# taz.de -- Wie viel Abgeordnete nebenher verdienen: Die Diät ist nicht genug
       
       > Mitglieder des Bundestags müssen neuerdings ihr Nebeneinkommen genau
       > angeben. Die taz hat sich durch die Zahlen gewühlt.
       
       Berlin taz | Bei fast allen Bundestagsmitgliedern ist neuerdings [1][online
       einsehbar], wie viel Geld sie nebenher erwirtschaften. Wenige
       Topverdiener*innen stehen einer großen Mehrheit gegenüber, die nur
       wenig einnimmt. Von rund 37 der 736 aktuellen und 11 ausgeschiedenen
       Abgeordneten fehlen die Daten noch, vor allem von Union und FDP. Die taz
       hat die Daten, die es schon jetzt gibt, ausgewertet und bei einigen
       Bundestagsmitgliedern genauer nachgebohrt.
       
       Dabei zeigt sich, dass ein Großteil der Bundestagsmitglieder neben den
       normalen Diäten von rund 10.000 Euro monatlich nur wenig zusätzlich
       einnimmt. Im Schnitt liegt der Nebenverdienst derzeit bei nur rund 15.500
       Euro brutto über die gesamte laufende Legislaturperiode, das sind weniger
       als 1.000 Euro im Monat. Insgesamt rund 490 Abgeordnete, also über die
       Hälfte der Bundestagsmitglieder, listen momentan keine Nebenverdienste auf,
       die über 1.000 Euro im Monat oder 3.000 Euro jährlich liegen. Das ist die
       Schwelle, ab der sie gemeldet werden müssen.
       
       Einige wenige Bundestagsabgeordnete geben dagegen Nebenverdienste von
       Hunderttausenden Euro brutto über die bisherige Legislaturperiode an.
       Dabei haben es vor allem Hinterbänkler in die ersten zehn geschafft:
       
       Unter ihnen sind einige Selbstständige mit eigenen Unternehmen. Von ihnen
       erwirtschaftete Summen sind nicht mit Gewinnen gleichzusetzen, sondern
       geben vielmehr den Umsatz ihrer Firmen an, von dem unter Umständen ein
       großer Teil für Lohnzahlungen an Angestellte, Betriebskosten und anderes
       abgeht – wie groß dieser Anteil ist, müssen sie nicht angeben. Das macht
       diese Angaben schwer vergleichbar mit denen von anderen Topverdiener*innen,
       etwa denen, die als Parteifunktionäre über 100.000 Euro brutto im Jahr
       verdienen oder als Buchautor*innen Tausende Euro im Monat nebenher
       erwirtschaften, ohne nennenswerte Betriebskosten zu haben.
       
       Auch zwischen den Fraktionen gibt es beim Nebenverdienst Differenzen. Im
       Schnitt erwirtschaften die Mitglieder der Linken im Bundestag am meisten
       nebenbei. Ihr durchschnittlicher Brutto-Nebenverdienst liegt bei etwa
       23.000 Euro über die gesamte bisherige Legislaturperiode. Das liegt vor
       allem an [2][Sahra Wagenknecht], die seit November 2021 bisher beachtliche
       792.961 Euro brutto einnahm. Weil außerdem die Linksfraktion mit nur 39
       Abgeordneten sehr klein ist, hebt Wagenknecht den Schnitt gewaltig.
       
       Auf Platz zwei sind die Abgeordneten der Union und der Grünen (je
       durchschnittlich rund 18.000 Euro Brutto-Nebenverdienst seit Anfang der
       Legislaturperiode), dahinter die FDP (rund 16.000 Euro). Deutlich unter dem
       Schnitt wirtschaften dagegen AfD-Abgeordnete (rund 12.000 Euro) und
       Sozialdemokraten (rund 10.000 Euro).
       
       Dass Abgeordnete neben ihrer Parlamentstätigkeit noch andere Jobs ausüben,
       ist nicht prinzipiell verwerflich. Erfahrung in bestimmten Berufsfeldern
       kann für die Parlamentsarbeit sogar hilfreich sein. Problematisch werden
       Nebentätigkeiten dann, wenn politische Entscheidungen Auswirkungen auf das
       Berufsfeld haben, in dem Abgeordnete arbeiten.
       
