# taz.de -- Rot-Rot-Grün: Die SPD gibt ihren Erbhof ab
       
       > Der wichtige Bereich Stadtentwicklung geht im künftigen Senat an die
       > Linkspartei, der bisher dafür zuständige Senator Andreas Geisel wird
       > Innensenator.
       
 (IMG) Bild: Wer hätte das gedacht: Bausenator Andreas Geisel wird Innensenator
       
       Eigentlich hätte man darauf wetten können, dass die SPD den Posten des
       Stadtentwicklungssenators mit Messern und Säbeln verteidigt. Schließlich
       wurde er von SPD-Senator zu SPD-Senator quasi vererbt, und der Bau von
       30.000 landeseigenen Wohnungen angesichts des starken Bevölkerungswachstums
       ist eine der wichtigsten Aufgaben der neuen Landesregierung. Diesen Prozess
       zu steuern lag und liegt auch dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller,
       der dieses Amt zuvor innehatte, am Herzen. Doch so endet die
       Aufgabenverteilung im kommenden Senat mit einer Überraschung: Die Linke ist
       künftig für Bauen und Mieten zuständig, namentlich Katrin Lompscher. Zudem
       wird die bisherige Riesenverwaltung auch noch aufgeteilt: Umwelt und
       Verkehr, für die zuletzt auch Andreas Geisel zuständig war, fallen an die
       Grünen.
       
       Letzteres ist keine Überraschung: Von den drei Parteien haben am ehesten
       die Grünen den Anspruch, umwelt- und verkehrspolitische Akzente zu setzen
       und zuallererst den Volksentscheid Fahrrad abzuräumen – indem sie die
       meisten Forderungen umsetzen. Eine Politik gegen RadlerInnen machen zu
       müssen würde die Koalition sehr wahrscheinlich zu Fall bringen. Unklar war
       bis Redaktionsschluss allerdings noch, wer von den Grünen den Job
       übernimmt.
       
       Andreas Geisel, ein enger Vertrauter des Regierenden, darf sich fortan um
       das Innenressort kümmern. Ein durchaus prestigeträchtiger Posten – mit
       allerdings beschränktem Gestaltungsspielraum, insbesondere verglichen mit
       seinem bisherigen Amt. Geisel ist also weggelobt worden – so behält Müller
       einen sicheren Unterstützer an seiner Seite, und die beiden Juniorpartner
       können trotzdem einen personalpolitischen Erfolg verbuchen.
       
       Viele andere Personalentscheidungen sind keine Überraschung: Klaus Lederer,
       der Nochparteichef der Linken, wird wie erwartet Kultursenator – ein Amt,
       das seit 2006 in Personalunion mit dem des Regierenden verbunden war. Doch
       dieser Senat darf nicht mehr nur acht, sondern kann zehn SenatorInnen
       benennen; davon profitiert das Kulturressort. Zudem wird Lederer für Europa
       zuständig sein. Die Wissenschaft dagegen geht an Michael Müller.
       
       Auch Ramona Pop, bisher Kofraktionschefin der Grünen, geht wie erwartet ins
       Kabinett und wird Senatorin für Wirtschaft. Man darf gespannt sein, ob sie
       aus dem Posten mehr herausholt als ihre beiden CDU-Vorgängerinnen, die im
       Amt blass blieben, sodass ihren Namen kaum einer kannte. Schließlich bleibt
       der tatsächlich von allen drei Parteien geschätzte Finanzsenator Matthias
       Kollatz-Ahnen (SPD) im Amt.
       
       Wie Geisel konnte sich auch Dilek Kolat im Senat halten, auch sie eine
       Vertraute Müllers. Doch wie Geisel muss sie inhaltlich umdenken: Sie ist
       nun für Gesundheit und Verbraucherschutz zuständig – beides nicht unbedingt
       ihr Beritt.
       
       Die Ressorts Arbeit und Soziales und offenbar auch Integration gehen an die
       Linkspartei. Als Senatorin war am Mittwoch die langjährige Abgeordnete Elke
       Breitenbach im Gespräch. Ihre Fachkenntnis ist unbestritten, eine Rolle im
       Senat wäre allerdings neu für die 55-jährige Politologin. Carola Bluhm,
       deren Name ebenfalls kursierte, hat in dieser Funktion dagegen Erfahrung
       gesammelt: Unter Rot-Rot war sie von 2009 bis 2011 bereits Senatorin für
       Integration, Arbeit und Soziales. Unklar war zunächst, ob die
       Ausländerbehörde statt wie bisher bei der Innenbehörde nun bei der
       Integrationsverwaltung angesiedelt wird.
       
       Sie ist die Wackelkandidatin: Sandra Scheeres hat seit 2011 für die SPD das
       Bildungsressort verantwortet, dem in der letzten Legislatur noch
       Wissenschaft zugeschlagen war. Tatsächlich konnte die 46-Jährige wenige
       positive Akzente setzen: Was bei den Eltern vor allem hängen blieb, war die
       Abschaffung der Kitagebühren – was als Verdienst von SPD-Fraktionschef Raed
       Saleh gilt. Die zentralen Herausforderungen der nächsten Jahre:
       Schulsanierung, Fachkräftemangel, Kitaplatzausbau. Kein bequemes Ressort –
       wohl auch deshalb wurde nie eine Alternative zum Fragezeichen Scheeres
       gehandelt.
       
       Zeit für einen Wechsel ist auf jeden Fall für den Rechtsexperten der
       Grünen, Dirk Behrendt. Er selbst hatte das erkannt und nicht mehr für das
       Parlament kandidiert, zumal sein Lebensgefährte nun auch in der Fraktion
       sitzt. Eigentlich hatte der 45-jährige Behrendt mit dem Gedanken gespielt,
       in seinen Richterberuf zurückzukehren oder sich um ein Bundestagsmandat zu
       bewerben. Nun wird er Justizsenator. Die verkrusteten Strukturen in den
       Knästen müssten aufgebrochen werden, hat er in der Opposition gefordert.
       Jetzt kann der Parteilinke zeigen, dass Reformen möglich sind.
       
       16 Nov 2016
       
       ## AUTOREN
       
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