# taz.de -- „Sachsensumpf“ vor Gericht: Puffgeschichten und Protestkarten
       
       > Wegen Recherchen im „Sachsensumpf“ stehen wieder die Journalisten Thomas
       > Datt und Arndt Ginzel in Dresden vor Gericht. Es geht um die
       > Pressefreiheit.
       
 (IMG) Bild: Angeklagt: Thomas Datt und Arndt Ginzel
       
       DRESDEN taz | „Die Bedeutung dieses Prozesses reicht über die sächsischen
       Landesgrenzen hinaus“, stellte Sprecher Hendrik Zörner vom Deutschen
       Journalistenverband (DJV) fest. Spitzenvertreter des DJV waren am
       vergangenen Freitag nach Dresden gekommen, um ihren angeklagten Kollegen
       Thomas Datt und Arndt Ginzel den Rücken zu stärken.
       
       Wenn am Dienstag deren Berufungsverhandlung vor dem Dresdner Landgericht
       beginnt, geht es um nichts Geringeres als die Pressefreiheit. Davon ist
       auch Christian Mihr von der internationalen Vereinigung „Reporter ohne
       Grenzen“ überzeugt.
       
       Die freien Recherche-Spezialisten Datt und Ginzel, die für Medien wie den
       Spiegel, die Zeit oder für ARD-Anstalten arbeiten, waren im August 2010 vom
       Amtsgericht Dresden wegen Verleumdung zu Geldstrafen von je 50 Tagessätzen
       à 50 Euro verurteilt worden. Als „Dresdner Journalistenprozess“ sorgte das
       Verfahren schon damals für Aufsehen.
       
       Bestraft wurden letztlich zwei Fragesätze in einem Online-Artikel der Zeit
       aus dem Jahr 2008, die der Richter als Tatsachenbehauptung ansah. Sie
       betrafen zwei Leipziger Polizisten, die im Jahr 2000 wegen einiger später
       als „Sachsensumpf“ bekannt gewordener Korruptionsverdächtigungen
       ermittelten. Die beiden Journalisten akzeptierten das Urteil nicht.
       
       Als 2007 Dossiers des zwischenzeitlich auch mit der organisierten
       Kriminalität befassten sächsischen Verfassungsschutzes auftauchten, machte
       ein Fallkomplex mit möglichen Leipziger Verfilzungen die meisten
       Schlagzeilen. Unter anderem ging es auch um das Minderjährigenbordell
       „Jasmin“, das Ende Januar 1993 von der Polizei liquidiert wurde.
       
       ## Auffallend mildes Urteil
       
       Zwei ehemalige Zwangsprostituierte wollen später im Gerichtssaal und auf
       Fotos hochrangige Leipziger Justizbeamte als ihre Freier wiedererkannt
       haben. Weil sie auch 2008 bei dieser Behauptung blieben, wurden auch sie
       von der Staatsanwaltschaft Dresden angeklagt und stehen zufällig zeitgleich
       mit dem Journalisten-Berufungsprozess vor Gericht.
       
       Einer der angeblichen Freier sprach 1994 als Richter ein auffallend mildes
       Urteil gegen den Bordellbetreiber. Als er erfuhr, dass deswegen wegen des
       Verdachts der Rechtsbeugung gegen ihn ermittelt wurde, wehrte er sich mit
       einer Dienstaufsichtsbeschwerde. Datt und Ginzel, die in der
       „Sachsensumpf“-Affäre umfangreich recherchierten, fragten in dem
       inkriminierten Artikel lediglich, ob die Polizisten möglicherweise illegal
       ermittelten und ob sie wegen der Beschwerde des einflussreichen
       Landgerichts-Vizepräsidenten unter Druck gerieten.
       
       Bezeichnenderweise wollten die beiden Polizeibeamten 2008 selber keine
       Anzeige wegen Verleumdung erstatten. Das übernahm erst ihr Vorgesetzter,
       der Leipziger Polizeipräsident und derzeitige CDU-Oberbürgermeisterkandidat
       Horst Wawrzynski. In der ersten Instanz waren Datt und Ginzel außerdem von
       einem zweiten Vorwurf freigesprochen worden. Er betraf die Zuarbeit zu
       einem Spiegel-Artikel gleichen Themas.
       
       ## Freispruch gefordert
       
       Nach Auffassung von DJV-Hauptgeschäftsführer Kajo Döhring haben sich die
       beiden Journalisten „berufsethisch und juristisch korrekt verhalten“.
       Investigative Recherche sei kein Straftatbestand. Es sei überhaupt äußerst
       ungewöhnlich, dass mit Mitteln des Strafrechts und nicht presserechtlich
       gegen die Journalisten vorgegangen werde.
       
       Döhring äußerte den Verdacht, dass die beiden Rechercheure „mundtot gemacht
       werden sollen, damit Wahrheiten nicht ans Licht kommen“. Man werde die
       beiden Kollegen notfalls bis zu einem Gang vor das Bundesverfassungsgericht
       unterstützen. Auch die sächsische DJV-Vorsitzende Ine Dippmann forderte in
       zweiter Instanz nunmehr einen Freispruch.
       
       Dippmann verwies auf wiederholte enge Kontakte zwischen dem sächsischen
       Justizministerium und der Dresdner Staatsanwaltschaft. Noch während der
       Amtszeit des früheren Justizministers Geert Mackenroth (CDU) seien 2008
       beauftragte Mitarbeiter des Ministeriums zu der Einschätzung gekommen, dass
       sich der beanstandete Artikel „noch im Rahmen des rechtlich Zulässigen
       bewegt“, zitierte sie ein entsprechendes Dokument. An Sachsens
       Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) soll ein Stapel Protestpostkarten
       übergeben werden.
       
       13 Nov 2012
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Bartsch
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