       Genau das geschah mutmaßlich während der Pandemie, wie die sogenannte
       Maskenaffäre zeigt, die im März 2021 die Union erschütterte. Damals
       gelangte an die Öffentlichkeit, dass einige Bundes- und Landespolitiker von
       CDU und CSU in der Pandemie Geschäfte mit Maskenherstellern eingefädelt
       hatten, von denen sie selber profitierten. So etwa die damaligen
       Unions-Bundestagsabgeordneten Georg Nüßlein und Nikolas Löbel, die deswegen
       ihre Mandate abgaben und aus CSU beziehungsweise CDU austraten. Auch gegen
       Ex-Kanzlerkandidat Armin Laschet und den damaligen
       Bundesgesundheitsminister Jens Spahn gab es Vorwürfe.
       
       [3][Zwar wurde letztendlich niemand verurteilt], doch sorgten die
       Enthüllungen für die Einsicht, dass für das Vertrauen ins Parlament ein
       gewisser Grad an Transparenz nötig ist: Der Bundestag beschloss die neuen
       Transparenzregeln. Nach den Regeln, die bis dahin galten, mussten
       Abgeordnete ihre Nebenverdienste nur in Stufen angeben.
       
       Anti-Korruptions-Aktivist*innen sehen in den neuen Transparenzregeln einen
       Fortschritt. Norman Loeckel von Transparency International sagt: „Durch die
       Regeln werden mögliche Interessenkonflikte zwischen den eigenen
       wirtschaftlichen Interessen und den politischen Tätigkeiten für alle
       sichtbar und zugänglich.“ Um deren Legitimität beurteilen zu können,
       brauche es aber eigentlich auch Informationen über die Arbeitszeit, die
       durch Nebentätigkeiten anfällt. Die müssen Abgeordnete bisher nicht
       angeben. Loeckel sagt weiter: „Wichtig ist es, insbesondere bei den
       Abgeordneten hinzuschauen, die durch Dienstleistungen sehr viel Geld
       verdienen.“
       
       Auch Léa Briand von Abgeordnetenwatch.de begrüßt die neuen Regeln. Sie sagt
       aber: „Es bleiben weiterhin viele Ausnahmen.“ Sie beklagt: „Wir wissen
       nicht, ob Regelverstöße kontrolliert und sanktioniert werden.“ Ebenfalls
       kritisch sieht Briand, dass das Gesamtvermögen von Minister*innen und
       Abgeordneten nicht aufgelistet werden muss sowie die Regelungen für
       nebenberufliche Anwält*innen, die die Namen ihrer Mandant*innen
       verschweigen dürfen.
       
       Abgesehen von solchen Lücken gibt es aber noch ein weiteres Problem der
       neuen Transparenzregeln: die Bundestagsverwaltung. Denn sie scheint mit der
       Umsetzung völlig überfordert. So sind die Angaben, die es bisher auf
       bundestag.de gibt, teils chaotisch und schwer zu entziffern. Vor allem aber
       hängt die Bundestagsverwaltung dramatisch hinter ihrem Zeitplan her, den es
       für die Veröffentlichung der Nebeneinkünfte einst gab. Ursprünglich sollten
       die Angaben für alle Abgeordneten schon 2021 veröffentlicht werden, zuletzt
       hieß es dann, bis Ostern 2023 werde man fertig. Auch diese Frist ist nun
       verstrichen und noch immer fehlen einzelne Angaben. Auf Anfrage, wann die
       restlichen Angaben folgen sollen, sagt eine Sprecherin: „In den nächsten
       Tagen.“
       
       ## Einige Topverdiener*innen im Porträt:
       
       ## Ophelia Nick verdient dank Firmenanteilen Millionen
       
       Ophelia Nick geht mit ihrem Erbe nicht hausieren. Auf ihrer Website zeigt
       sich die Grünen-Abgeordnete als Biobäuerin. Nebenbei habe sie einen
       Förderverein für das Basketballtraining ihrer Kinder gegründet. Kein Wort
       zur Unternehmensgruppe Voith.
       
       Ein Vorfahre Nicks hat den Maschinenhersteller im 19. Jahrhundert
       gegründet. Bis heute ist der Konzern, auf mehrere Holdings verteilt, im
       Familienbesitz. Bis zur Bundestagswahl fungierte Nick in den
       Beteiligungsgesellschaften als Geschäftsführerin und Vorstandsmitglied. Als
       sie parlamentarische Staatssekretärin im Landwirtschaftsministerium wurde,
       gab sie die Posten auf.
       
