# taz.de -- Vorbilder im Rentenstreit: Das Prinzip Ströbele
> CDU-Fraktionschef Spahn will die Abweichler im Rentenstreit einzeln
> vorladen. Diese Methode erinnert an den Krimi um den Afghanistan-Einsatz
> 2001.
(IMG) Bild: Nein, ja, nein, ja, nein, ja, nein, ja: Abstimmung zum Afghanistan-Einsatz im Bundestag am 16. November 2001
Im November 2001 bombardierten die [1][USA Afghanistan], um nach 9/11 die
Taliban zu stürzen. [2][Kanzler Gerhard Schröder] und der grüne
Außenminister Joschka Fischer wollten die USA mit 4.000 Bundeswehrsoldaten
unterstützen. Doch acht Grüne, darunter Christian Ströbele, hielten das für
falsch. Der US-Krieg werde den Terror nicht bekämpfen, sondern noch mehr
Gewalt erzeugen – eine vollkommen zutreffende Einschätzung. Damit fehlte
Rot-Grün eine eigene Mehrheit für die Entsendung der Bundeswehr. Kanzler
Schröder ließ durchblicken, dass die SPD auch mit der FDP regieren könne.
Es kam, wie jetzt im Rentenstreit bei Schwarz-Rot, zum Showdown.
Die grünen Dissidenten wurden, wie die Jung-Unionisten heute, von der
Fraktionsspitze in Einzelgesprächen bearbeitet. Kanzler Schröder legte den
acht Grünen nahe, ihr Mandat zurückzugeben, wenn sie ein Ja nicht mit ihrem
Gewissen vereinbaren könnten.
Keiner der acht wollte das Ende von Rot-Grün. Das ist eine Ähnlichkeit zu
heute: Auch [3][die Junge Gruppe will die Regierung nicht stürzen], der
Kollaps von Schwarz-Rot wäre eher ein Kollateralschaden. Anders ist
allerdings die öffentliche Resonanz. Die 18 Jung-PolitikerInnen werden
medial mit anerkennendem Schulterklopfen bedacht. Die grünen Abweichler
wurden 2001 in vielen Medien als Fundis, unbelehrbare Pazifisten,
verantwortungslose Gesinnungsethiker bezeichnet, die nur den Betrieb
aufhalten.
Die Dissidenten berieten sich 2001 vier Tage lang vor der Abstimmung in
fiebrigen Dauerdebatten. „Außer duschen haben wir in diesen Tagen alles
zusammen gemacht“, so eine der Abweichlerinnen später. In einer Kreuzberger
Pizzeria entstand bei einem Treffen die Idee, dass vier Ja und vier Nein
sagen. Dieses Stimmensplitting sollte ein Protestsignal setzen, ohne die
Regierung zu stürzen.
## Das Kalkül der Abweichler
In manchen Medien war zu lesen, dass die acht ausgelost haben, wer beim
Nein bleiben durfte. Das stimmte aber nicht. Es war eher ein bösartiges
Gerücht, dass die Gewissensnot der acht in Zweifel ziehen sollte. Eine
Rolle bei dem Kalkül der Abweichler spielte: Wären alle bei ihrem Nein
geblieben, dann wäre Rot-Grün am Ende gewesen. Die Bundeswehr aber wäre mit
Unterstützung der Opposition trotzdem nach Afghanistan entsandt worden.
Neben Ströbele [4][stimmten am 16. November 2001] Annelie Buntenbach,
Christian Simmert und Winfried Hermann mit Nein – Steffi Lemke, Irmingard
Schewe-Gerigk, Sylvia Voß und Monika Knoche schweren Herzens mit Ja.
Rot-Grün war gerettet. Simmert erlitt im Dezember einen Hörsturz und stieg
aus der Politik aus.
Ströbele kommentierte nach der Abstimmung: „Ich bin in der schizophrenen
Situation, dass ich mit Nein gestimmt habe, aber mit der Abstimmung
zufrieden bin.“ Einen ähnlichen Satz wird man am Freitagmittag vielleicht
von [5][Johannes Winkel] hören.
3 Dec 2025
## LINKS
(DIR) [1] /Mutmasslicher-Terroranschlag-in-den-USA/!6132980
(DIR) [2] /Ausschuss-zu-Nord-Stream-2/!6121397
(DIR) [3] /Rentenstreit-in-der-Union/!6134885
(DIR) [4] /Kanzler-kriegt-Vertrauen/!1140344/
(DIR) [5] /Unionsstreit-ueber-Rentenreform/!6133809
## AUTOREN
(DIR) Stefan Reinecke
## TAGS
(DIR) Rente
(DIR) Schwarz-rote Koalition
(DIR) Hans-Christian Ströbele
(DIR) Afghanistaneinsatz
(DIR) GNS
(DIR) Rente
(DIR) Schwarz-rote Koalition
(DIR) Rentenreform
(DIR) Rente
(DIR) Bundesregierung
## ARTIKEL ZUM THEMA
(DIR) Enthaltung zum Rentenpaket: Linke kritisieren Linke
Die Linke will sich bei der Abstimmung über das Rentenpaket enthalten.
Nicht alle in der Partei sind begeistert über die Schützenhilfe für Merz.
(DIR) Rentenstreit in der Union: Linke macht den Weg fürs Rentenpaket frei
Über die Anzahl der Abweichler in der Union wird noch gerätselt. Klar ist
jetzt: Es können mehr sein, ohne das Rentenpaket zu gefährden.
(DIR) Rentenstreit in der Union: Von Ströbele lernen
Die Rentenrebellen in der Jungen Gruppe sollten sich absprechen: Ein paar
Gegenstimmen sind okay, aber die Koalition dürfen sie nicht aufs Spiel
setzen.
(DIR) Probeabstimmung in der Unionsfraktion: Gefährlich viele Abweichler
In der Fraktionssitzung votieren zahlreiche Abgeordnete gegen das
Rentenpaket der schwarz-roten Koalition. Im Bundestag könnte es also eng
werden.
(DIR) Rentenstreit in der Bundesregierung: Stunde der Wahrheit für die 18 Renten-Rebellen
Die Junge Gruppe in der Union lehnt die schwarz-roten Rentenpläne ab. Bei
der Probeabstimmung heute wird sich zeigen, wie viele Abweichler es gibt.