# taz.de -- Kommentar Rot-Rot-Grün in Thüringen: Wer hat Angst vorm roten Mann?
       
       > Konservative stilisieren Rot-Rot-Grün in Erfurt zur Gefahr. Was die
       > Gegenwart nicht hergibt, muss die Vergangenheit erfüllen.
       
 (IMG) Bild: Zum Verwechseln ähnlich. Bodo Ramelow (links) und Karl Max (noch weiter links)
       
       In der Merkel-Ära sind scharfe Konflikte Mangelware. Der Grundkonsens – von
       Mindestlohn bis Atomausstieg – war noch nie so groß, die Opposition noch
       nie so schwach. Die Entideologisierung hat mit der Großen Koalition ein Maß
       erreicht, das auch in der auf die politische Mitte fixierten Bundesrepublik
       erstaunlich ist. Wenn sich alle einig sind, ist die Rolle des Schurken
       unbesetzt.
       
       Das erklärt, warum Konservative Rot-Rot-Grün in Erfurt so wütend zur Gefahr
       stilisieren. Was die Gegenwart nicht hergibt, muss die Vergangenheit
       erfüllen. Aber ihnen steht, wenn Bodo Ramelow Ministerpräsident wird, wohl
       eine Enttäuschung bevor. Rot-Rot-Grün in Erfurt wird vor allem eins: eine
       normale Landesregierung.
       
       Der Koalitionsvertrag ist jedenfalls solide. Rot-Rot-Grün verspricht keine
       großen Würfe, sondern kleine Schritte. Man will den Mittelstand fördern und
       die katastrophale finanzielle Lage der Kommunen verbessern. Das von der CDU
       eingeführte Betreuungsgeld auf Landesebene wird eingestampft und durch ein
       kostenloses Kitajahr ersetzt: eine überfällige Modernisierung. Die
       Schuldenbremse setzt sowieso enge Grenzen.
       
       Dieser Koalitionsvertrag ist derart sozialdemokratisch gefärbt, dass etwas
       mehr links und grün nicht schlecht gewesen wäre. Dass eine Umweltministerin
       die Energiewende forcieren soll, ist erfreulich; das Ziel, das Land 2040
       komplett mit Öko-Energie zu versorgen, ehrgeizig.
       
       ## Keine Blaupause für den Bund
       
       Schade, dass die Grünen nicht auch Landwirtschaft verantworten und den
       Öko-Umbau der Agrarindustrie betreiben können. Denn SPD und Linke hängen
       immer noch an der „Big is beautiful“-Ideologie. Und: Es werden nur die
       V-Leute des Verfassungsschutzes – und vielleicht nicht alle – abgeschaltet.
       Das wirkt nach dem NSU-Skandal zaghaft. Besser wäre, wenn sich Linkspartei
       und Grüne mit der Idee, das Amt abzuschaffen oder wenigstens neu zu
       gründen, durchgesetzt hätten.
       
       Rot-Rot-Grün in Erfurt ist keine Blaupause für den Bund. Und auch der „rote
       Ring von Ländern ums schwarze Kanzleramt“, von dem Katja Kipping träumt,
       ist eine Seifenblase. Aber es kann zum Modell werden: ein Beweis, dass die
       politische Linke Konsens kann. Die Linkspartei hat sich klug bei der Zahl
       der Ministerien beschieden und SPD und Grünen weit mehr überlassen als
       üblich. Eine Mitte-links-Regierung, die offen, ambitioniert und stabil ist
       – das wäre etwas Neues.
       
       21 Nov 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Stefan Reinecke
       
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