       Als Miteigentümerin verdient sie allerdings weiter gut an ihrem Erbe. Die
       Voith-Gruppe wirft zuverlässig Gewinne ab, zumal das Unternehmen 2020 zwei
       unprofitable Werke geschlossen hat. Für diese Legislaturperiode meldete
       Nick Einkünfte über 1.740.164 Euro. Damit führt sie die
       Einkommens-Rangliste an. Noch nicht einberechnet ist eine Dividende von
       über 400.000 Euro, die die Abgeordnete laut Handelsregister aus einer
       weiteren Familienholding erhalten hat, aber wegen einer Übergangsregelung
       im Abgeordnetengesetz nicht angeben musste. Der Zeitaufwand neben Amt und
       Mandat ist laut Nick mit „circa drei Gesellschaftersitzungen im Jahr“
       überschaubar.
       
       Das Risiko von Interessenkonflikten sehe sie nicht, da sie in den
       Unternehmen nicht operativ tätig sei. Das gelte auch für drei weitere
       Beteiligungen an landwirtschaftlichen Betrieben, die dem anthroposophischen
       Demeter-Konzept folgen. Diese Betriebe schütten keine Gewinne an Nick und
       ihre Miteigentümer*innen aus.
       
       ## Sahra Wagenknecht polarisiert – und macht das zu Geld
       
       Im Bundestag ist Sahra Wagenknecht nicht allzu oft anzutreffen, aber dafür
       gehört die frühere Linken-Fraktionsvorsitzende zu den
       Spitzenverdiener*innen unter den Abgeordneten. Seit der
       Bundestagswahl verzeichnet sie Nebeneinkünfte von insgesamt 792.961,43
       Euro. Den Großteil davon verdankt sie ihrem Bestseller „Die
       Selbstgerechten“. Das 2021 erschienene Buch, eine Generalabrechnung mit der
       Linken im Allgemeinen und ihrer Partei im Besonderen, brachte ihr bislang
       ein Honorar von 720.868,99 Euro ein. Die Abrechnung für 2022 steht noch
       aus.
       
       Ansonsten resultieren ihre Einnahmen unter anderem aus einer mittlerweile
       eingestellten monatlichen Kolumne für Focus Online (16.050 Euro) sowie
       diversen Veranstaltungsteilnahmen, die alle eins gemeinsam haben: Bezahlt
       wurden sie durchweg von wirtschaftsliberalen Schweizer Geldgebern. So trat
       Wagenknecht für jeweils 10.000 Euro beim Anlagesymposium der Swiss Rock
       Asset Management AG, beim Efficiency Club Zürich sowie beim Schweizerischen
       Institut für Auslandforschung auf.
       
       Ihre Auftritte vor Wirtschaftskreisen begründete Wagenknecht gegenüber der
       Neuen Züricher Zeitung damit, dass sie als Ökonomin Bücher zur Finanz-,
       Banken- und Euro-Krise geschrieben habe. „Um diese komplexen Probleme in
       einer ausreichenden Tiefe analysieren zu können, halte ich es für wichtig,
       mich auch mit Vertretern der Finanzbranche auszutauschen“, zitiert die NZZ
       das Noch-Linken-Mitglied. Die Schweizer Zeitung überzeugte das „nur
       bedingt“, denn schließlich sei Wagenknecht „vornehmlich als Expertin für
       den angeblichen Irrweg der ‚Lifestyle-Linken‘“ eingeladen worden und nicht,
       um im Detail über Wirtschaftswissenschaften zu sprechen.
       
       ## Robert Farles Einkünfte waren schon früher nebulös
       
       Die AfD-Fraktion im Bundestag war ihm nicht russlandfreundlich genug.
       Deshalb ist Robert Farle im September 2022 ausgetreten und sitzt nun als
       einer von sechs Fraktionslosen im Bundestag. Als einziger von ihnen
       verzeichnet er überhaupt Nebeneinkünfte. Sie liegen in der aktuellen
       Legislaturperiode bei 418.000 Euro und damit auf Platz sechs im
       Gesamtranking. Mitglied der AfD ist er noch immer.
       
       Seine Nebeneinkünfte bezieht Farle aus den Gewinnausschüttungen von drei
       Steuerkanzleien, in denen er Geschäftsführer ist. Seine Tätigkeit
       beschränke sich dort, seitdem er sein Mandat angetreten hat, vor allem auf
       die „laufende Qualitätskontrolle“, sagt er auf Anfrage der taz. Wöchentlich
       würden dafür 2 bis 4 Arbeitsstunden anfallen, und zwar ausschließlich nach
       Feierabend oder am Wochenende. Monatlich kämen maximal 16 Stunden zusammen.
       Aus seiner Tätigkeit als Steuerberater habe er sich „nahezu vollständig“
       zurückgezogen.
       
