# taz.de -- Pro und Contra zum AfD-Parteiverbot: Soll man die AfD verbieten?
       
       > Seit ihren Erfolgen bei den Landtagswahlen im Osten werden wieder
       > Forderungen nach einem Parteiverbot der AfD laut. Wäre das eine gute
       > Idee?
       
 (IMG) Bild: Für ein AFD-Verbot: Demonstranten im Januar in Berlin
       
       ## JA,
       
       denn da sind AfD-Funktionäre, die Migranten und Muslime pauschal als
       [1][„Parasiten“, „Invasoren“ oder „Messermänner“] bezeichnen. Die sie, mehr
       noch, für eine „millionenfache Remigration“ vorsehen oder „in Anatolien
       entsorgen“ möchten. Die unablässig von einer „Parteiendiktatur“ und
       „Volksverrätern“ sprechen, wenn sie demokratische Politiker meinen, oder
       von der Bundesregierung als „psychisch kranke Deutschlandhasser“. Die
       NS-Verbrechen kleinreden und eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“
       wollen. Die Widerstand gegen einen „schleichenden Genozid an der deutschen
       Bevölkerung“ einfordern und einen Überlebenskampf predigen. Es sind
       Äußerungen, die sich durch die ganze AfD ziehen, die längst [2][ihr
       Wesenskern sind]. Es sind Kampfansagen, an Migranten, Muslime, Demokraten.
       
       Was ist damit zu tun? Weghören können wir uns nicht mehr leisten. Und vor
       allem können es sich die Betroffenen nicht leisten, die dieser Hass trifft.
       
       Natürlich ist mit Parteiverboten nicht leichtfertig umzugehen. Und
       natürlich gibt es das Risiko, zu scheitern. Aber die Gefahr, dass sich
       Geschichte wiederholt, dass sich hier eine Radikalisierungsspirale immer
       weiterdreht und immer mehr Menschen in diesem Land mitreißt, ist größer.
       
       Der Rechtsstaat kann nicht einer Partei zusehen, sie gar noch
       mitfinanzieren, die von rechtsextremen Motiven getrieben ist, die derart
       völkische Töne anschlägt, dass es selbst anderen Rechtsaußen-Parteien in
       Europa zu weit geht.
       
       Ein Verbotsverfahren hat auch nichts mit politischer Taktiererei zu tun. Es
       gibt einen gesetzlichen Auftrag, wie mit solchen Parteien umzugehen ist. Er
       steht in Artikel 21 des Grundgesetzes: Parteien, deren Ziel es ist, die
       Demokratie zu beeinträchtigen oder zu beseitigen, sind verfassungswidrig.
       Und die AfD liefert dafür seit Jahren Belege. Sie finden sich hundertfach
       in Materialsammlungen des Verfassungsschutzes – und sie sind auf offener
       Bühne zu hören, wo immer die AfD auftritt. Auf all das nicht zu reagieren,
       wäre geradezu fahrlässig. Im Gegenteil ist der nächste Schritt – eine
       Prüfung vor dem Bundesverfassungsgericht, ob die AfD [3][verfassungswidrig
       ist und damit verbotsreif] – folgerichtig.
       
       Dass die Partei inzwischen [4][zu populär für ein Verbot] sei, ist hierbei
       kein Argument: Was zählt, sind ihre Ziele. Das NPD-Verbot scheiterte vor
       einigen Jahren nicht an den verfassungsfeindlichen Zielen der Partei – die
       sah das Gericht erwiesen –, sondern daran, dass ihr die Macht fehlte, diese
       durchzusetzen. Die AfD hat nun diese Macht. Und ihre Ziele sind von denen
       der NPD kaum mehr zu unterscheiden. Was ein Handeln [5][umso dringlicher
       macht].
       
       Die hiesige Demokratie hat schon einmal zugesehen, wie sie schrittweise
       abgeschafft wurde. Den Fehler sollte sie nicht ein zweites Mal tun. Wie
       lange will man [6][diesmal zusehen]?
       
       Ja, ein erfolgreiches Verbot würde den AfD-Anhängern nicht das Gedankengut
       nehmen. Aber es würde ihnen zeigen, dass der Rechtsstaat Grenzen setzt und
       die Menschenwürde aller weiter gilt.
       
       Und wenn ein Verbot scheitert? Dann wäre es zumindest ein Warnschuss für
       die AfD – und für alle anderen bestenfalls Aufklärung, wofür diese Partei
       steht.
       
       Es ist klar, dass ein Verbotsverfahren allein nicht ausreicht. Es braucht
       daneben auch eine aktive, demokratische Gesellschaft, es braucht
       überzeugendere Angebote der anderen Parteien. Ein AfD-Verbotsverfahren aber
       von vornherein auszuschließen, bewusst auf dieses Instrument des
       Grundgesetzes zu verzichten, das lässt sich vielleicht für einige leicht
       tun. Aber für diejenigen, die die AfD als Feinde und „Parasiten“ markiert,
       die sie aus dem Land schaffen will, nicht. Sie darf der Rechtsstaat nicht
       alleine lassen. Konrad Litschko
       
       ## NEIN,
       
       denn der jetzt im Bundestag diskutierte Antrag auf ein AfD-Verbot wäre
       leider kein Befreiungsschlag, sondern eine Kapitulation.
       
