# taz.de -- Organisation gegen Hass im Netz: USA-Einreiseverbot für HateAid
> Die US-Regierung spricht von Zensur und verhängt Einreiseverbote – auch
> gegen die Geschäftsführerinnen der deutschen Organisation HateAid.
(IMG) Bild: Anna-Lena von Hodenberg, eine der beiden Leiterinnen der HateAid
dpa | Die gegen Hass und Hetze im Internet eintretende deutsche
Beratungsstelle HateAid ist ins Visier der Regierung von US-Präsident
Donald Trump geraten. Die beiden Leiterinnen der gemeinnützigen
Organisation wurden ebenso wie drei andere Europäer wegen angeblicher
Zensur amerikanischer Online-Plattformen mit Einreiseverboten belegt, wie
das US-Außenministerium auf X mitteilte. In einer Stellungnahme sprachen
die HateAid-Geschäftsführerinnen Josephine Ballon und Anna-Lena von
Hodenberg von einem „Akt der Repression“. Auch die französische Regierung
reagierte empört.
„Wir sind nicht überrascht. Es ist ein Akt der Repression einer Regierung,
die zunehmend Rechtsstaatlichkeit missachtet und versucht, ihre Kritiker
mit aller Härte zum Schweigen zu bringen“, erklärten Ballon und von
Hodenberg auf dpa-Anfrage. Die US-Regierung versuche mit allen Mitteln zu
verhindern, dass sich US-Konzerne in Europa an geltendes Recht halten
müssen, und stelle damit „die europäische Souveränität infrage“. Mit diesem
Vorgehen sei eine neue Eskalationsstufe erreicht.
## Bundesverdienstorden für „radikale Aktivisten“?
Das von der US-Regierung am Dienstagabend (Ortszeit) verkündete
Einreiseverbot richtet sich nach offizieller Darstellung gegen „radikale
Aktivisten“ und Nichtregierungsorganisationen, die Zensurmaßnahmen durch
Drittstaaten vorangetrieben hätten. „Viel zu lange haben Ideologen in
Europa organisierte Bemühungen angeführt, um amerikanische Plattformen dazu
zu zwingen, amerikanische Standpunkte zu bestrafen, die ihnen nicht
passen“, [1][schrieb Außenminister Marco Rubio auf X]. Er drohte: Wenn es
keine Kurskorrektur gebe, werde die Liste der Sanktionierten noch länger.
Bundesjustizministerin Stefanie Hubig hat die Vorwürfe der US-Regierung als
inakzeptabel zurückgewiesen. „HateAid unterstützt Betroffene von
rechtswidriger digitaler Hassrede. Die Organisation leistet einen wichtigen
Beitrag dazu, dass Persönlichkeitsrechte auch im digitalen Raum geschützt
werden“, teilte die SPD-Politikerin in Berlin mit. „Wer das als Zensur
bezeichnet, stellt unser rechtsstaatliches System falsch dar“, fügte sie
hinzu.
HateAid unterstütze Betroffene, aber die Organisation selbst verbiete keine
Meinungsäußerungen, erklärte Hubig weiter. „Nach welchen Regeln wir in
Deutschland und in Europa im digitalen Raum leben wollen, wird nicht in
Washington entschieden“, betonte sie. Die Maßnahmen der Regierung von
US-Präsident Donald Trump „zeigen, dass das zivilgesellschaftliche
Engagement mächtigen Plattformen unbequem ist“. Die Geschäftsführerinnen
von HateAid, Josephine Ballon und Anna-Lena von Hodenberg, „haben unsere
Unterstützung und Solidarität“.
Das Ministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) fördert nach
eigenen Angaben seit 2020 eine bedarfsgerechte Beratung durch HateAid für
Betroffene von digitaler Gewalt. Die Entscheidung, ob und in welcher Höhe
Organisationen gefördert werden, treffe final der Haushaltsgesetzgeber,
also der Bundestag. Das Ministerium habe auf die Geschäftsführung von
HateAid keinen Einfluss.
HateAid bietet psychologische und rechtliche Unterstützung für Menschen an,
die im Internet diskriminiert, beleidigt, bedroht oder angegriffen werden.
Im Oktober wurde von Hodenberg für ihre Arbeit mit dem Bundesverdienstorden
ausgezeichnet. Damals hieß es, sie habe 2018 mit der Gründung von HateAid
Pionierarbeit geleistet und die erste bundesweite Beratungsstelle
geschaffen, an die sich Menschen bei Fällen von Gewalt im Netz wenden
können.
