# taz.de -- Schwarz-Rotes Rentenpaket: Auf falsche Fragen zur Rente folgen falsche Antworten
> Einigen wenigen Unionsabgeordneten gelang es, die Koalition existenziell
> zu bedrohen. Es zeigt, wie überfordert die Republik von der
> weltpolitischen Gesamtlage ist.
(IMG) Bild: Die „Rentenrebellen“: nichts anderes als altvertraute wirtschaftsliberale Politik entlang von Arbeitgeberinteressen
Die Diskussion über [1][die Rente] hat viele merkwürdige Züge, einer davon:
Die Forderungen der Jungen Union werden in der öffentlichen Wahrnehmung
moralisch erstaunlich überhöht, geradezu romantisiert – ganz so, als stünde
die Junge Union wirklich für die Generationengerechtigkeit, die sie für
sich reklamiert. Dabei weist darauf wenig hin.
Das Argument, dass das Beibehalten des Rentenniveaus über 2031 hinaus zu
teuer sei, entspricht nur der Forderung, die künftigen Rentenansprüche
aller zu kürzen, also auch die der heute Jüngeren. Im Ergebnis sollen die
Leute sich mehr selbst, also privat, um ihr Auskommen im Alter kümmern.
Damit macht die Junge Gruppe im Bundestag, die inzwischen den Kosenamen
[2][Rentenrebellen] trägt, nichts anderes als altvertraute
wirtschaftsliberale Politik entlang von Arbeitgeberinteressen.
Dass es einer überschaubaren Anzahl von Abgeordneten damit gelingt, die
komplette Republik in Atem zu halten und sogar den Fortbestand der
Koalition zu bedrohen – das zeigt erstens, wie miserabel die Kommunikation
zwischen Kanzler Friedrich Merz, Fraktionschef Jens Spahn und den Partei-
und Fraktionsgliederungen der Union funktioniert.
Es zeigt zweitens aber auch, wie sehr die Republik von der weltpolitischen
Gesamtgemengelage überfordert ist, dass das Thema Finanzierbarkeit der
Rente auf so verquere und falsch betonte Weise [3][in den Mittelpunkt
rückt]. Die künstliche Aufregung etwa über die Auftritte der
Arbeitsministerin Bärbel Bas bei den Arbeitgebern und den Jusos erzeugt
dabei einen dramatischen Feuerschein, der die Lage zusätzlich verzerrt.
## Tief gesunken
Dabei ist die Finanzsituation aktuell erst einmal nicht besonders
besorgniserregend. Der Rentenbeitrag liegt seit 2018 bei 18,6 Prozent. 1998
war er schon einmal bei 20,3 Prozent, 2007 bis 2011 bei 19,9 Prozent. Das
Beitragsniveau ist also über die Zeit eher gesunken und seit Längerem
stabil, obwohl der Anteil der Über-65-Jährigen an der Bevölkerung stetig
gestiegen ist. Doch die Zuwanderung und die zunehmende Erwerbstätigkeit von
Frauen haben die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten
erhöht, und natürlich wurden die Rentenansprüche bereits erheblich
beschnitten.
Dank dieser Kürzungen ist das Rentenniveau in Deutschland tief unter den
Schnitt der industriellen Vergleichsländer gesunken, wie gerade etwa die
OECD wieder feststellte: Die deutschen Renten sind deutlich unter
Mittelmaß, und das gilt noch einmal mehr für GeringverdienerInnen. Soll
heißen: Die drittgrößte Exportnation der Welt leistet sich ein mageres und
unausgewogenes Rentensystem.
Die Frage, die jetzt von der neuen Rentenkommission zu bearbeiten ist, kann
daher unmöglich von einer weiteren Senkung der Leistungen handeln. Sie muss
davon handeln, wie mit den bevorstehenden Veränderungen am Arbeitsmarkt so
umzugehen ist, dass das System gerechter wird und Lasten gleichmäßiger
verteilt werden. Denn tatsächlich wird es für alle Sozialsysteme schwierig,
wenn in den kommenden Jahren mehr Beschäftigte aus dem Arbeitsmarkt
ausscheiden als nachwachsen oder einwandern.
Auch hierzu werden allerdings dramatisierende Zahlen verbreitet: Ja, die
Boomer gehen in Rente, und das sind viele. Aber die Erfahrungen der
vergangenen Jahrzehnte zeigen, dass sich Abgänge vom Arbeitsmarkt auch
kompensieren lassen. Die drittgrößte Exportnation müsste dann allerdings
dafür sorgen, dass Bildung und Ausbildung auch so funktionieren, dass
ebenso qualifizierte FacharbeiterInnen nachkommen, wie jetzt bald gehen.
Sie müsste sich eingestehen, dass das deutsche Erfolgsmodell – grob
zusammengefasst: unter dem Schutz der USA mit russischem Gas
Verbrennerautos für China bauen – jetzt am Ende ist. Es braucht neue,
bessere Ideen für ein nachhaltiges und selbstverantwortliches Wirtschaften.
Dazu hört man von der Arbeitgeberseite leider ebenso wenig wie von der
Jungen Union. Sie beherrschen nur den alten Song vom teuren Sozialstaat.
Zu glauben, dass mit der Senkung des Rentenniveaus ein Wohlstand gerettet
werden könnte, der auf einem überkommenen Geschäftsmodell beruht, ist
absurd. Insofern führen Junge Union und Arbeitgeberlager eine Rentendebatte
wie der Mann, der laut jammernd unter der Straßenlaterne seinen Schlüssel
sucht; auf die Frage, ob er den Schlüssel denn wirklich dort verloren habe,
sagt er: „Nein, da hinten. Aber da scheint kein Licht.“
Die Diskussion um Deutschlands künftigen Wohlstand spielt sich nun schon
seit Monaten in der Renten- und Sozialpolitik ab, weil ein politisches
Lager sich nur dort die vertrauten Antworten hin und her reichen kann. Es
sind falsche Antworten auf falsche Fragen.
6 Dec 2025
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## AUTOREN
(DIR) Ulrike Winkelmann
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