# taz.de -- Reaktionen auf Schweizer Abstimmung: Abschottung und Platzangst
       
       > Die spinnen, die Schweizer: Die Reaktionen auf die Abstimmung zur
       > Zuwanderung reichen von Bestürzung in der EU bis zur Freude bei den
       > Rechten.
       
 (IMG) Bild: „Dichtestress“: Die Einreise in die Schweiz beginnt im Stau.
       
       BERLIN taz | Mit sehr knapper Mehrheit hat die Volksabstimmung in der
       Schweiz für die Begrenzung der Zuwanderung entschieden. Dieses Ergebnis
       sorgt europaweit für aufgeregte Debatten. Politiker sprechen über den
       Zusammenhalt in Europa, über den Aufstieg der Rechtspopulisten und über
       mögliche Folgen innerhalb der EU. Doch auch abseits der Politik äußern die
       Menschen Empörung über die Abschottungspolitik der Schweiz.
       
       “Die spinnen, die Schweizer!“, schreibt SPD-Parteivize Ralf Stegner auf
       Twitter. Damit habe er das Ergebnis der Abstimmung gemeint, [1][erklärt die
       tagesschau]. „Geistige Abschottung kann leicht zur Verblödung führen“, fügt
       er hinzu.
       
       Viviane Reding, Vizepräsidentin der Europäische Kommission kritisiert, dass
       die Schweiz nur die Vorteile der Europäischen Union für sich in Anspruch
       nehmen wolle. „Der gemeinsame Wirtschaftsraum ist kein Schweizer Käse“,
       erklärt sie gegenüber der Financial Times. Er funktioniere nicht, wenn er
       durchlöchert sei.
       
       Die [2][belgische Zeitung] [3][De Standaard] bringt die Empörung Seitens
       der EU auf den Punkt: „Brüssel bekommt den Mittelfinger gezeigt.„ 
       
       Der schweizer Politologe Pascal Sciarini erklärt hingegen [4][in der
       französischen Zeitung] [5][Le Monde], das Resultat der Abstimmung sei kein
       Verdikt gegen Europa, sondern gegen die Zuwanderung. „Würde man die gleiche
       Abstimmung in anderen Ländern durchführen, riskierte man ein ähnliches
       Resultat“, sagt Sciarini.
       
       Halina Wawzyniak von der Linken verteidigt jedoch das Prinzip der direkten
       Demokratie. [6][Auf facebook schrieb sie]: „das [7][#volksabstimmung] mal
       unsinn beschließt, ist kein argument gegen das instrument. [8][#schweiz]
       unsinn wird auch von parlamenten beschlossen.“
       
       Auch auf Twitter halten manche die Aufregung für übertrieben. [9][User
       kieliscalling] ‏‪ schreibt: „Warum die Aufregung? Geht es nach der CSU
       würden wir das gleiche machen. Oder ist es weil wir quasi die Rumänen der
       [10][‪#Schweiz] sind?“
       
       Die Empörung eignet sich zudem wunderbar für Schlagzeilen. [11][Ein
       Twitter-User kritisiert], dass ausgerechnet der Spiegel der Schweiz nun
       Angst vor Fremden vorwerfe – während er selbst Anfang der 90er gegen den
       „Ansturm der Armen“ polemisierte.
       
       Die [12][Berliner Zeitung verteidigt] die Ängste der Schweizer: „Wer sich
       hierzulande über die Angst vor Überfremdung mokiert, sollte zumindest
       bedenken, dass in der Schweiz der Ausländeranteil an der gesamten
       Wohnbevölkerung mit 23 Prozent fast dreimal höher ist als in Deutschland.
       Und was die Fremdbestimmung betrifft, machen sich die Schweizer zu Recht
       sorgen.“
       
       Die Ergebnisse der Abstimmung bestätigen diese These jedoch nicht. Gerade
       diejenigen Kantone mit einem besonders hohen Ausländeranteil haben sich
       deutlich gegen die Beschränkung der Zuwanderung ausgesprochen. Das zeigt
       eine Infografik, [13][die der Schweizer Blogger Martin Grandjean erstellt
       hat.] 
       
       Vor allem auf dem Land, wo die Menschen am wenigsten vom so genannten
       „Dichtestress“ betroffen sind, fand die Initiative am meisten Zustimmung,
       wie die [14][Aargauer Zeitung berichtet]: „Einen so deutlichen Graben
       zwischen Stadt und Land sowie zwischen Deutsch- und Westschweiz gab es
       schon lange nicht mehr.“
       
       Die Sartirepartei DIE PARTEI bietet einen Lösungsvorschlag an. „Schweiz
       raus aus Europa“, [15][fordert sie auf facebook]. Die so entstandene
       Freifläche könne als Parkplatz dienen und böte so mehr „Stellflächen für
       Zuwanderer“.
       