## „Die Völker Europas sind frei und souverän“
Vom US-Einreiseverbot betroffen ist auch der frühere französische
EU-Kommissar Thierry Breton, der als Architekt des Digital Services Act
gilt, mit dem Online-Plattformen in der EU reguliert werden. Das
Gesetzespaket und dessen praktische Anwendung – im Fall der Plattform X von
Rubio als „Attacke auf alle amerikanischen Tech-Plattformen und das
amerikanische Volk durch ausländische Regierungen“ bezeichnet – soll
verhindern, dass im Internet ein rechtsfreier Raum entsteht.
Breton verglich die US-Sanktionen mit der „Hexenjagd“ auf vermeintliche
Kommunisten zu Zeiten der berüchtigten McCarthy-Ära in den USA, in der
viele Menschen zu Unrecht ins Visier der Staatsgewalt gerieten. Auf der
Plattform X schrieb Breton: „An unsere amerikanischen Freunde: Die Zensur
findet nicht dort statt, wo ihr sie wähnt.“
Sowohl er als auch die französische Regierung erinnerten daran, dass der
Digital Services Act vom EU-Parlament und allen Mitgliedstaaten mit großer
demokratischer Mehrheit beschlossen worden sei. „Die Völker Europas sind
frei und souverän und lassen sich von anderen keine Regeln für ihren
digitalen Raum aufzwingen“, schrieb Frankreichs Außenminister Jean-Noël
Barrot auf X. Er verurteilte das Vorgehen der US-Regierung und betonte, das
europäische Gesetz finde in den USA gar keine Anwendung.
## US-Regierung nimmt Musk-Kritiker ins Visier
Sanktionen verhängte die US-Regierung auch gegen die Gründerin des
britischen Global Disinformation Index (GDI), Clare Melford, und gegen den
Gründer des in den USA und Großbritannien tätigen Center for Countering
Digital Hate (CCDH), Imran Ahmed. Der Brite lebt der Organisation zufolge
in Washington, ihm droht nun die Abschiebung aus den USA. Beide setzen sich
gegen Hass und Desinformation im Internet ein.
X-Eigentümer Elon Musk hatte das Center for Countering Digital Hate
vergangenes Jahr als „kriminelle Organisation“ bezeichnet. Das CCDH hatte
die von ihm verbreitete Behauptung, Trump solle durch Betrug bei der
US-Präsidentenwahl um den Sieg gebracht werden, als Desinformation
eingestuft.
Im Falle des Global Desinformation Index hatte Musk die Schließung der
Organisation gefordert, die unter anderem vor den Risiken generativer
Künstlicher Intelligenz (KI) warnt – ein wichtiges Geschäftsfeld des
Tech-Milliardärs. Die Organisation entlarvte auch Verschwörungsmythen rund
um das Attentat auf Trump im Juli 2024. Die UN-Organisation Unesco stuft
den GDI als „neutral, unabhängig und transparent“ ein.
## Europa als neues Feindbild
Rubio und andere US-Regierungsvertreter hatten in der Vergangenheit schon
mehrfach angebliche Internetzensur in Europa kritisiert. So löste etwa die
Entscheidung der EU-Kommission, der Plattform X wegen Transparenzmängeln
eine Strafe von 120 Millionen Euro aufzuerlegen, heftige Reaktionen in
Washington aus. Rubio kündigte danach an, die Tage der Online-Zensur für
Amerikaner seien vorbei.
Trump kritisierte die europäischen Digitalgesetze in der Vergangenheit als
wettbewerbsverzerrend. Sein Vize JD Vance sprach von angeblicher
Unterdrückung der Meinungsfreiheit in Europa, bei der vorwiegend politische
Positionen aus dem rechtskonservativen Spektrum zensiert würden.
Menschenrechtsorganisationen und Thinktanks, die sich für den Erhalt von
Rechtsstaat und Demokratie einsetzen, werfen hingegen der US-Regierung vor,
ihre Kritiker mundtot zu machen und unliebsame Meinungen mit Hilfe einer
auf Regierungskurs getrimmten Tech-Branche aus dem politischen Diskurs zu
verbannen.
## „Wir lassen uns nicht einschüchtern“
In seiner Sanktionsmitteilung warf das US-Außenministerium nun auch HateAid
vor, die Organisation sei nach der Bundestagswahl 2017 mit dem Ziel
gegründet worden, ein Gegengewicht zu „konservativen Gruppen“ zu bilden.
Die Antwort der beiden Gründerinnen, die eine politische Agenda von sich
weisen, fiel klar aus: „Wir lassen uns von einer Regierung nicht
einschüchtern, die Zensurvorwürfe instrumentalisiert, um diejenigen, die
sich für Menschenrechte und Meinungsfreiheit einsetzen, mundtot zu machen“,
hieß es in ihrer Stellungnahme. HateAid werde seine Arbeit mit aller Kraft
fortsetzen.
24 Dec 2025
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