# taz.de -- Hasskriminalität im Netz: Wenn die Opfer von der Strafe gar nichts mitbekommen
       
       > Beleidigungen und Drohungen im Netz anzuzeigen, bringe nichts, glauben
       > viele. Nur: Die Justiz teilt oft nicht mit, wenn es doch etwas bringt.
       
 (IMG) Bild: Berichtet wird, wenn es wie im Fall von Renate Künast (Die Grünen) um Beleidigung von Spitzenpolitikern und anderen Prominenten geht
       
       Manchmal ist sich die Justiz vielleicht auch selbst im Weg. Das ist die
       verblüffende Erkenntnis aus einer Podiumsdiskussion, zu der das
       niedersächsische Justizministerium eingeladen hatte. Thema: „Anzeige ist
       raus. Der mühsame Kampf gegen den Hass im Netz.“
       
       Auf dem Podium sitzen neben der Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD) die
       Influencerin und Autorin [1][Tara-Louise Wittwer], Franziska Benning,
       Leiterin der Rechtsabteilung bei [2][HateAid], und Oberstaatsanwalt Frank
       Laue, Leiter der [3][Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im
       Internet] bei der Staatsanwaltschaft Göttingen.
       
       Der gibt sich größte Mühe, die Fortschritte dieser
       Schwerpunkt-Staatsanwaltschaft hervorzuheben. 1.500 Anzeigen gingen dort in
       diesem Jahr schon ein, 5.500 Verfahren hat man insgesamt abgearbeitet. Die
       Identifizierungsquote bei den Tätern habe sich deutlich erhöht.
       
       Mit dem Online-Meldeportal [4][hassanzeigen.de] hat man eine
       niedrigschwellige Anzeigemöglichkeit geschaffen, bei der Screenshots und
       ähnliche Beweismittel gleich mit hochgeladen werden können. In bestimmten
       Fällen sind sogar anonyme Anzeigen möglich.
       
       ## Schlagzeilen produzieren bloß prominente Fälle
       
       Dies und auch die Möglichkeit, die private Anschrift aus der Akte
       herauszuhalten, sodass sie nicht über den Verteidiger beim Täter landet,
       waren Forderungen, die Betroffenenverbände schon lange immer wieder
       vorgebracht hatten.
       
       Was man auf hassanzeigen.de auch kann: Einen kleinen Regler nach rechts
       schieben, der dafür sorgt, dass man über den Ausgang des Verfahrens
       informiert wird. Das ist nämlich keine Selbstverständlichkeit.
       
       Üblicherweise wird der Anzeigesteller nur in zwei Fällen informiert: Wenn
       das Verfahren eingestellt wird, bekommt man Post von der
       Staatsanwaltschaft. Wenn es zu einer Gerichtsverhandlung kommt, wird man
       manchmal als Zeuge geladen.
       
       Die allermeisten Verfahren in Sachen Hass und Hetze im Netz werden
       allerdings per Strafbefehl erledigt. In diesem Fall wird zwar der Täter mit
       einer Geldstrafe oder Sozialstunden zur Rechenschaft gezogen – das Opfer
       erfährt davon aber nie etwas.
       
       „Das ist uns auch erst durch die Gespräche mit Hate Aid klar geworden, dass
       das ein Problem ist“, räumt der Oberstaatsanwalt auf dem Podium ein.
       Möglicherweise trägt das aber dazu bei, dass viele glauben, eine Anzeige
       bringe nichts.
       
       Und auch dazu, dass es in der medialen Öffentlichkeit zu einer ziemlich
       schiefen Wahrnehmung kommt: Berichtet wird, wenn es im Zusammenhang mit der
       Beleidigung von Spitzenpolitikern und anderen Prominenten zu
       Hausdurchsuchungen oder Prozessen kommt.
       
       Man denke nur an den [5][Rentner, der Robert Habeck als Schwachkopf]
       beleidigte, das [6][Pimmel-Gate von Innensenator Andy Grote], die
       [7][unflätigen Beleidigungen gegenüber Renate Künast], was durch mehrere
       Instanzen ging. Oder auch die umstrittene Hausdurchsuchung, die jüngst
       [8][dem konservativen Medienwissenschaftler Norbert Bolz] angedroht wurde,
       weil man NS-Parolen nicht einmal ironisch gebrauchen darf.
       
       Die x-te Vergewaltigungsandrohung oder rassistische Beleidigung einer
       jungen Kommunalpolitikerin produziert dagegen keine Schlagzeilen mehr. Und
       ob es bestraft wurde oder nicht, erfährt man im Zweifel auch nicht.
       
       Das ist natürlich nicht der einzige Problempunkt, an dem es noch reichlich
       zu tun gibt. Die Weiterentwicklung von KI und Deepfakes wird neue Probleme
       schaffen. Immer noch ungelöst ist auch die Frage, wie man die Plattformen
       dazu bringt, sich an europäisches Recht zu halten.
       
       Und Ministerin Wahlmann wirbt im Bundesrat weiterhin für ein Gesetz gegen
       digitale Gewalt, mit dem es Betroffenen ermöglicht werden soll, die
       Löschung von Posts und die Sperrung von Accounts beim Amtsgericht zu
       beantragen – so ähnlich, wie es in Österreich schon möglich ist.
       
       30 Oct 2025
       
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