# taz.de -- Filmemacherin über ihr Leben in Iran: „Die Widerstandsbewegung ist mächtiger als vor zehn Jahren“
       
       > Filmemacherin Maryam Ebrahimi berichtet über die Situtation im Iran. Und
       > wie sie es schafft, die Lage in ihrer Heimat zu dokumentieren.
       
 (IMG) Bild: Seit 2022 reißen die Proteste in Teheran nicht ab. Auch wenn das Regime sie mit aller Härte niederhält
       
       taz: Was bedeutet Freiheit für Sie, Frau Ebrahimi? 
       
       Maryam Ebrahimi: Freiheit ist das schönste Wort, das ich kenne, obwohl ich
       sie ja zeit meines Lebens nie wirklich erfahren habe: Ich bin kurz nach der
       islamischen Revolution in Iran aufgewachsen. Besonders als Frau habe ich in
       einer Gesellschaft gelebt, die extrem islamistisch geprägt war. Die
       Kontrolle weiblicher Körper war tief im Alltag verwurzelt. Auch als ich
       Iran verlassen habe, konnte ich diese Prägung nie abschütteln. Dieses
       Gefühl verfolgt mich bis heute.
       
       taz: Seit drei Jahren finden massive Proteste in Iran statt. Was hat sich
       seitdem verändert? 
       
       Ebrahimi: Auch vorher gab es schon einige Proteste. Mit dem Tod von Mahsa
       Amini bildete sich allerdings eine Welle der Solidarität, die so stark war,
       dass sich viele Menschen und Gruppierungen aus den unterschiedlichsten
       Richtungen ihr anschlossen – inklusive Personen, die das System vorher
       unterstützt hatten. Die Autoritäten können uns seitdem nicht mehr so
       einfach mit der Sittenpolizei verhaften lassen oder Frauen auf der Straße
       attackieren. Auch wenn sich entsprechende Gesetze noch nicht geändert
       haben, sind die Menschen selbstbewusster und stärker geworden und beugen
       sich nicht mehr so einfach.
       
       taz: Wie funktioniert Widerstand in einem unterdrückenden System und welche
       Rolle kann Kunst dabei einnehmen? 
       
       Ebrahimi: Menschen finden immer einen Weg, um sich gegen Normen und Werte
       zu wehren, die ihnen aufgezwungen werden. Nach der Revolution hat das
       iranische Kino zwar internationale Aufmerksamkeit erlangt, allerdings
       galten viele Filme als haram und mussten islamischer Propaganda weichen.
       Musik wurde ebenfalls verboten, genauso wie die Stimmen iranischer Frauen.
       Aber vielleicht hat sich gerade deswegen eine beeindruckende Kunstszene im
       Untergrund entwickelt. Eine Form des Widerstands und eine Botschaft an das
       System: Wir sind da und werden unter allen Umständen weitermachen.
       
       taz: Haben Sie Angst bei den Dreharbeiten zu Ihren Filmen? 
       
       Ebrahimi: Angespannt bin ich immer, wenn ich in Iran filme. Eine Situation
       ist mir besonders im Gedächtnis geblieben. Damals habe ich für einen Film
       über den Krieg zwischen Iran und Irak gedreht. Wir haben in einer Region
       gearbeitet, in der es strengstens verboten war zu filmen. Als Frau wurde
       ich sowieso direkt verdächtigt, Propaganda gegen den Staat zu verbreiten.
       Deswegen bin ich im Auto sitzen geblieben und habe von dort aus meinen
       Kameramann angeleitet. Mit seinem eher konservativen Aussehen konnte er
       sich dort freier bewegen, während ich ihm jede einzelne Einstellung am
       Telefon erklärte.
       
       taz: Sie leben in Schweden. Wie nehmen Sie die europäische Sicht auf Ihre
       Heimat wahr? 
       
       Ebrahimi: Die Welt wurde Zeuge des Widerstands der iranischen Menschen. Es
       ist klar geworden, dass nicht alle Iraner:innen dem Regime blind folgen.
       Dieses Narrativ einer kleinen mächtigen Elite wurde als Lüge entlarvt.
       
       taz: Was wünschen Sie sich von den Menschen in Europa? 
       
       Ebrahimi: Seit 40 Jahren leben die Menschen in Iran unter der Last eines
       totalitären Systems. Es ist wichtig, dass die Europäer:innen das
       anerkennen und sich solidarisieren. Besonders in einer Zeit, in der
       europäische Regierungen weiterhin mit der Islamischen Republik Politik
       machen – einem System, das Menschen exekutiert, foltert und mundtot macht.
       
       taz: Was lässt Sie trotzdem hoffen? 
       
       Ebrahimi: Ich habe das Gefühl, dass wir kurz davor sind, einen echten
       Wandel in der iranischen Gesellschaft zu erleben. Viele Menschen haben in
       den vergangenen Jahren im Protest ihr Leben verloren. Trotzdem sehen wir,
       dass Bewegungen, Frauen, Studierende und Arbeiter:innen stärker
       geworden sind. Die kollektive Widerstandsbewegung ist heute weitaus
       mächtiger als noch vor zehn Jahren. Ich hoffe auf eine Transformation des
       Systems, die den Menschen mit all ihren Rechten zugutekommt.
       
       29 Nov 2025
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nele Beste
       
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