# taz.de -- Urteil zum Zwischenlager Brunsbüttel: Und wenn der A 380 abstürzt?
       
       > Ein Gericht hat dem Atom-Zwischenlager die Genehmigung entzogen. Jetzt
       > liegen die Gründe vor: Viele Risiken wurden nicht bewertet. Eine Analyse.
       
 (IMG) Bild: Als hier im Februar 2006 der erste Castor-Behälter eingelagert wurde, war vom Airbus A 380 noch nicht die Rede: Zwischenlager Brunsbüttel
       
       BERLIN taz | Es ist das bisher strengste Urteil gegen ein deutsches
       Zwischenlager. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Schleswig hat Ende Juni die
       Genehmigung des Atommüll-Zwischenlagers am stillgelegten AKW Brunsbüttel
       aufgehoben. [1][Jetzt hat das Gericht die schriftliche Urteilsbegründung
       vorgelegt.] 
       
       Die taz erklärt das Urteil. Aus welchen Gründen hat das OVG die Genehmigung
       aufgehoben? Die vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) erteilte Genehmigung
       des Zwischenlagers habe an vier Punkten die Risiken nicht richtig ermittelt
       und bewertet.
       
       1. Das Bundesamt habe zwar in Rechnung gestellt, dass Terroristen einen
       Passagierjet kapern und gezielt in das Atommüll-Zwischenlager abstürzen
       lassen könnten. Es habe dies aber nicht für den neuen Riesen-Airbus A 380
       geprüft, der 60 Prozent schwerer ist als der Langstrecken-Airbus A 340 und
       dessen Tanks 50 Prozent mehr Kerosin enthalten. Der A 380 ist zwar erst
       seit 2007 im Einsatz, doch zum Zeitpunkt der Genehmigung des Lagers
       Brunsbüttel 2003 seien die wesentlichen Konstruktionsdaten bereits bekannt
       gewesen, so die Richter.
       
       2. Auch habe das BfS einkalkuliert, dass Terroristen in das Zwischenlager
       gelangen können, um mit Panzerfäusten auf die dort lagernden
       Castor-Behälter zu feuern. Bei der Untersuchung seien aber nur Panzerfäuste
       auf dem technischen Stand von 1992 berücksichtigt worden, während neuere
       Waffen größere Durchschlagskraft haben und schneller nachgeladen werden
       können.
       
       3. Bei der Frage, welches die für Anwohner maßgeblichen Grenzwerte im Falle
       eines Terrorangriffs sind, hatte das Bundesamt nur auf den
       Evakuierungs-Richtwert von 100 Millisievert pro Woche abgestellt. Das
       Gericht will aber auch den viel strengeren Umsiedelungs-Richtwert von 100
       Millisievert pro Jahr geprüft sehen.
       
       4. Bei der Überlegung, wieviel Kerosin nach einem Flugzeugabsturz ins
       Innere des Zwischenlagers fließt und dort verbrennt, wurden die
       dramatischsten zwanzig Prozent der möglichen Fälle einfach außer Acht
       gelassen. Das entspreche nicht dem Gebot der bestmöglichen Gefahrenabwehr
       und Risikovorsorge, betonten die Richter.
       
       Welche Rolle spielte im Prozess die Geheimhaltung von Unterlagen? 
       
       Das Bundesamt hat dem Gericht viele Unterlagen gar nicht oder nur
       geschwärzt vorgelegt. Denn Terroristen sollten nicht erfahren, wie sich die
       Betreiber im Detail auf Angriffe vorbereiten. Nach dem Urteil behauptete
       das Bundesamt, das Gericht habe „vor allem kritisiert“, dass Unterlagen
       nicht vorgelegt wurden. Das ist aber falsch. Die Geheimhaltung hat zwar im
       Detail die Beweismöglichkeiten der Behörde verschlechtert, dies war aber
       nicht prozessentscheidend.
       
       Ist das Urteil schon rechtskräftig? Nein. Das OVG hat zwar keine Revision
       zugelassen. Dagegen ist aber eine Nichtzulassungsbeschwerde möglich. Eine
       Sprecherin des Bundesamts sagte der taz, im Moment werde das Urteil noch
       geprüft. Klägeranwalt Ulrich Wollenteit rechnet damit, dass die Behörde
       Beschwerde einlegt, diese vom Bundesverwaltungsgericht dann aber
       zurückgewiesen wird.
       
       „Das Bundesverwaltungsgericht hat 2012 in seinem Urteil zum Zwischenlager
       Unterweser bereits deutlich gemacht, dass es eine Prüfung von
       Terrorangriffen mit dem neuen großen Airbus und mit panzerbrechenden Waffen
       der neuesten Generation für nötig hält“, begründet Wollenteilt seinen
       Optimismus.
       
