplex nicht schützen.
       
       In Israel sammelte sich die existenziell bedrohte Nation nach dem 7.
       Oktober zunächst hinter Benjamins Netanjahus umstrittener Rechtsregierung.
       Trotzdem gelang es Israels Streitkräften aber bis heute nicht, die Hamas im
       Gazastreifen final zu besiegen.
       
       50 Geiseln befinden sich nach wie vor in der Gewalt der Terroristen, unklar
       bleibt, wie viele von ihnen noch leben. Dabei führen die Bilder des
       weitgehend zerstörten Gazastreifens und die hohen Opferzahlen inzwischen zu
       heftiger Kritik an der israelischen Kriegsführung. Auch in Israel selbst.
       
       ## Pager und Tyrannen
       
       Erfolgreicher als gegen die Hamas war das militärische Vorgehen Israels
       gegen die Hisbollah im Libanon. Dem fortdauernden Raketenbeschuss durch die
       Hisbollah folgte die weitgehende Entwaffnung der schiitischen Terrormiliz
       durch die israelische Luftwaffe und Armee.
       
       Die Aktion der massenhaft zur Explosion gebrachten Pager im September 2024
       war spektakulär. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah wurde durch einen
       gezielten israelischen Luftangriff im selben Monat getötet.
       
       Danach wendete sich eine israelische Bombenkampagne aus der Luft dem
       syrischen Staatsterroristen Baschar al-Assad zu. [1][Syriens Diktator,
       zuletzt enger Verbündeter von Irans Mullahs], setzte sich im Dezember 2024
       nach Russland ab.
       
       Im Juni 2025 folgte die israelische Operation „Rising Lion“ mit
       Luftschlägen gegen das militärische Atomprogramm des iranischen
       Mullahregimes, gegen dortige Raketenlager, Abschussrampen und
       Rüstungsanlagen, aber auch gegen führende Angehörige des
       militärisch-wissenschaftlichen Komplexes sowie des staatlichen
       Repressionsapparates.
       
       ## Abwarten und Uran trinken?
       
       Die [2][Vernichtung Israels hatte das Mullahregime] mehr als einmal
       angekündigt und zum Staatsziel erklärt. Sollte Israel erst auf Irans
       Atombombe warten?
       
       „Man muss derartige Entwicklungen stoppen, solange die Kosten noch relativ
       gering sind, nicht erst, wenn es ums Überleben geht“, sagt [3][John Bolton
       aktuell dazu in einem Spiegel-Gespräch]. Und: „Die Israelis haben das
       verstanden.“
       
       Als Nationaler Sicherheitsberater schied er 2019 im Streit aus dem ersten
       Kabinett von Donald Trump aus. Auch heute ist er ein entschiedener Kritiker
       des schwer berechenbaren US-Präsidenten. „Er hat keine politische
       Philosophie. Er verwechselt Außenpolitik mit den persönlichen Beziehungen,
       die er zu anderen Staatschefs hat“, so Bolton über Trump).
       
       Aber manchmal tun die falschen Leute aus seltsamen Gründen das Richtige.
       Aus welchen Gründen auch immer Trump MOAB, die schwere bunkerbrechende
       „Mother of All Bombs“, gegen die unterirdische Urananreicherungsanlage
       Fordo schließlich doch einsetzen ließ – die Kampagne scheint am Ende
       militärisch wie politisch ein Erfolg zu sein.
       
       ## Das Tor zum Evin-Gefängnis
       
       Die [4][Botschaft an die iranische Zivilbevölkerung] hätte dabei kaum
       eindeutiger ausfallen können. Neben den verhassten Schergen des Regimes
       wurden auch Institutionen angegriffen, die seit Jahrzehnten der Folter,
       Erniedrigung und Ermordung der iranischen Opposition dienen. Die
       Bombardierung äußerer Bereiche des berüchtigten Teheraner Evin-Gefängnisses
       ist ein deutliches Signal an die Menschen im Land.
       
       Das Regime karrt nun seine letzten Anhänger für Propagandabilder zusammen,
       [5][Verhaftungs- und Hinrichtungswellen] werden befürchtet. Dabei [6][ist
       es so geschwächt wie noch nie]. Galoppierende Inflation, Mangelwirtschaft,
       Korruption – zusammen mit der Niederlage könnte dies zum Kollaps des
       Regimes führen.
       
       Die israelischen Streitkräfte haben in Iran bislang jene Fehler vermieden,
       [7][die sie im Gazastreifen begingen]. Martialische Drohungen – „Teheran
       wird brennen“ (Verteidigungsminister Israel Katz) – bewahrheiteten sich
       nicht. Aber auch aus der Sackgasse im Gazakrieg muss Israel nun bald
       herausfinden.
       
       ## Die arabischen Player
       
       Die Schlüssel für eine dauerhafte Friedensordnung in Nahost halten jedoch
       auch Israels arabische Nachbarn in ihren Händen. Aber sind Ägypten und
       andere arabische Staaten dauerhaft willens und bereit, den gegen Israel und
       den Westen gerichteten Extremismus zu bekämpfen, anstatt ihn nur rhetorisch
       zu kaschieren und von sich umzulenken?
       
       Wer verhindert künftig, dass Organisationen wie Hamas oder Hisbollah erneut
       Territorien besetzen und militarisieren und dafür von Dritten finanziert
       werden?
       
       Für eine [8][allseits geforderte Zweistaatenlösung] bräuchte es
       Mechanismen, die garantierten, dass ein an Israel angrenzendes Staatsgebiet
       nicht wieder zum Aufmarschgebiet gewaltbereiter Dschihadisten wird.
       
       27 Jun 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Najem-Wali-ueber-die-Zukunft-in-Nahost/!6052999
 (DIR) [2] /X-Auftritt-von-Ali-Chamenei/!6092931
 (DIR) [3] https://www.spiegel.de/international/world/john-bolton-on-what-trump-might-do-in-iran-for-trump-its-now-a-matter-of-saving-face-a-4c26dd51-5a78-4a69-ba25-b37ed0be4239
 (DIR) [4] /Israel-Iran-Krieg/!6091720
 (DIR) [5] https://iranhr.net/en/articles/7682/
 (DIR) [6] /Krieg-zwischen-Iran-und-Israel-/!6093110
 (DIR) [7] https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/israelischer-historiker-benny-morris-das-iranische-regime-ist-sehr-stark-110545634.html
 (DIR) [8] /Kultur-und-Kriege/!5987818
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Fanizadeh
       
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