# taz.de -- Ausstellung über Zeit der Bauernkriege: Wenn die Bilder greifbar werden
       
       > Die Ausstellung „Frührenaissance in Mitteldeutschland“ in Halle zeigt den
       > Wandel der Bilder um 1500. Was hat das mit den Bauernkriegen zu tun?
       
 (IMG) Bild: Weltliches Leben vor den Bauernkriegen: Albrecht Dürer „Der Koch und sein Weib“ (Nachstich), 1496/97, Kupferstich (Ausschnitt)
       
       Es sei „das größte Naturereignis des deutschen Staates“ gewesen, deutete
       der preußische Historiker Leopold von Ranke die Bauernkriege in einem
       düsteren Konservativismus, ein pöbelhafter Exzess gegen die Obrigkeit. Als
       „radikalste Tatsache der deutschen Geschichte“ beschrieb wiederum sein
       Zeitgenosse Karl Marx die Aufstände der Bauern gegen ihre Landesherren, die
       1524 in Süddeutschland und der Schweiz begannen und sich bis 1526 vom Harz
       bis zum Elsass, von Thüringen bis Tirol ausweiteten.
       
       Und die DDR interpretierte dieses kurze, aber für viele Bauern blutig
       endende Kapitel der Geschichte zum 450. Jahrestag als frühbürgerliche
       Revolution.
       
       Das Kunstmuseum Moritzburg in Halle an der Saale nimmt das nun anstehende
       [1][500-jährige Jubiläum der deutschen Bauernkriege] zum Anlass für eine
       opulente Ausstellung. Doch in ein Geschichtsbild zwängen will sie sie
       diesmal nicht. Die Bauernkriege kommen sogar kaum vor in der Schau
       „Frührenaissance in Mitteldeutschland. Macht. Repräsentation. Frömmigkeit“,
       die sich mit der Kunst um 1500 im Kurfürstentum Sachsen unter Friedrich dem
       Weisen und im Erzbistum Magdeburg unter seinem Bruder Ernst von Sachsen
       beschäftigt.
       
       Beide machten die Region zu einem Kulturzentrum von europäischem Rang. Aber
       man kriegt in dieser Schau mit 250 Exponaten eine Idee davon, in welcher
       Bildwelt sich die Menschen damals bewegten, kurz bevor sich die „Revolution
       des gemeinen Mannes“, wie der westdeutsche Historiker Peter Blickle es
       beschrieb, 1525 über viele deutsche Gebiete ausbreiten konnte. Eine
       Gesellschaft, in der mehr als 80 Prozent Analphabeten waren.
       
       Düster blicken nun in der Moritzburg vier 1,50 Meter hohe, holzgeschnitzte
       Heiligenfiguren oben von einer Raumnische auf einen herab, ihre Körper
       unnatürlich schlank, das Gesicht der Märtyrerin Katharina mit spitzem Mund
       und hoher Stirn jenseitig entrückt. So oder so ähnlich haben die um 1500
       einmal in einer Stube wohlhabender Bauern gestanden.
       
       Ein ausgestellter Stich von Albrecht Dürer zeigt drei solch gut gestellter
       Landwirte – das Haupt mit einem tuchumschlungenen Hutwerk bedeckt –
       aufwendig im Dürer’schen Faltenwurf inszeniert – der Korb bis oben mit
       Eiern befüllt. Drei stolze Typen sind das. Da verwundert es nicht, dass sie
       sich 1525 für mehr Rechte und gegen den Frondienst und Abgaben auflehnten.
       
       In ihren Haushalten müssen sich auch zahlreiche andere fromme
       Alltagsobjekte befunden haben. Die Beckenschlägerschalen etwa. Das sind
       Waschschüsseln aus einfacher Massenproduktion der Zeit, auf deren Grund
       häufig ein Bild von Maria Verkündigung zu sehen ist – warum nicht die
       Reinheit der Empfängnis profan mit der körperlichen Pflege gleichstellen?
       
