# taz.de -- Altkanzlerin zu CDU-Antrag zur Migration: Eine Ohrfeige für Merz
       
       > Angela Merkel kritisiert, dass die CDU gemeinsame Sache mit der AfD
       > macht. Die Altkanzlerin fordert Zusammenarbeit der „demokratischen
       > Parteien“.
       
 (IMG) Bild: Kritisiert Merz' Tabubruch: Alt-Bundeskanzlerin Angela Merkel
       
       Berlin taz | Die Worte, die Angela Merkel wählt, sind für ihre Verhältnisse
       sehr deutlich. Die Altbundeskanzlerin beginnt ihre am Donnerstag
       veröffentlichte Erklärung mit einem längeren Zitat von Friedrich Merz, in
       dem sich der CDU-Vorsitzende im vergangenen Herbst in einer Bundestagsrede
       nach dem Bruch der Ampelkoalition noch unmissverständlich gegen „eine
       zufällige oder tatsächlich herbeigeführte Mehrheit mit denen da von der
       AfD“ ausgesprochen hatte. „Dieser Vorschlag und die mit ihm verbundene
       Haltung waren Ausdruck großer staatspolitischer Verantwortung, die ich
       vollumfänglich unterstütze“, lobt Merkel.
       
       Aber es ist ein äußerst vergiftetes Lob. Denn dann langt die 70-jährige
       frühere CDU-Chefin kräftig hin: „Für falsch halte ich es, sich nicht mehr
       an diesen Vorschlag gebunden zu fühlen und dadurch am 29. Januar 2025
       sehenden Auges erstmalig bei einer Abstimmung im Deutschen Bundestag
       [1][eine Mehrheit mit den Stimmen der AfD] zu ermöglichen.“ Eine schallende
       Ohrfeige für den Unionskanzlerkandidaten.
       
       Einen Tag bevor Merz den nächsten Tabubruch begehen und mit Hilfe von FDP,
       BSW sowie AfD das „[2][Zustrombegrenzungsgesetz]“ der Union durchs
       Parlament bringen will, mahnt Merkel: „Stattdessen ist es erforderlich,
       dass alle demokratischen Parteien gemeinsam über parteipolitische Grenzen
       hinweg, nicht als taktische Manöver, sondern in der Sache redlich, im Ton
       maßvoll und auf der Grundlage geltenden europäischen Rechts, alles tun, um
       so schreckliche Attentate wie zuletzt kurz vor Weihnachten in Magdeburg und
       vor wenigen Tagen in Aschaffenburg in Zukunft verhindern zu können.“
       
       Bisher gibt es keine Hinweise darauf, dass die Union ihr Rechtsaußenmanöver
       noch stoppen würde. Mit Ausnahme von ein paar Altvorderen, wie
       Ex-Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier oder Saarlands
       Ex-Ministerpräsident Tobias Hans, hält sich innerhalb der CDU zumindest die
       öffentliche Zustimmung zu der ungewöhnlichen Intervention Merkels stark in
       Grenzen.
       
       ## „Schwarzer Tag deutscher Parlamentsgeschichte“
       
       Immerhin redet das [3][CDA-Bundesvorstandsmitglied Eva Maria
       Welskop-Deffaa] Tacheles. Aus der Erklärung Merkels spräche „die Klugheit
       ihrer langjährigen Regierungserfahrung“, sagte die Vertreterin des
       Arbeitnehmer:innenflügels der Union der taz. Der vergangene Mittwoch
       sei „ein trauriger, ein schwarzer Tag in der deutschen
       Parlamentsgeschichte“ gewesen.
       
       „Mitten zwischen der Erinnerung an die Befreiung des Konzentrationslagers
       Auschwitz und dem Gedenken an die Opfer des Anschlags von Magdeburg
       frohlockten die Rechtspopulisten: Schritt für Schritt kommen sie ihrem Ziel
       näher, die demokratischen Parteien in die Enge und gegeneinander zu
       treiben“, sagte Welskop-Deffaa, die auch Präsidentin des deutschen
       Caritas-Verbands ist.
       
       Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion forderte sie auf, das
       „Zustrombegrenzungsgesetz“ nicht am Freitag im Bundestag zur Abstimmung zu
       stellen. Es sei „unbedingt sinnvoll, das Vorhaben jetzt noch einmal
       zurückzustellen und in der neuen Legislaturperiode die
       migrationspolitischen Themen im Konsens nachhaltig anzupacken“.
       
       Ansonsten ist vor allem jenseits der Union die Zustimmung zu Merkel groß.
       „Die frühere Bundeskanzlerin hat offensichtlich den Eindruck gewonnen, sie
       müsse Friedrich Merz an seine staatspolitische Verantwortung erinnern“,
       sagte die SPD-Vorsitzende Saskia Esken am Donnerstag in Berlin. Sie sei
       „sehr dankbar für diese Wortmeldung“.
       
       Auch die grüne Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt bedankte
       sich bei Merkel. „Diese Worte und dass sie überhaupt von ihr jetzt gesagt
       werden (müssen) zeigen den Abgrund, auf den die Union sich zubewegt“,
       twitterte sie. Es sei „traurig, dass in der Unionsspitze der Wunsch nach
       Abgrenzung zu ihr größer zu sein scheint als gegenüber der AfD“, schrieb
       [4][der Grünen-Vorsitzende Felix Banaszak] ebenfalls auf „X“.
       
       Zuspruch kommt selbst von der Linkspartei. „Bei allen sonstigen
       inhaltlichen Differenzen, die ich mit Angela Merkel habe: Im Gegensatz zu
       Merz hätte sie nie mit Faschisten gemeinsame Sache gemacht“, sagte der
       Linken-Vorsitzende Jan van Aken der taz. „Dass sie ihrem Kanzlerkandidaten
       jetzt die Leviten liest, ist gut und notwendig.“ SPD und Grüne forderte er
       auf, sie dürften Merz nicht zum Kanzler machen. „Wer Steigbügelhaltern des
       Faschismus die Tür zum Kanzleramt öffnet, ist Teil des Problems“, so van
       Aken.
       
       Bei den Grünen fordert die Parteijugend eine rote Linie zur Union.
       „Solange Merz an der Spitze der Union steht, dürfen die Grünen keine
       Koalition mit CDU und CSU eingehen“, sagte Jakob Blasel, Bundessprecher der
       Grünen Jugend, dem Spiegel.
       
       Andere in der Partei gehen nicht so weit. Die Empörung über das Vorgehen
       von Merz ist zwar groß, aber die Grünen wollen die Tür nicht zuschlagen.
       Dahinter steckt auch die Sorge, dass die demokratischen Parteien nach der
       Wahl gar keine Mehrheiten mehr zustande bekommen könnten. „Ob eine
       schwarz-grüne Koalition noch vorstellbar ist, hängt davon ab, ob die Union
       ihren Fehler am Freitag korrigiert“, sagte der grüne Bundestagsabgeordnete
       Kassem Taher Saleh der taz. „Es gibt demokratische Mehrheiten im Deutschen
       Bundestag und unsere Hand ist weiterhin ausgestreckt.“
       
       Dennoch ist eine Regierung aus CDU, CSU und Grünen in den letzten Tagen
       noch mal unwahrscheinlicher geworden. „Für eine stabile demokratische
       Mitte, die unser Land stark gemacht hat, brauchen wir die Union, aber
       gerade fehlt mir die Fantasie, wie sie das verlorene Vertrauen
       zurückgewinnen will“, sagte Taher Saleh.
       
       30 Jan 2025
       
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