       Was passiert in Brunsbüttel, wenn das Urteil rechtskräftig wird? Dann hat
       das Zwischenlager keine Genehmgung mehr. Im Moment befinden sich dort neun
       Castor-Behälter, die dort nur für eine kurze Übergangsfrist bleiben
       könnten. Soll am AKW Brunsbüttel weiter ein „standortnahes“ Zwischenlager
       betrieben werden, was vom Atomgesetz grundsätzlich vorgesehen ist, muss
       dieses völlig neu genehmigt werden. Es müssen also nicht nur die fehlenden
       Prüfungen nachgeholt werden. Das heißt zum Beispiel, dass neue aktuelle
       Gutachten erstellt werden müssen und eine neue
       Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist.
       
       Welche Bedeutung hat dies für Castor-Behälter aus England und Frankreich?
       Derzeit sucht der Bund Zwischenlager für deutschen Atommüll, der noch in
       den Aufbereitungsanlagen von La Hague (Frankreich) und Sellafield (England)
       lagert. Das Land Schleswig-Holstein hat dafür wegen seiner
       verkehrsgünstigen Lage das Zwischenlager Brunsbüttel angeboten. Das könnte
       nun schwierig werden. Zwar hätte auch die Einlagerung des Atommülls aus La
       Hague und Sellafield genehmigt werden müssen, weil dafür andere Behälter
       als üblich benutzt werden. Ein neues Genehmigungsverfahren für die ganze
       Anlage dürfte aber deutlich länger dauern.
       
       Hat das OVG-Urteil Auswirkungen auf andere Zwischenlager und AKWs? Nur am
       Zwischenlager Unterweser ist die Genehmigung noch nicht bestandskräftig.
       Dort prüft derzeit das Oberverwaltungsgericht Lüneburg, ob der Schutz gegen
       Terroranschläge zum Zeitpunkt der Genehmigung ausreichend war. Das
       Bundesamt kann dies auch im laufenden Verfahren noch nachweisen.
       
       Stimmt es, dass der Schutz der Zwischenlager gegen abstürzende
       Riesen-Airbusse 2010 bereits nachgewiesen wurde? Das behauptet das
       Bundesamt für Strahlenschutz und beruft sich auf eine neueres Gutachten.
       Das OVG Schleswig hatte aber Zweifel, ob dieses Gutachten
       wissenschaftlichen Ansprüchen genügt. Es handele sich nur um Schätzungen
       auf der Grundlage von alten Gutachten zu anderen Flugzeugen. Das OVG
       Schleswig hatte die Frage letztlich offen gelassen, weil die Genehmigung
       des Zwischenlagers Brunsbüttel schon aus mehreren anderen Gründen
       rechtswidrig war.
       
       Muss die Atomaufsicht nun handeln? Die Atomaufsicht kann von den Betreibern
       von Zwischenlagern und AKWs Nachrüstungen verlangen, wenn neue Gefahren
       auftauchen oder bekannt werden. Dies ist auch dann möglich, wenn die
       jeweilige Genehmigung schon bestandskräftig ist. Die Aufsichtsbehörden
       werden also genau beobachten, welche Ergebnisse die Untersuchungen zum
       gezielten Absturz eines Airbus 380 und zum Einsatz von neuartigen
       Panzerfäusten erbringen oder diese selbst in Auftrag geben. Derzeit werden
       die Zwischenlager mit Blick auf neuartige terroristische Angriffsoptionen
       nachgerüstet. Um welche Art von Angriffen es dabei geht, ist wiederum
       geheim.
       
       Was ist der größte Erfolg des Prozesses gegen das Zwischenlager in
       Brunsbüttel? Der größte Erfolg datiert schon aus dem Jahr 2008. Damals
       hatte das Bundesverwaltungsgericht ein erstes Urteil des OVG Schleswig
       aufgehoben und festgestellt, dass atomrechtliche Vorschriften zum Schutz
       vor Terroranschlägen nicht nur die Allgemeinheit schützen, sondern auch
       einzelne Anlieger. „Das war ein echter Paukenschlag im Atomrecht“, erinnert
       sich Ulrich Wollenteilt, der auch das damalige Urteil erstritten hat.
       Seitdem können Anlieger, die gegen eine Genehmigung klagen, sich auch auf
       den mangelnden Anti-Terror-Schutz berufen. Vorher war dies nicht möglich.
       
       31 Aug 2013
       
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 (DIR) [1] http://umweltfairaendern.de/wp-content/uploads/2013/08/OVGSchleswigKKB-ZL4KS308Urteil.pdf
       
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