       Farles Nebeneinkünfte waren schon einmal Thema. T-online veröffentlichte
       2021 eine Recherche, laut der Farle über Jahre hinweg Zahlungen von der
       SED, der Staatspartei der damaligen DDR, bekommen haben soll. Bis 1992 war
       er 17 Jahre lang für die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) in
       Nordrhein-Westfalen aktiv. Die DKP wurde in dieser Zeit maßgeblich über ein
       Netz von Tarnfirmen von der DDR finanziert. Farle stritt ab, Zahlungen der
       SED bekommen zu haben.
       
       ## Alexander Engelhard macht mit Mehl kräftig Umsatz
       
       Der CSU-Abgeordnete Alexander Engelhard ist ein gutes Beispiel dafür, dass
       die Angaben zum Nebenverdienst in die Irre führen können. Rund 415.000 Euro
       hat er laut Bundestag in der aktuellen Legislaturperiode erwirtschaftet.
       Weil es dabei aber um seine eigene Firma – eine Getreidemühle in
       Attenhofen, Bayern – geht, ist das Geld nicht komplett auf Engelhards
       privatem Konto gelandet. Stattdessen müsse man „den Wareneinsatz, die
       Personalkosten, die Energiekosten, die Steuern, die Betriebskosten, die
       Verwaltungskosten, die Abschreibungen, die Zinsaufwendungen“ abziehen,
       sagte Engelhard der taz. Als Gewinn bleibe „ein Bruchteil des Betrages, der
       veröffentlicht werden muss“. Wie viel das ist, sagt er nicht.
       
       Im Bundestag sitzt Engelhard auch im Ausschuss für Verbraucherschutz.
       Interessenkonflikte oder Zeitprobleme gebe es wegen seiner Nebentätigkeit
       nicht, sagt er der taz: „Die Politik hat immer Vorrang.“
       
       Bei seinem Vorgänger im Wahlkreis Neu-Ulm war das nicht immer der Fall. Der
       damalige CSU-Abgeordnete Georg Nüßlein geriet 2021 in die Schlagzeilen, als
       bekannt wurde, dass er Verkaufsverträge für Masken vermittelt hatte, von
       denen er selbst finanziell profitierte. Diese sogenannte Maskenaffäre, in
       der auch Vorwürfe gegen andere Unionspolitiker laut wurden, war der Anstoß
       für die neuen Transparenzregeln.
       
       ## Kristine Lütke führt ein Pflegeheim
       
       Die Geschäfte eines Pflegeheims führen und gleichzeitig Gesundheitspolitik
       machen? Kristine Lütke von der FDP sieht da kein Problem. Seit 2021 ist sie
       Bundestagsabgeordnete, sie kandidierte im Wahlkreis Roth in Bayern. Mit den
       Einnahmen aus ihren Nebentätigkeiten in Höhe von 97.587 Euro belegt sie
       nach aktuellem Stand Platz 23. Drei Viertel dieser Einnahmen stammen aus
       ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin der Seniorenbetreuung „bei St. Otto“.
       Auf Anfrage der taz schreibt Lütke, ein Großteil ihres Einkommens stamme
       aus Tätigkeiten vor dem Bundestagsmandat und wäre nachträglich verbucht
       worden. Überprüfen lässt sich das nicht.
       
       Gleichzeitig ist Lütke Mitglied im Gesundheitsausschuss des Bundestags.
       Dort diskutieren 42 Mitglieder über Gesundheitspolitik und bereiten
       politische Entscheidungen vor. Die Frage, ob für sie ein Interessenkonflikt
       besteht, beantwortet Lütke auf Anfrage nicht. Stattdessen verweist sie auf
       ihre Rolle als Sprecherin der FDP-Fraktion für Sucht- und Drogenpolitik.
       Die Pflegepolitik werde von der pflegepolitischen Sprecherin der Fraktion
       verantwortet. Sie argumentiert außerdem, dass es sogar wünschenswert wäre,
       „wenn noch viel mehr Mandatsträger ihre praxisnahen Erfahrungen als
       Lehrerin, Pfleger, Architektin oder Handwerker in ihre politische Arbeit
       einfließen lassen könnten“.
       
       17 Apr 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.bundestag.de/abgeordnete/nebentaetigkeit
 (DIR) [2] /Das-Guru-Business-von-Sahra-Wagenknecht/!5923771
 (DIR) [3] /Maskenaffaere-von-CSU-Abgeordneten-/!5867609
       
       ## AUTOREN
       
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