# taz.de -- Angela Merkels Kritik an Friedrich Merz: Aus der Seele gesprochen
       
       > Die scharfe Kritik der Ex-Kanzlerin am Kanzlerkandidaten ihrer Partei ist
       > hart, aber richtig. Derweil ist Merz’ Rechtsruck für SPD, Grüne und Linke
       > eine Chance.
       
 (IMG) Bild: Oma gegen Rechts: Angela Merkel, Bundeskanzlerin a.D
       
       Man sollte mit dem Wort „historisch“ vorsichtig umgehen. Aber dieser
       Vorgang ist es. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik
       Deutschland [1][kritisiert eine ehemalige Kanzlerin und Parteichefin mitten
       im Wahlkampf öffentlich den Kanzlerkandidaten der eigenen Partei].
       
       Ja, mehr noch, Angela Merkel [2][nennt das Verhalten ihres Nachfolgers
       Friedrich Merz eindeutig „falsch“] und wirft ihm vor, keine
       staatspolitische Verantwortung gezeigt zu haben, als er seinen
       Anti-Asyl-Antrag im Bundestag zusammen mit der AfD durchsetzte. Damit
       verstößt Merkel ganz bewusst gegen eine ungeschriebene Regel, die einen
       Markenkern der CDU ausmacht: auch im Zweifel immer brav dem jeweils
       amtierenden Chef zu folgen.
       
       Diese eiserne Geschlossenheit um jeden Preis war immer der große Vorteil
       der Machtmaschine CDU gegenüber den linkeren Parteien, die sich regelmäßig
       öffentlich zerstreiten oder gar aufspalten. Auch Merkel selbst hat als
       Kanzlerin von der bedingungslosen Loyalität der CDU zur aktuellen Führung
       profitiert. Sehr viele konservative Christdemokraten trugen ihren Kurs nur
       widerwillig, aber bei allen wichtigen Abstimmungen bis zum Schluss
       geschlossen mit.
       
       Für den rechten Flügel der Union war und ist Merz ein Erlöser, gerade weil
       er eine radikale Abkehr von Merkels liberaler Politik versprach. Genau
       deshalb wurde er ja gewählt. Die härtesten Merz-Hardliner werden nun auch
       Merkels Kritik als Bestätigung empfinden. Und doch spüren alle, wie
       gefährlich der offene Konflikt zwischen der Ex-Kanzlerin und dem Kandidaten
       für die Union im Wahlkampf ist.
       
       Nicht nur dem liberalen Flügel, sondern auch vielen potenziellen
       CDU-WählerInnen dürfte Merkel aus der Seele gesprochen haben. Ihre
       drastische Intervention war für alle wertgebundenen (Christ-)Demokraten
       berechtigt und geboten, weil auch Merz gegen einen zentralen Markenkern der
       CDU verstoßen hat: die klare Abgrenzung gegen Rechtsextremisten.
       
       Dass Merz [3][erstmals wissentlich einen Abstimmungserfolg der AfD im
       Bundestag ermöglicht] hat, war ein historischer Fehler und macht die
       Brandmauer unglaubwürdig. Das ist für viele zu Recht unverzeihlich und es
       ist gut, dass es Merkel offen ausgesprochen hat.
       
       Für SPD, Grüne und Linke ist Merz’ Rechtsruck eine Chance. Die Angst vor
       einer schwarz-braunen Koalition könnte lethargische WählerInnen neu
       mobilisieren und Liberale von der Merz-CDU abschrecken. Das wäre schön,
       birgt aber auch ein Risiko. Wenn die Union jetzt wirklich deutlich
       verliert, ergibt sich eine neue Gefahr: dass die AfD stärkste Partei wird
       und Koalitionen gegen sie noch komplizierter werden. Das aber wäre nicht
       die Schuld von Merkel, sondern die von Merz.
       
       30 Jan 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Merkel-zur-CDU-Kooperation-mit-AfD/!6066217
 (DIR) [2] https://www.buero-bundeskanzlerin-ad.de/erklaerungen/erklaerung-von-bundeskanzlerin-a-d-dr-angela-merkel-zur-abstimmung-im-/
 (DIR) [3] /Merz-und-die-AfD/!6062183
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lukas Wallraff
       
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