# taz.de -- AfD im Blick des Verfassungsschutzes: Unter Beobachtung
       
       > Es ist eine Zäsur: Der Verfassungsschutz erklärt die AfD zum Prüffall,
       > die Parteijugend und den „Flügel“ zu Extremisten.
       
 (IMG) Bild: Nein! Doch! Oh!
       
       Berlin taz | Am Ende zitiert Thomas Haldenwang Artikel 1 des Grundgesetzes:
       „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen, ist
       Verpflichtung aller staatlicher Gewalt.“ Haldenwang hält kurz inne. „Dieser
       Pflicht bin ich heute nachgekommen.“
       
       [1][Haldenwang, der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz], steht
       am Dienstagnachmittag in Berlin vor Journalisten. Erst wenige Stunden zuvor
       hatte er zur Pressekonferenz geladen. Sein Ton ist nüchtern, aber seine
       Worte haben es in sich. Denn Haldenwang erklärt die AfD ab sofort zum
       Prüffall für seinen Geheimdienst: Es gebe „erste tatsächliche Anhaltspunkte
       für eine gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung ausgerichtete
       Politik“ der Partei. Funktionäre würden sich „völkisch-nationalistisch“
       äußern, auch muslimfeindlich und unter Verletzung der Garantie der
       Menschenwürde. Noch sei eine Schwelle zur vollen Beobachtung nicht
       überschritten. Zu prüfen sei nun, ob diese Äußerungen repräsentativ für die
       Gesamtpartei seien.
       
       Die AfD-Jugend Junge Alternative (JA) und das weit rechte Sammelbecken Der
       Flügel werden indes schon heute weitergehend behandelt: als Verdachtsfall.
       Hier gebe es bereits „gewichtige Anhaltspunkte“ für extremistische
       Bestrebungen, erklärt Haldenwang. Die Gruppen können nun mit
       nachrichtendienstlichen Mitteln überwacht werden.
       
       Für die AfD ist der Schritt eine Zäsur: Ab sofort steht die Partei nun auch
       unter offiziellem, staatlichem Rechtsextremismusverdacht – und rückt näher
       an Neonazi-Parteien wie der NPD heran. Das Schmuddelimage wird größer.
       
       ## „Verfaulte Demokratie“
       
       Seit Wochen hatte eine Arbeitsgruppe im Bundesamt für Verfassungsschutz
       Material aus den Landesämtern über die AfD ausgewertet. 1.069 Seiten
       Papier, alles aus öffentlichen Quellen: Parteiprogramme, 182 Reden,
       Postings in sozialen Medien. Die Facebookprofile von 80 Funktionären wurden
       geprüft, darunter alle Landesvorstände.
       
       Zuvor hatten mehrere Politiker die Beobachtung der Rechtsaußenpartei
       gefordert. Immer weiter war diese nach rechts gerückt, immer wieder fiel
       sie mit Äußerungen von einer „verfaulten Demokratie“ auf, von
       „Quotennegern“, türkischen „Kameltreibern“ oder „messernden“ Flüchtlingen.
       In Chemnitz stand die AfD im Sommer schließlich zusammen mit Pegida und
       Neonazis auf der Straße – für viele Verfassungsschützer ein Wendepunkt.
       
       Im Gutachten der Prüfgruppe im Verfassungsschutz heißt es nun, einige
       AfD-Funktionäre verträten „klar fremdenfeindliche Positionen“, sie träten
       für eine „demütigende Ungleichbehandlung“ von Nichtdeutschen ein.
       Geflüchtete würden pauschal als „Aggressoren“ oder „Invasoren“ bezeichnet.
       Gewarnt würde vor einer „Zersetzung“ der deutschen Gesellschaft. Als dies
       sei nicht im Einklang mit der Verfassung.
       
       Andererseits seien diese Äußerungen noch „nicht hinreichend verdichtet“,
       erklärt Haldenwang. Zu heterogen sei die 30.000 Mitglieder zählende Partei.
       Auch enthielten die Parteiprogramme bisher keine verfassungsfeindlichen
       Positionen. Die AfD werde deshalb weiter nur mit öffentlich zugänglichen
       Mitteln beobachtet, so Haldenwang. Erst wenn sich der Verdacht erhärtet,
       würde sie zum Verdachtsfall.
       