       ## Fromme Alltagsobjekte in der Stube
       
       Derartige Alltagsobjekte lassen sich auch, so vermittelt die Schau, mit der
       Reliquienverehrung verbinden. Wenn Friedrich der Weise, der spätere
       Schutzherr von Martin Luther, in Wittenberg seinen reichen Reliquienschatz
       – 19.000 Partikel mit dem Gegenwert von rund zwei Millionen Jahren Ablass –
       der Bevölkerung in regelmäßigen Weisungen vorführte, dann bekam das Volk
       vor allem verzierte Monstranzen, Kelche und Schnallen zu sehen.
       
       Ihren heiligen Inhalt gaben die daran angebrachten Bilder aus Perlmutt oder
       Elfenbein mit spätgotischen, abstrahierten Figuren wieder. In den frommen
       Alltagsobjekten in der Stube fanden die Reliquienbehältnisse eine profane
       Kopie.
       
       In diese Bildwelt schiebt sich dann um 1500 der Aufbruch der Zeit.
       Plötzlich taucht da der sanfte Jesus eines Jacopo de’ Barbari auf. Der
       venezianische Maler war mehrere Jahre für Kurfürst Friedrich in Wittenberg
       tätig. Sein Jesus ist kein knochig verrenkter Schmerzensmann mehr, sondern
       der nahbare Mensch, mit weichen Gesichtszügen und direktem Blick. Die
       Wittenberger Schlosskapelle, da wo Luther 1517 seine 95 Thesen angeschlagen
       haben soll, füllt sich mit Skulpturen des Augsburger Bildhauers Adolf
       Daucher. Friedrich der Weise in ewiger Anbetung stellt Daucher dort mit
       fleischigem Gesicht und tiefen Mundfalten auf eher uncharmant realistische
       Weise dar.
       
       Und [2][Lucas Cranach der Ältere] wird zur zentralen Figur in Wittenberg.
       Der Künstlerunternehmer, der sich mit seiner Werkstatt in Wittenberg
       selbstständig machte und von dort aus die Höfe und Bürger Mitteleuropas mit
       vielen Tausend Bildtafeln belieferte, er wurde zu so etwas wie einem
       Artdirector Friedrichs. Unter seiner Ägide wurden Festspiele ausgestattet,
       Aufträge vergeben – und er malte selbst.
       
       Auf seinen Gemälden findet dann das kostbare Ornat der Kleider Platz und
       die kleinen Detailbeobachtungen: Einer jungen Frau fällt im Porträt die
       Locke auf die Stirn. Und Cranach macht etwas, das zu der Zeit gang und gäbe
       wird – er collagiert seine weltlichen Auftraggeber in das sakrale
       Bildgeschehen hinein. Auf einer Darstellung der heiligen Sippe von 1509
       schmiegt sich Kurfürst Friedrich plötzlich als Alphäus in den Kreis Christi
       ein – Goldkappe, große Nase, tiefe Gesichtsfurchen, ähnlich wie Cranach ihn
       dann in seinen zahlreichen Bildern zur Ikone machen wird.
       
       Rundherum kehrt das Diesseits in die Bilder ein – und viele dieser Bilder
       wurden von Zeitgenossen oder den Künstlern selbst kopiert, in Stichen
       festgehalten und reproduziert, landeten vielleicht irgendwie auch wieder in
       der Bauernstube.
       
       Die Schau stellt keine großen Thesen auf, sie hält sich sehr an die
       Kunstgeschichte von Halle und Wittenberg, dennoch denkt man sich: Wenn sich
       so viel Hier und Jetzt in die Kunst nach 1500 einschrieb, so wird das auch
       bei den damaligen Betrachtenden etwas gemacht haben. Die Bilder werden
       nicht die Bauernkriege entfacht haben, aber vielleicht hat die plötzliche
       Weltlichkeit der Kunst eben auch beim gemeinen Volk einen kritischen Geist
       gegenüber eben jener Welt befördert. Dann ist der Aufstand nicht mehr weit.
       
       26 Nov 2024
       
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 (DIR) Sophie Jung
       
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