# taz.de -- Auslieferung von Antifaschist*in: Fall Maja T. wird aufgearbeitet
       
       > Die Auslieferung von Maja T. nach Ungarn hat ein Nachspiel: Die Anwälte
       > wollen Verfassungsbeschwerde einreichen, die Politik will aufarbeiten.
       
 (IMG) Bild: Demonstranten protestieren gegen die Auslieferung von Antifas nach Ungarn
       
       Berlin taz | Es ist ein Gefängnis in Budapest, in dem [1][Maja T.] jetzt
       sitzt. Ein ungarisches Gericht hatte einen Haftbefehl erlassen, nachdem die
       23-jährige nonbinäre Thüringer*in am vergangenen Freitag von der JVA
       Dresden nach Ungarn ausgeliefert wurde. Und die ungarische Justiz soll
       einen schnellen Prozessbeginn gegen Maja T. anstreben. In Deutschland aber
       sorgt die Entscheidung, [2][T. nach Ungarn auszuliefern], weiter für
       politischen Unmut.
       
       Am Mittwoch will der Linken-Abgeordnete Sebastian Schlüsselburg die
       Berliner Justizsenatorin Felor Badenberg (CDU) im Rechtsausschuss des
       Berliner Abgeordnetenhauses zu dem Fall befragen. „Die zentrale Frage
       bleibt, warum die Berliner Generalstaatsanwaltschaft die Auslieferung
       durchzog, obwohl sie wusste, dass beim Bundesverfassungsgericht noch ein
       Eilantrag dagegen lief“, sagte Schlüsselburg der taz.
       
       Linken-Parteichef Martin Schirdewan hatte bereits zuvor „Konsequenzen“ in
       dem Fall eingefordert. Dieser sei „ein offener Angriff auf den
       Rechtsstaat“, die Auslieferung eine „Schande für Deutschland“. Und auch der
       Grünen-Rechtsexperte Helge Limburg sprach von einem „inakzeptablen
       Vorgehen“, zu dem Badenberg Stellung nehmen müsse.
       
       Sven Richwin, Anwalt von Maja T., kündigte an, alle Mittel zu prüfen, um T.
       zurück nach Deutschland zu holen. Zudem kündigte er an, gegen die
       Auslieferung von Maja T. Verfassungsbeschwerde einzulegen. Dieses Verfahren
       ist allerdings langwierig. „Uns geht es aber auch um den Stopp der
       generellen Lieferdienste Deutschlands in das ungarische Haftsystem“, so
       Richwin zur taz.
       
       ## Maja T. von Auslieferung „völlig überrumpelt“
       
       Zugleich werde versucht, die bestmöglichen Sicherheiten für Maja T. in der
       Haft in Budapest zu erreichen, sagte Richwin. Maja T. selbst sei von der
       Auslieferung „völlig überrumpelt“ worden. T. sei „in großer Sorge“, wie es
       nun weitergehe.
       
       Aus dem Auswärtigen Amt heißt es, dass die Botschaft in Budapest für eine
       konsularische Betreuung im Fall Maja T. bereitstünde, wenn dies gewünscht
       sei. Man stehe dazu „in engem Kontakt mit den ungarischen Behörden“. Am
       Auslieferungsverfahren selbst sei man nicht beteiligt gewesen und auch vom
       Berliner Kammergericht nicht um eine Einschätzung gebeten worden.
       
       Maja T. wird vorgeworfen, sich mit anderen Linken [3][im Februar 2023 an
       schweren Angriffen auf Rechtsextreme in Ungarn beteiligt zu haben]. Im
       Dezember war T. in Berlin festgenommen worden, nach einer Fahndung von
       ungarischen Behörden und der „Soko Linx“ des LKA Sachsen. Inhaftiert war
       Maja T. seitdem in der JVA Dresden – bis am späten Nachmittag des
       vergangenen Donnerstags das Berliner Kammergericht [4][einem
       Auslieferungsantrag Ungarns für Maja T. stattgab].
       
