# taz.de -- Von AfD bis Front National: Die Grenzdebilen Europas
       
       > Europas rechte Populisten fühlen sich vom Schweizer Votum bestätigt. Sie
       > mobilisieren gegen die Freizügigkeit des Schengen-Raums.
       
 (IMG) Bild: Grenzkontrolle im spanischen La Jonquera an der Grenze zu Frankreich.
       
       BERLIN taz | Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) gab sich
       nachdenklich und besorgt: „Ich glaube, das müssen wir alle ernst nehmen“,
       sagte der CDU-Politiker in seiner ersten Reaktion auf den Erfolg der
       Anti-Zuwanderungs-Initiative in der Schweiz. Die Bundesregierung ist wenig
       erfreut über den Ausgang des Schweizer Referendums. Man „respektiere“ das
       Ergebnis, erklärte Regierungssprecher Stefen Seibert am Montag, aber es
       werfe „erhebliche Probleme“ auf.
       
       Etwas aufgeschlossener zeigte sich der britische Premier David Cameron. Er
       könne das Abstimmungsergebnis verstehen, deutete er an. Es zeige „die
       wachsende Sorge“ über die Folgen der Personenfreizügigkeit in Europa, ließ
       Cameron am Montag über einen Sprecher erklären. Der britische Premier plant
       selbst, vor den Wahlen im Mai 2015 die britischen Einwanderungsregeln zu
       verschärfen.
       
       Die europäische Politik steht unter Druck. Drei Monate vor den Europawahlen
       liegen euroskeptische Rechtspopulisten wie die FPÖ in Österreich, der Front
       National in Frankreich und Geert Wilders in den Niederlanden in den
       Umfragen weit vorne. Bis zu einem Viertel der Abgeordneten des
       EU-Parlaments könnten nach der Wahl im Mai von rechtspopulistischen
       Parteien stammen, glaubt der grüne EU-Abgeordnete Jan-Philipp Albrecht, der
       kürzlich eine Studie zu dem Thema veröffentlichte.
       
       Durch das Schweizer Referendum fühlen sich die rechten Euroskeptiker
       bestätigt. „Das sind wunderbare Nachrichten für die Anhänger von
       staatlicher Souveränität und Freiheit in ganz Europa“, jubelte der
       Vorsitzende der antieuropäischen United Kingdom Independence Party (UKIP),
       Nigel Farage. Marine Le Pen vom französischen Front National (FN) tönte,
       der „Schweizer Sieg“ werde den „Willen der Franzosen“ bestärken, die
       „Masseneinwanderung zu stoppen und die Kontrolle über ihre Grenzen“
       zurückzuerlangen.
       
       Heinz-Christian Strache von der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei
       Österreichs (FPÖ) und Bernd Lucke von der euroskeptischen „Alternative für
       Deutschland“ brachten Volksabstimmungen in ihren eigenen Ländern ins Spiel.
       Und in den Niederlanden hat der Rechtspopulist Geert Wilders schon mal
       durchgerechnet, dass ein EU-Austritt seinem Land angeblich weit besser
       bekommen würde als die weitere Mitgliedschaft in der Union.
       
       ## Illegale Einwanderung und organisierte Kriminalität
       
       Vor allem die zunehmende Freizügigkeit innerhalb Europas ist den
       Rechtspopulisten ein Ärgernis, gegen das sie mobil machen. Zum Teil mit
       Erfolg: Als erstes europäisches Land hat Dänemark im Mai 2011 für eine
       Rückkehr zu permanenten Kontrollen an den Grenzen zu Deutschland und
       Schweden gestimmt – angeblich, um so illegale Einwanderung und organisierte
       Kriminalität zu bekämpfen.
       
       Die Initiative zu diesem Angriff auf das Schengen-Abkommen war von der
       Dansk Folkeparti (DF) ausgegangen. Die Rechtspopulisten hatten zehn Jahre
       lang eine Mitte-rechts-Minderheitsregierung gestützt, bevor diese im
       September 2011 abgewählt wurde.
       
       Großbritannien und Irland sind dem Schengen-Vertrag noch nicht beigetreten,
       für diese beiden Länder gelten Ausnahmeklauseln. Dennoch hat auch der
       britische Premier David Cameron den Kampf gegen zu viel Freizügigkeit in
       Europa zur Chefsache erklärt. In einer Grundsatzrede kündigte er im März
       2013 an, die Ansprüche auf Arbeitslosengeld und andere Sozialleistungen für
       Rumänen und Bulgaren einzuschränken und eine Einwanderung in die
       Sozialsysteme zu verhindern.
       
       ## Bettler ausweisen
       
       Im November legte er noch einmal nach und kündigte an, EU-Bürger, die in
       Großbritannien betteln oder im Freien übernachten, auszuweisen und erst
       nach einem Jahr wieder einreisen zu lassen. Anspruch auf Sozialleistungen
       sollen EU-Bürger erst nach drei Monaten haben.
       
       Solche Forderungen decken sich mit denen der CSU, die schon öfters gegen zu
       viel europäische Freizügigkeit Stimmung gemacht hat. Schon im April 2011
       forderte Ex-Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) mehr Binnenkontrollen,
       um die illegale Wanderung von Flüchtlingen aus dem Süden Europas zu
       stoppen.
       