       Ein juristisches Vorgehen gegen politische Konkurrenten ist ein
       Eingeständnis des Scheiterns. In einer liberalen Demokratie muss das Ziel
       immer sein, [7][bei freien Wahlen Mehrheiten zu gewinnen]. Autoritäre
       Verbote von Oppositionsparteien dürfen nur das allerletzte Mittel sein,
       wenn die Grundordnung existenziell bedroht wird. Ob der gesamten AfD
       entsprechende Bestrebungen nachgewiesen werden können, ist noch nicht
       sicher. Aber selbst wenn: Ein Verbotsantrag wäre [8][im Moment unklug und
       riskant].
       
       Ausgerechnet nach den bisher größten Erfolgen der AfD bei Landtagswahlen
       ein Verbot anzustreben, wirkt wie eine Panikreaktion der Konkurrenz, die es
       sich nicht mehr zutraut, den Siegeszug der AfD bis hin zur Machtergreifung
       aufzuhalten. Für Panik aber gibt es keinen Grund, wenn eine Partei in
       bundesweiten Umfragen bei 17 Prozent liegt. So schrecklich es auch ist,
       dass so viele Menschen so furchtbare Hetzer wählen – die Verteidiger der
       Demokratie sollten darauf selbstbewusst reagieren und auf ihre eigene
       Überzeugungskraft vertrauen.
       
       Die Lage ist besser, als die vielen Verzagten meinen. Seit die AfD vor über
       zehn Jahren aufgetaucht ist wählen rund 80 Prozent der Deutschen trotz
       multipler Krisen weiter stabil demokratisch – deutlich stabiler als in
       vielen anderen Ländern, in denen trotzdem keine Verbote geplant werden.
       Warum also fatalistisch und fahrlässig herbeireden, dass die AfD bald
       mehrheitsfähig werden könnte? Das hätte sie gern! Es macht sie nur stärker.
       
       Jetzt ein juristisches Stoppschild aufzustellen, könnte das Gegenteil
       bewirken. Nicht nur im Worst Case, also einem [9][Scheitern des Verfahrens
       vor Gericht]. Schon der Antrag könnte zu einer stärkeren Solidarisierung
       mit der AfD führen, erst recht nach einem Verbot. Oder glaubt irgendjemand,
       dass ihre Sympathisanten dann reumütig ihren Irrtum einsehen und zu den
       humaner gesinnten Parteien zurückkehren werden?
       
       Wohl kaum. Dass es zu einer Befriedung der Gesellschaft führt, wenn
       Millionen Menschen nicht mehr wählen dürfen, was sie wollen und ihre
       Vertreter notfalls von der Polizei aus den Parlamenten entfernt werden, ist
       eine, nun ja, ziemlich optimistische Vorstellung.
       
       Es stimmt zwar, dass sich die AfD immer schon als armes Opfer des Systems
       aufspielt. Doch wie jede Verschwörungstheorie würde auch diese deutlich
       wirkungsvoller, wenn neben all den Lügen etwas Wahres dran wäre. Wenn die
       AfD heute beklagt, dass man nichts mehr sagen dürfe, kann man leicht
       antworten: Doch! Hier! Wenn sie aber wirklich verboten wird, könnten auch
       bisherige Mitte-rechts-Wähler für die Opfererzählungen empfänglich werden.
       
       Ohnehin lässt sich das rechte Gedankengut nicht wegverbieten. Nach einer
       AfD-Auflösung würden sofort Ersatzparteien gegründet. Und dann? Ein Verbot
       nach dem anderen? Politische Betätigungsverbote für Tausende
       Ex-AfD-Politiker und ihre Fans in einer zunehmend digitalen Welt?
       
       Nein, Verbote können das Problem bestenfalls verschieben. Um einen rechten
       Durchmarsch zu verhindern, müssen die demokratischen Parteien standhaft
       [10][gegen die Hetze kämpfen], aber vor allem endlich wieder eigene,
       attraktive Ideen entwickeln, damit sich genug Menschen von ihnen vertreten
       fühlen – und dann kompromissbereit neue Koalitionen bilden, die besser
       funktionieren als die Ampel. Wie, daran glauben Sie nicht mehr? Genau da
       liegt das Problem. Wenn selbst Demokraten nicht mehr an die
       Selbstheilungskraft der Demokratie glauben, kann man eigentlich einpacken.
       Und gegen so viel Resignation helfen auch keine Parteiverbote. Lukas
       Wallraff
       
       5 Oct 2024
       
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