       ## Ungewöhnlich schnelle Kooperation der Behörden
       
       Was darauf folgte, erscheint als ungewöhnlich reibungslose Kooperation
       verschiedenster deutscher, österreichischer und ungarischer Behörden, um
       Maja T. schnellstmöglich nach Ungarn zu schaffen. Bereits in der Nacht zu
       Freitag holte das sächsische LKA Maja T. aus der JVA Dresden ab. Um 6:50
       Uhr am Freitagmorgen soll T. laut Behörden bereits an der österreichischen
       Grenze übergeben worden sein, um 10 Uhr habe sich T. schon auf ungarischem
       Boden befunden.
       
       Derweil reichten T.s Anwälte um 7:38 Uhr morgens einen Eilantrag vor dem
       Bundesverfassungsgericht ein, die Auslieferung zu stoppen. Tatsächlich
       verfügte das höchste Gericht bereits um 10:50 Uhr, dass die Auslieferung
       vorerst zu unterlassen und notfalls „geeignete Maßnahmen“ zu ergreifen
       seien, um eine „Rückführung in die Bundesrepublik Deutschland zu erwirken“.
       
       Laut der Berliner Generalstaatsanwaltschaft kam diese Aufforderung
       allerdings zu spät. Da sich Maja T. bereits auf ungarischem Boden befand,
       gab und gebe es weiter keine Möglichkeit mehr, eine Rückführung zu
       erlassen.
       
       Fragwürdig erscheint jedoch, warum die Generalstaatsanwaltschaft die
       Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht abgewartet hat. Denn
       bereits nachts während ihrer Verhaftung hatte Maja T. ihre Anwälte
       kontaktiert, die nach eigenen Angaben dem LKA Sachsen mitteilten,
       rechtliche Schritte einleiten zu wollen.
       
       Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin bestätigte gegenüber der taz, vom LKA
       Sachsen informiert worden zu sein, dass T.s Anwalt sich „bei der Justiz
       beschweren“ wolle. Laut der Behörde habe sich daraus aber keine
       aufschiebende Wirkung abgeleitet. „Ob er dies tatsächlich umsetzen würde
       und in welcher Weise, blieb offen“, so der Sprecher zur taz.
       
       Um 8:30 Uhr – Maja T. befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Österreich
       – informierte schließlich das Bundesverfassungsgericht die
       Generalstaatsanwaltschaft telefonisch über den Eingang des Eilantrags. Nun
       stellte sich die Behörde auf einen neuen Standpunkt, wie ein Sprecher der
       taz erläuterte: Da nicht Deutschland, sondern Ungarn die österreichischen
       Behörden mit der Überstellung beauftragt hätten, habe man seit T.s
       Überstellung nach Österreich um 6:50 Uhr keinerlei Handhabe mehr gehabt,
       „auf das Geschehen Einfluss zu nehmen“.
       
       ## Generalstaatsanwaltschaft sieht Fall als abgeschlossen
       
       Die Generalstaatsanwaltschaft sieht den Fall nun als abgeschlossen an. „Es
       gibt keine geeigneten Maßnahmen, eine Rückführung noch zu erreichen“, so
       ein Sprecher zur taz. Die Generalstaatsanwaltschaft hatte aber dennoch das
       Bundesverfassungsgericht um einen Hinweis gebeten, ob der dortige Senat
       diese Rechtsauffassung teilt. Dort wurde dem nicht widersprochen.
       
       Für Anwalt Richwin ist der Vorgang weiter nicht nachvollziehbar. Es sei
       „äußerst ungewöhnlich, dass trotz noch nachts angekündigter Rechtsmittel
       diese nicht abgewartet, sondern einfach Fakten geschaffen wurden“, sagte er
       der taz. Dass die Auslieferung trotzdem vollzogen wurde, wirke „wie eine
       Machtdemonstration“, so der Anwalt. „Das hätte so nicht erfolgen dürfen.“
       
       Laut T.s Anwalt Richwin sei auch zu klären, ob deutsche Beamte die
       Auslieferung nicht auch in Österreich noch hätten stoppen können. [5][Auf
       einem Video der ungarischen Polizei] wird Maja T. an der Grenze zusammen
       auch mit Beamten gezeigt, auf deren Uniform „Polizei“ steht.
       
