# taz.de -- Ukraine-Gespräche in Berlin: Großer Schritt – oder nur eine Fußnote?
> In Berlin ringen Vertreter von USA, Nato und EU um die Zukunft der
> Ukraine. Gebietsabtretungen sollen nach wie vor auf dem Verhandlungstisch
> liegen.
(IMG) Bild: Das Tauziehen um sein Land geht weiter, aktuell auf Berliner Bühne: Selenskyj am Montag in Berlin
Sind die Berliner Gespräche ein entscheidender Schritt zu einem
nachhaltigen Waffenstillstand oder nur eine Fußnote im Ringen um ein Ende
des russischen Krieges gegen die Ukraine?
Selenskyi war bereits am Sonntagmorgen nach Berlin gekommen, seitdem sind
er und seine Delegation zweimal zu langen Verhandlungen mit dem
US-Sondergesandten Steve Witkoff und Jared Kushner, dem Schwiegersohn von
US-Präsident Donald Trumps zusammengekommen. Zunächst zum Frühstück in
einem Berliner Nobelhotel, später wechselten beide Seiten auf Einladung des
deutschen Bundeskanzlers ins Kanzleramt. Gastgeber Friedrich Merz zog sich
später zurück. Man unterstütze die Gespräche mit Ideen und Papieren, so
Merz' Sprecher Stefan Kornelius
Im Mittelpunkt der Berliner Gespräche stand der [1][sogenannte
20-Punkte-Plan], der den Weg zu einem Ende Krieges weisen soll. Der fußt
auf einem Plan, den die USA vor gut drei Wochen vorgelegt hatten und dem
zufolge die Ukraine auf einen Nato-Beitritt verzichten, ihre Streitkräfte
verkleinern und den gesamten Donbass an Russland abgeben sollte. Auf
Drängen Kyjiws und seiner europäischen Verbündeten wurde der Plan in
zentralen Punkten überarbeitet.
Doch einer der zentralen Streitpunkte bleibt nach wie vor die Abgabe der
Region Donbass im Osten der Ukraine an Russland, inklusive von Gebieten,
die die Ukraine bis heute hält. Medienberichten zufolge beharrten die
US-Unterhändler darauf, dass die Ukraine auf diese Gebiete verzichte,
offiziell bestätigt wurden diese nicht.
Die Positionen seien nach wie vor unterschiedlich, sagte Selenskyj dazu am
Montagabend. Dass die USA die Ukraine zu Gebietsabtretungen aufgefordert
haben, dementierte er in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Kanzler
Merz: „Ich bin nicht der Meinung, dass die USA etwas verlangt haben.“
Der Donbass ist nicht nur wirtschaftlich, sondern auch strategisch von
immenser Bedeutung für die Ukraine. Einer anderen russischen Forderung war
Selenskyj bereits am Sonntag nachgekommen: Wenn es ausreichende
Sicherheitsgarantien gebe, wäre er bereit, auf einen Nato-Beitritt seines
Landes zu verzichten. Am Montag allerdings folgte das Dementi:
Entsprechende Medienberichte seien „nicht wahr“, sagte ein mit den
Verhandlungen Vertrauter der Nachrichtenagentur afp.
Die Frage nach Sicherheitsgarantien bleibt also ein wichtiger Knackpunkt.
Wer sichert einen Waffenstillstand ab und gebietet Putin Einhalt, falls
diesem nach weiteren ukrainischen Territorien gelüstet? Europäische
Truppen, US-Soldaten, die Nato oder doch allein die ukrainische Armee?
Ob Berlin dabei mitreden kann, ist eng mit der Frage nach der [2][Nutzung
der eingefrorenen russischen Vermögen] für die weitere militärische
Unterstützung der Ukraine verbunden. Regierungssprecher Stefan Kornelius
unterstrich am Montagvormittag noch einmal, wie wichtig eine europäische
Einigung in dieser Frage sei. „Das ist der Hebel, den die Europäer anwenden
können, um in diesem Krieg Einfluss zu nehmen,“ sagte Kornelius. Er
erwarte, dass die Europäer dem Vorschlag des deutschen Bundeskanzler
folgen: Europas Glaubwürdigkeit stehe auf dem Spiel.
