# taz.de -- EU-Gipfel vor Weihnachten: Schicksalstage für Europa
       
       > Am Donnerstag treffen sich die Chef:innen der 27 EU-Mitgliedsländer in
       > Brüssel. Dort sollen die Regierungschefs das Reparationsdarlehen für die
       > Ukraine beschließen.
       
 (IMG) Bild: Ein rauer Wind weht derzeit in und um die EU herum
       
       Höher kann man die Erwartungen kaum hängen. Aus Sicht der deutschen
       Regierung steht Europa in dieser Woche vor einer „Schicksalswoche“. Wenn
       sich die Staatschef:innen der 27 EU-Mitgliedsländer am Donnerstag zum
       Gipfel treffen, dann stehen zwei Themen auf der Tagesordnung, die aus
       deutscher Sicht jetzt beschlossen werden müssen: das
       [1][Freihandelsabkommen mit den südamerikanischen Mercosur-Ländern] und die
       Verwendung der eingefrorenen russischen Vermögen zugunsten der Ukraine.
       
       Das Freihandelsabkommen wird immerhin schon seit 26 Jahren verhandelt,
       während die Idee, die rund 200 Milliarden Euro, die vor allem die russische
       Zentralbank in Europa geparkt hat, der Ukraine zur Verfügung zu stellen,
       relativ neu ist. Der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz griff im
       September eine Idee der EU-Kommission auf und schlug in einem Gastbeitrag
       vor, das russische Geld für ein „Reparationsdarlehen“ an die Ukraine zu
       verwenden.
       
       Die Idee dahinter: Russland bleibt formal Eigentümer, wird aber gezwungen,
       seine in Europa gebunkerten Guthaben an die Europäische Kommission zu
       vermieten. Die reicht das Geld in Form von Krediten an die Ukraine weiter,
       die davon vor allem Waffen kauft, um sich gegen Russland zu verteidigen.
       Sollte Russland nach Kriegsende Reparationen zahlen (was als wenig
       wahrscheinlich gilt) müsste die Ukraine das Geld zurückzahlen. Ansonsten
       könnte sie das Geld als Wiedergutmachungsvorschuss verbuchen.
       
       Juristisch betritt man Neuland, auch politisch ist der Vorschlag nicht ohne
       Risiko: Parkt künftig kein Schurkenstaat in spe mehr sein Geld in Europa?
       Merz’ Vorgänger Olaf Scholz fürchtete – nicht zu Unrecht –, dass das
       Vertrauen in den europäischen Finanzplatz erschüttert und die Stabilität
       des Euro gefährdet würde.
       
       ## Geld oder Diktatfrieden
       
       Aber nun geht der Ukraine und ihren Verbündeten das Geld aus – und die USA
       unter Donald Trump haben ihrerseits ein Auge auf die russischen Vermögen
       geworfen und wollen ihrem 28-Punkte-Plan zufolge 100 Milliarden Dollar
       davon „in von den USA geführte Wiederaufbau- und Investitionsmaßnahmen in
       der Ukraine“ investieren. Die Hälfte der Gewinne flösse dann in die USA.
       
       Im Wettlauf gegen die Zeit und [2][den einstigen Verbündeten] sollen die
       EU-Oberhäupter nun auf maßgeblichen Druck Deutschlands am Donnerstag das
       Reparationsdarlehen beschließen. Das sei „zentral für die
       Überlebensfähigkeit der Ukraine, für unsere Sicherheit, aber natürlich auch
       für die politische Handlungsfähigkeit der Europäischen Union“, sagte ein
       hochrangiger deutscher Regierungsvertreter am Dienstag in Berlin. Und
       betont, dass es sich nicht um eine Enteignung handle. Einen Plan B gäbe es
       nicht.
       
       Zu überzeugen [3][gilt es nicht nur Belgien, wo der Großteil des Geldes
       beim Finanzdienstleister Euroclear liegt], sondern auch Italien. Ohne
       Giorgia Meloni, die die drittgrößte Volkswirtschaft der EU vertritt, ist
       die erforderliche qualifizierte Mehrheit im EU-Rat nicht zu erreichen.
       
       Der SPD-Europaabgeordnete und Europarechtler René Repasi sagte der taz,
       dass es sich bei der Umnutzung der russischen Vermögen um einen
       Präzedenzfall handle, der aber aus seiner Sicht juristisch möglich sei.
       Komplizierter sei die politische Einigung, denn für den Fall, dass das Geld
       zurückgezahlt werden muss, würde jedes Mitgliedsland gemäß seiner
       Haushaltskraft haften. Repasi sieht aber ebenfalls keine Alternativen. „Es
       geht bei den russischen Vermögen nicht nur um eine Sachfrage, sondern
       darum, ob die EU Präsident Selenskyj signalisieren kann: Wir geben euch
       noch Luft zum Atmen.“ Falls das nicht klappe, drohe ein
       russisch-amerikanischer Diktatfrieden.
       
       Der Fraktionsvorsitzende der Europäischen Linken im Europaparlament, Martin
       Schirdewan, hält hingegen „größte Vorsicht“ für geboten. Die
       Beschlagnahmung von Staatsvermögen sei ein Präzedenzfall, der auf
       „wackeligen rechtlichen Füßen“ stehe. Er plädiert dafür, die Vermögen
       russischer Oligarchen zu nutzen und zusätzlich, wie schon zu Coronazeiten,
       gemeinsame europäische Schulden aufzunehmen und diese der Ukraine als
       Kredite zur Verfügung zu stellen.
       
       Aber auch diese Variante ist juristisch heikel. Die AfD hatte in der
       Vergangenheit [4][gegen gemeinsame Schulden geklagt, allerdings vor dem
       Bundesverfassungsgericht] verloren.
       
       16 Dec 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /EU-Handelsabkommen-mit-Mercosur/!6138227
 (DIR) [2] /Folgen-der-US-Sicherheitsstrategie/!6134632
 (DIR) [3] /Streit-um-russisches-Vermoegen/!6138133
 (DIR) [4] https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/bverfg-corona-aufbaufonds-schulden-eu-beteiligung-verfassungsbeschwerde
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anna Lehmann
       
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