       Diesen Status hat nun bereits die AfD-Jugend inne, genau wie der Flügel um
       den Thüringer Rechtsaußen Björn Höcke, dem immerhin ein Drittel der
       AfD-Mitglieder zugerechnet werden. Für die Verfassungsschützer war hier der
       Fall klar. Im Gutachten wird der Deutschlandplan der JA zitiert: von
       „Messer-Migration“ ist dort die Rede, von einer „Dreckskultur“ der
       Geflüchteten. Diese würden Deutschland „überschwemmen“ und zum
       „Freiluftbordell“ machen. Der Verband habe eine „klare migrations- und
       muslimfeindliche Haltung“, so der Verfassungsschutz. Auch der „Flügel“
       bekommt ein harsches Urteil. Dieser werte Migranten pauschal ab,
       Kriminalität von Zuwanderern werde „krass überzeichnet“.
       
       Und „wie ein roter Faden“ ziehe sich die Relativierung des historischen
       Nationalsozialismus durch Aussagen. Höcke habe hier „eine überragende
       Rolle“ inne. Auch Andreas Kalbitz, Spitzenkandidat der Brandenburger AfD,
       sei prägend.
       
       Sowohl Mitglieder des „Flügels“ als auch der JA darf der Verfassungsschutz
       nun in Personenregistern abspeichern, auch ihre Kommunikation überwachen
       oder V-Leute einsetzen. Letzteres aber, so heißt es im Verfassungsschutz,
       seien schwere Eingriffe, die bei der AfD vorerst nur „theoretischer Natur“
       seien. Haldenwang kündigt aber an, die Abteilung für Rechtsextremismus im
       Bundesamt um 50 Prozent aufzustocken.
       
       ## AfD sieht „Vorverurteilung“
       
       Die AfD kritisiert am Nachmittag das Vorgehen scharf. Von einer
       „Vorverurteilung“ vor den Landtagswahlen im Herbst spricht Fraktionschefin
       Alice Weidel. „Die Bürger sollen verschreckt werden.“ Der Verfassungsschutz
       werde „zur Bekämpfung eines unliebsamen politischen Mitbewerbers
       missbraucht“.
       
       AfD-Parteichef Alexander Gauland kündigt derweil an, mit dem Flügel und der
       JA unverändert weiterzuarbeiten. Höcke und Kalbitz hätten die volle
       Unterstützung der Partei. Co-Chef Jörg Meuthen beteuert, die AfD sei eine
       Rechtsstaatspartei und stehe uneingeschränkt hinter der Verfassung. „Mögen
       sie also prüfen“, so Meuthen. „Am Ende wird nichts dabei herauskommen.“
       
       Tatsächlich birgt der Schritt des Verfassungsschutzes Gefahren für die
       Partei. Bürgerliche Wähler könnten nun doch abgeschreckt werden. Und Beamte
       in der Partei – Polizisten, Soldaten, Beschäftigte im öffentlichen Dienst –
       könnten Probleme bekommen, weil ihnen eine Pflicht zur Verfassungstreue
       abverlangt wird.
       
       Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) erklärt, er stehe hinter der
       Entscheidung des Verfassungsschutzes. Diese habe zwar auch politische
       Bedeutung. Es sei letztlich aber eine fachliche Entscheidung des
       Bundesamtes. Im Verfassungsschutz hieß es, man habe „keinen politischen
       Druck empfunden“. Tatsächlich traf das Bundesamt die Entscheidung vorerst
       allein.
       
       Theoretisch könnten die Landesämter die Sache noch ganz anders sehen. In
       den kommenden Tagen werde man sich zusammensetzen, kündigt Haldenwang an.
       Sachsens Verfassungsschutz erklärte am Dienstag aber bereits, mit der AfD
       nun genau so zu verfahren wie das Bundesamt. Und [2][Thüringens
       Verfassungsschutzchef] Stephan Kramer sagte, er sehe sich in seiner
       Bewertung der AfD bestätigt.
       
       Kramer hatte zuvor schon Fakten geschaffen: Er erklärte schon im September
       die Thüringer AfD zum Prüffall. Und Bremen, Niedersachsen und
       Baden-Württemberg nahmen bereits zuletzt schon die JA unter Beobachtung.
       
       Die AfD kündigt noch am Nachmittag an, gegen die Beobachtung des Bundesamts
       klagen zu wollen. Die Argumente des Verfassungsschutzes seien nicht
       tragfähig, so Parteichef Gauland. „Außerordentlich gelassen“ sehe man
       möglichen Klagen entgegen, hieß es im Verfassungsschutz. Haldenwang sagt es
       so: Es sei die Pflicht seines Verfassungsschutzes tätig zuwerden, „wenn
       tatsächliche Anhaltspunkte für die verfassungsfeindliche Ausrichtung einer
       Partei bestehen“. Das tue man nun.
       
       15 Jan 2019
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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