       Die Berliner Generalstaatsanwaltschaft erklärte hierzu, deutsche Beamte
       seien nicht bis zur ungarischen Grenze gefahren, sondern nur bis zur
       österreichischen. Ohnehin hätte die Auslieferung nicht mehr gestoppt werden
       können, so ein Sprecher zur taz. „Begleitende deutsche Polizeibeamte hätten
       auf österreichischem oder ungarischen Staatsgebiet keine eigenen
       Befugnisse.“
       
       ## Scharfe Kritik von Verbänden
       
       Mehrere Verbände kritisieren den Vorgang inzwischen scharf, darunter der
       Republikanische Anwält*innenverein, Amnesty International Deutschland oder
       die Vereinigung Berliner Strafverteidiger*innen. Letztere wirft der
       Berliner Generalstaatsanwaltschaft vor, in ein Verfahren eingebunden
       gewesen zu sein, das „offenbar auf die Vereitelung von Rechtsschutz einer
       deutschen Person gerichtet war“.
       
       Zudem werfen die Jurist:innen den Behörden vor, ein „Exempel“ statuieren
       zu wollen, um Geständnisse [6][weiterer untergetauchter Antifas gegen
       Nichtauslieferung nach Ungarn zu erpressen].
       
       Die Generalstaatsanwaltschaft habe eigentlich eine „Aufsichtsfunktion mit
       Blick auf die Wahrung von Grundrechten“, so die Vereinigung Berliner
       Strafverteidiger*innen weiter. Hier aber verstehe sich die Behörde
       offenbar als „Dienstleister für andere Staaten“ und verstecke sich hinter
       der Formalie, dass bei einem absehbaren Beschluss vom Verfassungsgericht
       eine aufschiebende Wirkung nicht explizit rechtlich geregelt ist. Und
       weiter: „Tricksereien zur Verhinderung der Anrufung von
       (Verfassungs-)Gerichten kennt man eigentlich aus Staaten, die gemeinhin
       nicht als Rechtsstaaten angesehen werden.“
       
       Mehrfach hatten die Anwälte von Maja T. vor einer Auslieferung nach Ungarn
       gewarnt, [7][weil nonbinäre und antifaschistische Menschen dort nicht
       sicher seien und keinen fairen Prozess erwarten dürften]. Die
       Haftbedingungen in Ungarn werden etwa von der Menschenrechtsorganisation
       Helsinki Committee for Human Rights deutlich kritisiert. Das EU-Parlament
       beklagte zuletzt einen Zerfall der Rechtsstaatlichkeit im von
       Ministerpräsident Viktor Orbán regierten Land.
       
       Linke Gruppen kündigten derweil Proteste gegen die Auslieferung von Maja T.
       an. In Berlin rufen antifaschistische Gruppen auf, am Freitag um 19 Uhr auf
       den Lausitzer Platz zu kommen. Außerdem sind Demos unter anderem in Hamburg
       (Freitag, Rote Flora, 19 Uhr) und Jena (Samstag, Fichteplatz, 16 Uhr)
       angekündigt.
       
       In Leipzig sind am Samstag um 15 Uhr Proteste geplant, die am Bayerischen
       Bahnhof starten sollen. Im Aufruf heißt es, man sei „traurig, entsetzt und
       unfassbar wütend“ über die Auslieferung. Man werde jedoch „nicht aufgeben“,
       sich „nicht vereinzeln lassen und weiter – gemeinsam – kämpfen“. Auch
       Familienangehörigen von Maja T. soll in Leipzig die Möglichkeit zum Protest
       gegeben werden.
       
       2 Jul 2024
       
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