# taz.de -- Jürgen Trittin über den Fiskalpakt: „War das unverantwortlich?“
       
       > Der Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin verteidigt sein Ja zum Fiskalpakt
       > in Europa gegenüber Kritikern in der eigenen Partei. Und äußert den
       > Wunsch nach Neuwahlen.
       
 (IMG) Bild: Sparen ist eine Tugend, das wissen wir spätestens seit dem Weltspartag.
       
       taz: Herr Trittin, stimmt es, dass Kanzlerin Merkel mit Neuwahlen gedroht
       hat, falls die Opposition dem Fiskalpakt nicht zustimmt? 
       
       Jürgen Trittin: Leider nicht. Neuwahlen hätten wir sofort mitgemacht. Aber
       Angela Merkel kennt die Umfragen: Rot-Grün hat eine Mehrheit.
       
       Nach der Einigung zwischen Regierung und Opposition schreiben nun alle
       Zeitungen: „Sieg für Merkel“. 
       
       Wieso Sieg? Die deutsche Regierung muss ihre bisherige Analyse der
       Eurokrise als Staatsschuldenkrise in den Schrank stellen. Stattdessen
       stellt sie per Beschluss fest, dass es sich um eine Finanzkrise handelt.
       
       Es werden neue Steuern, die Finanztransaktionssteuer, eingeführt, und statt
       zu sparen, wird Geld für Investitionen ausgegeben.
       
       Die Finanztransaktionssteuer ist nicht Ihr Erfolg, sondern von der
       Regierung längst in der mittelfristigen Finanzplanung eingeplant. 
       
       Da stand sie, weil die Ablehnung in der Koalition sowieso gesichert war.
       Nach 20 Jahren Kampf haben wir das nun durchgesetzt.
       
       Die Links-Grünen nennen Sie „unverantwortlich“. Reinhard Bütikofer und Sven
       Giegold sagen, das Europäische Parlament wird ausgehebelt.
       Flügelübergreifend herrscht Empörung, weil Sie ohne Rücksprache verhandelt
       haben. 
       
       Was ist unverantwortlich an europäischen Schuldenbremsen? Beim Fiskalpakt
       wird im Kern doch nur in nationales Recht übertragen, was bereits heute
       europäische Rechtslage ist. Dieses Europa loben die gleichen Grünen. Die
       NRW-Grünen haben gerade voller Stolz eine Schuldenbremse in die
       Landesverfassung geschrieben. War das unverantwortlich?
       
       Die Botschaft des Fiskalpakts ist: Die Staaten müssen sparen. Sparen aber
       verschärft die Rezession, wie Griechenland und Spanien zeigen. 
       
       Mit dem Kompromiss zwischen Opposition und Regierung wurde gerade ein
       Kurswechsel weg von dieser einseitigen Sparpolitik erkämpft. Der Fiskalpakt
       wurde um eine andere Steuerpolitik und um Wachstumsinvestitionen ergänzt.
       
       Außerdem entfaltet er selbst seine Wirkung nicht vor 2014. Die jetzige
       Rezession und die jetzigen Sparvorgaben haben damit nichts zu tun. Und
       Schuldenbegrenzung führt auch zu Sinnvollem: Wenn die Kommission jetzt
       Frankreich die Einführung von Ökosteuern vorschlägt, kann ich das nicht
       falsch finden.
       
       Die Grünen forderten einen „Altschuldentilgungsfonds“, damit die Zinsen für
       Spanien und Italien sinken. Jetzt kommt der Fiskalpakt – ohne Fonds. 
       
       Stimmt. Da konnten wir die Blockade der Bundesregierung nicht durchbrechen.
       Das führt aber nicht zur Ablehnung des Fiskalpaktes. Das ist mir zu
       taktisch und zu wenig europäisch. Der Schuldentilgungspakt würde ohne
       Schuldenbremsen nicht funktionieren. Im Übrigen wird der Druck der Krise
       die Bundesregierung zum Handeln zwingen. Da kommt Angela Merkel mit ihrer
       Verweigerungshaltung vom Regen in die Traufe. Wenn man eine Pleite von
       Spanien und Italien verhindern will, aber den Altschuldentilgungsfonds
       ablehnt – dann bleibt nur noch die Europäische Zentralbank. Sie kann direkt
       Staatsanleihen aufkaufen, oder der Rettungsschirm ESM erhält eine
       Banklizenz und besorgt sich Geld bei der Zentralbank. So wird es kommen.
       
       Und wenn der Grünen-Länderrat den Fiskalpakt ablehnt? 
       
       Grüne sind für Investitionen, die Finanztransaktionssteuer, und 90 Prozent
       der grünen Wähler sind für den Fiskalpakt. So wird der Länderrat
       entscheiden.
       
       22 Jun 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) U. Herrmann
 (DIR) U. Winkelmann
       
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