# taz.de -- Siedlergewalt im Westjordanland: Es gilt das Recht des Stärkeren
       
       > Seit Jahren ist das Leben im Westjordanland von Gewalt und Unrecht
       > geprägt. Die Lage spitzt sich immer weiter zu – und kaum jemand schaut
       > hin.
       
 (IMG) Bild: Israelische Siedler weiden ihre Schafe unter dem Schutz israelischer Streitkräfte auf palästinensischem Land, West Bank, 9.10.2025
       
       Als die Menschenrechtsorganisation Amnesty International 2022 von einer
       [1][„Apartheid“ in den palästinensischen Gebieten schrieb], gellte ein
       Aufschrei durch Deutschland. Von Antisemitismus war dann die Rede. Doch die
       NGO-Mitarbeiter*innen waren nicht plötzlich verrückt oder leichtsinnig
       geworden. Jeder, der mal mit Palästinenser*innen im Westjordanland
       unterwegs war, versteht, was damit gemeint ist.
       
       Seit 1967 ist das Westjordanland von Israel besetzt. Illegal besetzt, das
       hat der Internationale Gerichtshof jüngst bestätigt. Seit 1967 treibt die
       israelische Regierung den Bau von Siedlungen im Westjordanland voran.
       Illegal, unter internationalem Völkerrecht. Seit 30 Jahren entstehen im
       Westjordanland Außenposten von mehr oder weniger radikalen Siedler*innen.
       Illegal – sogar unter israelischem Recht. Und doch irgendwie werden sie
       jedes Jahr mehr.
       
       Zwei Rechtssysteme herrschen im Westjordanland: ziviles Recht für die
       Siedler*innen, Militärrecht für Palästinenser*innen. Zwei Verkehrssysteme
       auch. Wie lange eine Fahrt nach Masafer Yatta im südlichen Westjordanland
       dauert, hängt davon ab, welche Farbe das Autoschild hat. Ein System, das
       Siedler*innen schützt und ihnen das Leben in den völkerrechtswidrig
       besetzten Gebieten so angenehm wie möglich macht. Auch eines, das sie von
       den Palästinensern absondert und diese alltäglich benachteiligt.
       
       ## Die Siedlergewalt nimmt exponentiell zu
       
       Jahrelang hat die internationale Gemeinschaft die Lage ignoriert. Jetzt,
       unter der rechtsreligiösesten Regierung, die Israel je hatte, droht sie zu
       explodieren. Die Gewalt durch radikale Siedler [2][nimmt exponentiell zu].
       So viele Angriffe auf Palästinenser*innen wie im Oktober gab es in
       einem Monat noch nie seit 2006, [3][schreiben die Vereinten Nationen].
       
       So viele, dass sogar anonyme IDF-Offiziere sich [4][über die israelischen
       Presse darüber beschweren] – und die Schuld auf Polizei und Shin Bet
       schieben, die unter dem Druck von einflussreichen Ministern, Abgeordneten
       und Rabbinern untätig blieben. Dabei hatte Ex-Geheimdienstchef Ronan Bar
       2024 vor seiner Entlassung selbst geklagt: Jüdischer Extremismus sei im
       Westjordanland außer Kontrolle. Und auf Politiker*innen gezeigt, die
       radikale Siedler*innen legitimierten sowie die Polizei, die nicht genug
       täte.
       
       Es ist kein Geheimnis: Manche Minister*innen der jetzigen Regierung
       sind selbst Siedler*innen, vor drei Wochen hat das israelische Parlament
       einem Gesetzentwurf zugestimmt, um das Westjordanland zu annektieren.
       Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir hatte [5][im Juli angegeben], die
       Polizei belästige keine Siedler*innen mehr, seitdem er im Amt sei. Als
       ob sie sie davor traktiert hätte. Nach Daten der israelischen NGO Yesh Din
       enden seit 2005 94 Prozent der Polizeiuntersuchungen bei Verbrechen an
       Palästinenser*innen durch Israelis ohne Anklage.
       
       ## Es braucht die internationale Gemeinschaft
       
       Elemente der jetzigen Regierung und der politisch-religiösen Elite treiben
       jetzt auf die Spitze, was jahrelang unter der Oberfläche schlummerte.
       Siedlergewalt ist kein Einzelfall, sondern Teil einer radikalen Strategie,
       um Menschen zu vertreiben. Im Schatten des Gazakriegs und nach dem Schock
       des 7. Oktobers könnte diese besonders gedeihen. Man gewöhnt sich an die
       Zahlen: der Angriffe, der Verletzten, der Toten.
       
       Es ist das Recht des Stärkeren. Eine Lösung von der jetzigen israelischen
       Regierung zu erwarten, wäre utopisch. Sie muss von der internationalen
       Gemeinschaft kommen, den USA vor allem, Deutschland und Europa auch. Druck,
       Sanktionen im finanziellen und militärischen Bereich, die Liste der Mittel
       ist nicht unendlich lang, doch auch nicht zu kurz. Internationales Recht
       muss endlich auch im Westjordanland gelten.
       
       15 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.amnesty.de/sites/default/files/2022-08/Amnesty-Uebersetzung-Zusammenfassung-Bericht-Israels-Apartheid-against-Palestinians-2022.pdf
 (DIR) [2] /Gewalt-im-Westjordanland/!6129633
 (DIR) [3] https://www.ochaopt.org/content/humanitarian-situation-update-337-west-bank
 (DIR) [4] https://www.haaretz.com/west-bank/2025-11-11/ty-article/.premium/idf-reports-surge-in-west-bank-settler-attacks-says-police-and-shin-bet-looking-away/0000019a-71ae-dd25-a9be-75be96620000
 (DIR) [5] https://www.haaretz.com/israel-news/2025-07-31/ty-article/.premium/far-right-israeli-minister-brags-since-i-took-office-police-no-longer-harass-settlers/00000198-5d1a-dc50-a9bf-fd7b7fa60000
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Serena Bilanceri
       
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