       Bei Europaskeptikern in Frankreich und Großbritannien löst der
       Volksentscheid Freude aus. Die Abstimmung stelle eine „positive Umkehr
       gegenüber den zerstörerischen Dogmen der ‚Grenzenlosigkeit‘ dar“, teilt die
       rechtsextreme französische Partei Front National [16][laut ZEIT mit]. Das
       Ergebnis werde auch den Willen der Franzosen bestärken, die
       „Masseneinwanderung zu stoppen und die Kontrolle über ihre Grenzen“ selbst
       zu übernehmen, heißt es weiter.
       
       Nigel Farage, Vorsitzender der antieuropäischen UKIP aus Großbritannien,
       sagt: „Das sind wunderbare Nachrichten für die Anhänger von staatlicher
       Souveränität und Freiheit in ganz Europa.“ Eine „weise und starke Schweiz“
       habe sich „gegen die Schikane und die Drohungen der ungewählten Brüsseler
       Bürokraten erhoben“, [17][erklärt er im Herald Scotland].
       
       Dass das Abstimmungsergebnis für die Rechtspopulisten bei den Europawahlen
       von Vorteil sein könnte, [18][befürchtet der Tagesspiegel]: „Ihre
       hetzerische Saat geht auf. Mit dem Referendum wird wahrscheinlicher, dass
       die Anti-Europäer am 25. Mai mit einem Viertel der Abgeordneten die größte
       Gruppe im Europaparlament stellen.“
       
       [19][Die Südostschweiz hält] das Abstimmungsergebnis für „rational fast
       nicht erklärbar“. Das nationale Selbstverständnis sei eine „Mischung aus
       Selbstüberhöhung und Minderwertigkeitskomplexen“. Die Folge seien diffuse
       Verlustängste, die von geschickten Politikern aus dem rechtsbürgerlichen
       Lager genutzt würden.
       
       Viele Stimmen warnen davor, dass das Schweizer Ergebnis Einfluss auf den
       Ausgang der Abstimmung in Großbritannien haben könnte. [20][Der Guardian
       weist] auf die unterschiedlichen Ausgangssituationen hin: „Die Schweiz ist
       nicht in der EU aber im Schengen-Raum, während Britannien ein EU-Mitglied
       ist, aber nicht Teil des Schengen-Systems.“ Trotzdem sei die
       Bewegungsfreiheit der EU-Bürger „eine zentrale Säule des gemeinsamen
       Wirtschaftsraumes der EU“ und beträfe sowohl die Länder der EU als auch die
       des Schengenraumes.
       
       10 Feb 2014
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.tagesschau.de/ausland/schweiz-volksabstimmung108.html
 (DIR) [2] http://m.basellandschaftlichezeitung.ch/news.htm?newsPos=127655223&cat=top
 (DIR) [3] http://m.basellandschaftlichezeitung.ch/news.htm?newsPos=127655223&cat=top
 (DIR) [4] http://www.lemonde.fr/europe/article/2014/02/09/en-suisse-un-vote-identitaire-contre-l-immigration-pas-contre-l-europe_4363137_3214.html
 (DIR) [5] http://www.lemonde.fr/europe/article/2014/02/09/en-suisse-un-vote-identitaire-contre-l-immigration-pas-contre-l-europe_4363137_3214.html
 (DIR) [6] http://www.facebook.com/Wawzyniak?hc_location=stream
 (DIR) [7] https://www.facebook.com/hashtag/volksabstimmung
 (DIR) [8] https://www.facebook.com/hashtag/schweiz
 (DIR) [9] http://twitter.com/kieliscalling/status/432805509981569024
 (DIR) [10] https://twitter.com/search?q=%23Schweiz&src=hash
 (DIR) [11] http://twitter.com/SebJabbusch/status/432783144044216320/photo/1
 (DIR) [12] http://www.berliner-zeitung.de/meinung/leitartikel-zur-zuwanderungsdebatte-festung-schweiz,10808020,26140210.html
 (DIR) [13] http://www.martingrandjean.ch/suisse-la-votation-sur-limmigration-en-un-graphique/
 (DIR) [14] http://www.aargauerzeitung.ch/blogs/der-aargauer/der-aargau-geplagt-von-dichtestress-127584269
 (DIR) [15] http://www.facebook.com/photo.php?fbid=1417587965153989&set=a.1396218357290950.1073741828.1396005897312196&type=1&permPage=1
 (DIR) [16] http://www.zeit.de/politik/2014-02/schweiz-einwanderung-reaktionen?utm_source=twitter_all
 (DIR) [17] http://www.heraldscotland.com/news/home-news/ukip-hails-swiss-decision-to-end-free-movement-deal-with-eu.1391974585
 (DIR) [18] http://www.tagesspiegel.de/meinung/schweizer-ja-zu-begrenzter-zuwanderung-es-geht-ein-geist-um-in-europa/9455998.html
 (DIR) [19] http://www.suedostschweiz.ch/politik/kommentar-insel-der-einsamen
 (DIR) [20] http://www.theguardian.com/world/2014/feb/09/swiss-referendum-immigration-quotas
       
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 (DIR) Dinah Riese
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