# taz.de -- Buch „Lecker-Land ist abgebrannt“: Immer wieder Zucker, Zucker, Zucker
       
       > Der taz-Autor Manfred Kriener schildert im Buch „Lecker-Land ist
       > abgebrannt“ Probleme des heutigen Ernährungssystems, auch die der
       > Bio-Branche.
       
 (IMG) Bild: Beim Essen rät Manfred Kriener dazu, nach Möglichkeit selbst zu kochen
       
       Dass Manfred Kriener jemand ist, der gewinnend und lebendig formuliert,
       weiß ich spätestens, seit ich ihn im Rahmen meines Engagements für den
       [1][Verein Slow Food] kennengelernt habe. Er war damals Chefredakteur des
       Slow Food-Magazins, ich einfach nur Vereinsmitglied. Seitdem schätze ich
       ihn und seinen kritischen Geist sehr.
       
       Leider ist unser Kontakt irgendwann eingeschlafen, und umso mehr habe ich
       mich gefreut, als mich Freunde auf sein neues Buch „Lecker-Land ist
       abgebrannt“ aufmerksam gemacht haben. Spannend wie ein Krimi liest es sich,
       was (leider) nicht bedeutet, dass die darin beschriebenen Zustände frei
       erfunden sind.
       
       Wer sich von dem Buch allerdings plakative Botschaften à la „alle
       Fleischesser sind schlechte Menschen“ erhofft, wird enttäuscht werden. Auf
       238 Seiten beschreibt Kriener sachlich, aber pointiert und mit viel Humor
       die Höhen und Niederungen der Ernährungstrends, die unsere heutige Zeit zu
       bieten hat.
       
       Was mich – die sich schon berufsbedingt viel mit den Auswirkungen unseres
       Ernährungssystems beschäftigt – am meisten gepackt hat, sind die vielen gut
       recherchierten Fakten zu unserem Essen und unserer Esskultur. Die manchmal
       schon [2][fast religiösen Züge der Veganer-Bewegung] werden dabei ebenso
       unter die Lupe genommen wie die krankmachenden Konsequenzen eines scheinbar
       nicht enden wollenden Fleischhungers.
       
       In den insgesamt elf Kapiteln seines Buches behandelt Kriener so ziemlich
       alles, was auf unsere Tische kommt: pflanzliche Fleischersatzprodukte,
       zelluläre Hackbraten, Putenbrust von überzüchteten Tieren der Rasse „B.U.T.
       Big 6“, verlauster Lachs und immer wieder Zucker, Zucker, Zucker. Die
       fatalen Zustände, die in vielen Ställen herrschen, sind längst kein
       Geheimnis mehr.
       
       Auf detaillierte Beschreibungen von Spaltböden und wenig artgerechten
       Haltungsmethoden verzichtet Kriener deshalb. Stattdessen lenkt er unseren
       Blick auf die ökologischen, ökonomischen und gesundheitlichen Folgen eines
       Fleischkonsums, der mit rund 1.100 Gramm pro Person und Woche deutlich über
       den Empfehlungen der FAO oder der Deutschen Gesellschaft für Ernährung
       liegt.
       
       Auch die Bio-Branche entpuppt sich bei einem genaueren Blick häufig allein
       als „das kleinere Übel“. Paradoxerweise trägt gerade der Erfolg des
       ökologischen Landbaus dazu bei, dass sich einige Entwicklungen der
       konventionellen Landwirtschaft und die damit einhergehenden Probleme zu
       wiederholen scheinen. Großbetriebe mit mehr als 30.000 Hennen, das will
       nicht so ganz zu unserem Bild vom glücklichen Bio-Huhn passen.
       
       Aus meiner Sicht etwas zu kurz kommt in „Lecker-Land ist abgebrannt“ das
       Thema Klimawandel. Zwar beschreibt der Autor an vielen Stellen die
       [3][Auswirkungen, die unsere Ernährung auf das Klima hat]. „Unbestritten
       ist, dass unsere Ernährungsgewohnheiten einen wesentlich größeren Einfluss
       auf das globale Klima haben als lange angenommen“, heißt es etwa. Gerade
       deshalb hätte dem Klimawandel allerdings ruhig ein eigenes Kapitel gewidmet
       werden können. Aber es gibt ein solches zum Thema Wein – auch nicht
       uninteressant.
       
       Dass unser heutiges Ernährungssystem nicht gesund ist, weder für uns noch
       für unseren Planeten, wird einem bei der Lektüre von Krieners Buch
       jedenfalls schnell deutlich.
       
       ## Weitreichende Folgen fürs Klima
       
       Auch die Europäische Kommission hat dies erkannt und kürzlich mit der
       Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ erstmals ein umfassendes Papier
       vorgelegt, das sich mit dem gesamten Ernährungssystem – von der
       Landwirtschaft über die Herstellung, die Verarbeitung, den Handel bis zu
       den Endkonsumenten – beschäftigt. Und in meinem Ministerium arbeitet seit
       Mitte Mai 2020 ein eigenes Referat „Umwelt und Ernährung“ ausschließlich zu
       Fragen der nachhaltigen, umweltverträglichen Ernährung.
       
       Das Bewusstsein für die weitreichenden Folgen der Lebensmittelherstellung
       für Klima und Umwelt ist inzwischen auch in den Köpfen vieler
       Konsumentinnen und Konsumenten angekommen, auch deshalb ist das Thema
       Ernährung heute so präsent wie nie zuvor. Es gibt unzählige Kochshows,
       Foodblogs, Ernährungsmessen, Kochbücher und Ratgeber. Letztendlich führt
       dies bei vielen vor allem zu Verunsicherung. Was kann man heute überhaupt
       noch essen, wenn man sich gesund, umweltbewusst und genussvoll ernähren
       will?
       
       Manfried Kriener versucht bewusst nicht, diese Frage zu beantworten.
       Vielmehr gibt er den Leserinnen und Lesern das Rüstzeug an die Hand, sich
       selbst eine Meinung zu bilden. Ein Ratgeber soll sein Buch nicht sein. So
       gibt es am Schluss auch nur eine einzige Empfehlung: „Kochen Sie selbst so
       oft wie möglich, meiden Sie jeden Industriefraß, misstrauen Sie den
       Fertiggerichten der Ernährungskonzerne.“
       
       Die Autorin ist seit 2018 Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und
       nukleare Sicherheit.
       
       18 Jun 2020
       
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