Merz' Vorschlag sieht vor, dass die EU einen Teil der russischen
Zentralbankgelder in Höhe von insgesamt rund 200 Milliarden Euro als
sogenannte Reparationsdarlehen für die finanzielle Unterstützung der
Ukraine nutzt. Unter den EU-Ländern ist unter anderem Belgien, Sitz des
Finanzdienstleisters Euroclear, wo das Geld gebunkert ist, gegen diesen
Plan. Man fürchtet finanzielle und rechtliche Vergeltung von Moskau. Doch
auch andere Mitgliedstaaten haben Bedenken angemeldet.
## „Demonstration der Geschlossenheit“?
An einer Einigung sollte am Montagabend weiter gearbeitet werden. Dafür
sollten zu einem Treffen zwischen Merz und Selenskyj weitere Gäste stoßen,
darunter EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen,
Nato-Generalsekretär Mark Rutte, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und
Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni. Unter anderem letztere galt es
noch zu überzeugen, damit von den Berliner Gesprächen tatsächlich, wie vom
Kanzleramt gewünscht, „eine Demonstration der Geschlossenheit“ ausgeht.
Unklar blieb bis zuletzt, ob die beiden amerikanischen Unterhändler zum
Abendessen im Kanzleramt blieben. „Die Einladung steht“, sagte Kornelius am
Mittag diplomatisch. Ein Ziel der Gespräche in Berlin sei es, den
Amerikanern klar zu machen, dass bei den Verhandlungen um die Ukraine auch
europäische Interessen auf dem Spiel stehen. Dabei sei die Frage der
Sicherheitsgarantien für die Ukraine zentral. Sie entscheide darüber, „ob
der Krieg tatsächlich zu einem Stillstand kommt oder wieder aufflammt“.
Unterdessen lehnt eine große Mehrheit der Ukrainer*innen die russischen
Bedingungen für ein Friedensabkommen ab. Das geht aus einer am Montag
veröffentlichten Umfrage des Kiewer Internationalen Instituts für
Soziologie (KIIS) hervor. Demnach sind für drei Viertel der Befragten
russische Forderungen nach Gebietsabtretungen, Verzicht auf
Sicherheitsgarantien oder Obergrenzen für die ukrainische Armee völlig
inakzeptabel. 72 Prozent der Ukrainer*innen wären demnach zu einer
Vereinbarung bereit, die die derzeitige Frontlinie als Grenze zwischen den
ukrainischen und russischen Herrschaftsbereichen festlegt und einige
Kompromisse enthält.
Die Frage wird nun sein, wie Russland eingebunden wird – dort zeigt man
bisher keine Bereitschaft zu verhandeln. US-Präsident Donald Trump kündigte
an, noch am Montagabend mit Selenskyj und europäischen
Spitzenpolitiker*innen telefonieren zu wollen. Insbesondere in der
Frage der Sicherheitsgarantieren ist man offenbar vorangekommen: Die USA
seien bereit, Sicherheitsgarantien zu geben, die Artikel 5 der Nato, also
der Beistandsverpflichtung, entsprächen, sagte Selenskyj am Abend.
Kanzler Merz sagte auf Nachfrage, ein Waffenstilland solle durch
substantielle materialle und rechtliche Garantien sowohl der USA und der
Europäer abgesichert werden. „Die Ukraine wird dadurch auf Dauer
verteidigungsfähig nicht nur aus eigener Kraft sondern auch mit
Unterstützung der verbündeten Staaten“. Was die USA zudem „an rechtlichen
und materiellen Garantien auf den Tisch gelegt haben ist wirklich
beachtlich“, sagte Merz weiter – ohne allerdings ins Detail zu gehen. Er
räumte ein, dass man noch lange nicht am Ziel sei. „Diese Verhandlungen
sind das Bohren dicker Bretter. Russland spielt auf Zeit und setzt seinen
Angriffskrieg fort.“ Gleichwohl strich er die „große diplomatische Dynamik“
heraus, die man in den vergangen zwei Tagen erlebt habe. Man habe „jetzt
die Chance auf einen echten Friedensprozess für die Ukraine“.
15 Dec 2025
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## AUTOREN
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