       Die Möglichkeit zu Grenzkontrollen innerhalb Europas solle es nicht nur,
       wie im Schengen-Vertrag festgelegt, bei Fußballspielen und anderen
       Großereignissen geben – „sondern auch, wenn Mitgliedsländer ihre Pflichten
       nicht mehr erfüllen“, sagte er damals mit Blick auf Griechenland. Später
       drohte er sein Veto gegen die volle Freizügigkeit für Rumänien und
       Bulgarien an.
       
       Als diese zum Jahreswechsel 2014 in Kraft trat, machte sich seine Partei
       für harte Maßnahmen gegen eine angeblich massenhaft drohende
       Armutsmigration stark. Einige dieser Forderungen finden sich aber jetzt
       schon im Koalitionsvertrag.
       
       11 Feb 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Bax
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schengen-Raum
 (DIR) Europa
 (DIR) rechte Parteien
 (DIR) Schweiß
 (DIR) Schwerpunkt AfD
 (DIR) Schwerpunkt Rassemblement National
 (DIR) Junge Alternative (AfD)
 (DIR) Wien
 (DIR) Schwerpunkt AfD
 (DIR) Schwerpunkt Rassismus
 (DIR) Europawahl
 (DIR) Referenden
 (DIR) José Manuel Barroso
 (DIR) Rechtspopulismus
 (DIR) Schweiß
 (DIR) Schweiß
 (DIR) Schweiß
 (DIR) Schweiß
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Britische Konservative und AfD in der EU: In bester Gesellschaft
       
       Die britischen Tories sind Schwesterpartei der CDU und waren lange in
       derselben EU-Fraktion. Jetzt arbeiten sie ausgerechnet mit der AfD
       zusammen.
       
 (DIR) Kommunalwahlen in Frankreich: „Entteufelte“ Rechte in die Rathäuser
       
       Der rechtsextreme Front National hat bei den französischen Kommunalwahlen
       gute Chancen. Vor allem in Städten mit ökonomischen Problemen.
       
 (DIR) Zehn Kampagnen für die Junge AfD: Ich bin nicht sexy...
       
       Mit der Kampagne „Ich bin keine Feministin ...“ sorgte der AfD-Nachwuchs
       erstmals für Furore. taz hat weitere Ideen für eine zukunftsweisende
       Politik.
       
 (DIR) Akademikerball-Gegner bleibt in Haft: In dubio contra reum
       
       Josef S. protestierte in Wien gegen ein rechtes Treffen. Er ist seit sieben
       Wochen inhaftiert, obwohl die Polizei keine Beweise für ihre
       Anschuldigungen vorlegt.
       
 (DIR) AfD vor der EU-Wahl: Auf rechtem Pfad nach Brüssel
       
       Die Alternative für Deutschland befragt ihre Basis – die Antwort ist eine
       Absage an Europa. Die Mitglieder fordern den Austritt der Krisenländer aus
       dem Euro.
       
 (DIR) Ex-Tennisprofi Yannick Noah: Singender Wutbürger
       
       Frankreichs Ex-Tennisstar Yannick Noah hat ein Lied gegen den rechten Front
       National geschrieben. Marine Le Pen reagiert darauf verschnupft.
       
 (DIR) AfD Sachsen steuert ins Braune: Gegen Moscheen, für Deutsch-Quote
       
       Zum Landtagswahlkampf gibt sich die sächsische AfD stramm rechts und bietet
       Skurrilitäten. Ein Vorgeschmack auf das Europaprogramm der Partei?
       
 (DIR) Regisseur über Schweizer Volksentscheid: „Zu 80 Prozent gegen die Deutschen“
       
       Theatermacher Milo Rau erklärt, die Linken haben den „Opferdiskurs“
       abgegeben. Davon profitieren die Rechten und ihr identitäres Projekt.
       
 (DIR) Nach Volksabstimmung in der Schweiz: Barroso mahnt zur Freizügigkeit
       
       Die Verträge mit der EU seien einzuhalten, fordert der
       EU-Kommissionspräsident. Die Schweiz beschwichtigt: Die Freizügigigkeit
       werde nicht sofort enden.
       
 (DIR) Rechtspopulisten in England: Manchester Divided
       
       Wythenhawe bei Manchester ist traditionelles Labour-Terrain. Doch bei den
       Nachwahlen zum Unterhaus holen die Rechten der Ukip auf.
       
 (DIR) Kommentar Schweizer Referendum: Schleichender Selbstmord
       
       Den eigenen Wohlstand will man in der Schweiz nicht mit zu vielen
       Zuwanderern teilen. Und diese Angst gibt es auch in linken und liberalen
       Milieus.
       
 (DIR) Reaktionen auf Schweizer Abstimmung: Abschottung und Platzangst
       
       Die spinnen, die Schweizer: Die Reaktionen auf die Abstimmung zur
       Zuwanderung reichen von Bestürzung in der EU bis zur Freude bei den
       Rechten.
       
 (DIR) Schweizer Volksinitiative zu Zuwanderung: Der größte Sieg der Populisten
       
       Die Schweizerische Volkspartei spielt den Volkstribun und unterstützt
       zugleich das konservative Establishment. Ihre Strategie: die Hetze gegen
       alles Fremde.
       
 (DIR) Abstimmung in der Schweiz: Ein Kreuz gegen Zuwanderung
       
       Mit denkbar knapper Mehrheit entscheiden die Schweizer sich für eine
       Beschränkung des Zuzugs von Ausländern. Das betrifft in hoher Zahl
       EU-Bürger.