# taz.de -- Thierry Philipponnat über die Finanzkrise: „Die Banken profitieren enorm“
       
       > Das Hauptproblem des Euro ist das absurde Verhältnis zwischen Banken und
       > Staaten in der Eurozone, sagt Thierry Philipponnat von Finance Watch.
       
 (IMG) Bild: Der Euro ist noch keine richtige Währung, meint der Finanzexperte.
       
       taz: Herr Philipponnat, welche Rolle spielen die Banken in der europäischen
       Schuldenkrise, sind sie die großen Bösewichte, als die man sie oft
       darstellt? 
       
       Thierry Philipponnat: Nein, das ist doch ein wenig komplizierter. Die
       Finanzkrise nach dem Zusammenbruch der Lehman Brothers in den USA im Jahr
       2008 hat viele europäische Banken in eine Schieflage gebracht, sie mussten
       deshalb von den Staaten gerettet werden. Außerdem hat die EU angefangen,
       den Finanzsektor zu reformieren. Doch letztlich hat man nur 5 Prozent von
       dem, was nötig gewesen wäre, umgesetzt, danach begann schon die
       Schuldenkrise.
       
       Wurde die Schuldenkrise von den Banken mitverursacht? 
       
       Nein, sie sind nicht die Hauptschuldigen, denn viele Banken sind selbst
       geschwächt. Das Hauptproblem ist das absurde Verhältnis zwischen den Banken
       und den Staaten in der Eurozone.
       
       Können Sie das erläutern? 
       
       Nun, die Banken finanzieren die Staaten, indem sie Staatsanleihen kaufen.
       Gleichzeitig zählen die Banken aber auf die Staaten, wenn sie Probleme
       haben und gerettet werden müssen. Dies ist ein Teufelskreis, wie man gerade
       in Spanien sieht. Zu Beginn dieses Jahres wurde dieser Teufelskreis sogar
       noch beschleunigt. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat den Banken eine
       Billion Euro zur Verfügung gestellt, damit sie weitere Staatsanleihen
       kaufen können.
       
       Das hat die Eurokrise doch eine Zeit lang gelindert. Was war daran
       schlecht? 
       
       Das ist wie ein Aufputschmittel: Das hilft kurz, verschlimmert aber die
       Abhängigkeit. Dabei profitieren die Banken enorm, doch die Staaten haben
       hinterher noch größere Probleme.
       
       Diesen Teufelskreis will die EU mit einer Bankenunion durchbrechen. Halten
       Sie das für einen guten Plan? 
       
       Die Idee ist erst einmal sehr interessant. Eine Bankenunion ist letztlich
       nichts anderes als eine Form der Fiskalunion. Letztlich macht eine
       Bankenunion nur Sinn, wenn man auf die Struktur der Banken Einfluss hat und
       das riskante Investmentbanking einschränken kann! Und dann stellt sich die
       Frage, ob Deutschland bereit ist, die spanischen Banken zu retten. Ich habe
       da Zweifel …
       
       Warum? 
       
       Nun, eines der Grundprobleme in der aktuellen Krise ist, dass die Banken
       sich hinter ihrem jeweiligen Land verschanzen. Die finanzielle Integration,
       die wir einmal in der Eurozone hatten, ist im Begriff zu verschwinden. Das
       führt unter anderem dazu, dass ein Euro nicht mehr überall gleich ist. Ein
       deutscher Euro ist nicht mehr wie ein spanischer Euro, wie es einmal
       geplant war. Ein Euro ist nur noch so viel wert wie der Staat, der dahinter
       steht.
       
       Woran liegt das, wir haben doch eine gemeinsame Zentralbank? 
       
       Nun, der Euro ist keine vollständige Währung. Der EZB fehlt die
       Möglichkeit, die Staatsschulden zu monetarisieren, also in Geld zu
       verwandeln – dabei ist das entscheidend für jede Währung. Großbritannien
       und Spanien haben vergleichbare hohe Staatsschulden, beide haben große
       Probleme mit ihren Banken. Doch die Renditen für Staatsanleihen liegen in
       London bei 1,5 Prozent, in Madrid zwischen 6 und 7 Prozent. Das liegt nicht
       etwa daran, dass die Spanier dümmer wären, sondern einzig und allein daran,
       dass der Euro noch immer keine vollständige Währung ist.
       
       1 Jul 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eric Bonse
       
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