# taz.de -- Bundestag über Waffenlieferungen: Ungewöhnlich sachlich
       
       > Selten sachlich hat der Bundestag über Waffen für Nordirak debattiert.
       > Aber sowohl Regierung als auch Opposition blieben wichtige Erklärungen
       > schuldig.
       
 (IMG) Bild: Warum sind Waffenlieferungen besser als keine? Merkel beantwortete das nicht.
       
       BERLIN taz | Eigentlich war am Montagnachmittag alles vorhanden, was eine
       einprägsame, bedeutende Bundestagsdebatte ausmacht: ein symbolisches Datum,
       der 75. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen. Ungewöhnliche
       Umstände, eine Sondersitzung. Ein zentrales, neues Thema: Deutschland
       rüstet erstmals mit Waffen aus Bundeswehrbeständen eine nichtstaatliche
       Miliz auf, die Peschmerga.
       
       Trotzdem verlief die Debatte in absehbaren Bahnen: Union und SPD stützen
       die Waffenlieferungen, Grüne und Linkspartei warnen. Aber: Es war eine
       weitgehend sachliche Diskussion, ohne die Routinen des Schlagabtauschs
       zwischen Regierung und Opposition. Sogar SPD-Fraktionschef Thomas
       Oppermann, der Mann fürs Grobe, hielt sich diesmal zurück. Am Ende stimmte
       eine große Mehrheit der Abgeordneten im Bundestag für die Waffenlieferungen
       in den Nordirak.
       
       Angela Merkel spannte einen weiten außenpolitischen Bogen von der
       glücklichen Vereinigung in der EU über die Ukraine bis nach Afghanistan.
       Was den „Islamischen Staat“ (IS) angeht, herrschte Einigkeit von der
       Kanzlerin bis zur linken Flügelfrau der Linkspartei, Ulla Jelpke: Der IS
       ist eine extrem bösartige Terrorbande. Merkel beteuerte, sich über der
       Risiken der Waffenlieferungen klar zu sein, und erklärte etwas leutselig,
       man wolle damit keinesfalls „zentrifugale Kräfte im Irak unterstützen“. Wie
       sich das damit verträgt, dass die Kurden im Nordirak kaum verhüllt einen
       eigenen Staat anstreben, bleibt unklar. Warum diese Gefahren geringer sind,
       als auf Waffenlieferungen zu verzichten, verriet die Kanzlerin nicht.
       
       Überhaupt war das, was sie ausließ, das Interessanteste. Etwa, dass die
       Jesiden durch die PYD, die syrische PKK, gerettet wurden. Die PKK aber gilt
       hierzulande als Terrororganisation – ein Widerspruch, den SPD und Union
       umschifften, indem sie wolkig „den Kurden“ ganz allgemein dankten.
       
       ## Gysi fordert humanitäre Hilfe
       
       Linksfraktionschef Gregor Gysi kritisierte das offenkundig Bigotte dieser
       Sondersitzung: dass das Parlament nur per unverbindlichen
       Entschließungsantrag beteiligt ist, aber nicht über die Waffenlieferung
       abstimmen darf. Gysi forderte, anstatt Waffen zu exportieren, lieber mehr
       humanitäre Hilfe zu gewähren und den UN-Sicherheitsrat in Aktion zu setzen.
       Dies beinhaltet die allerdings sehr vage Möglichkeit eines internationalen
       militärischen Eingreifens gegen die IS-Miliz. Für die streng auf
       pazifistische Reinheitsgebote achtende Linkspartei ist sogar das schon
       bemerkenswert.
       
       Auch bei Gysi war das Interessanteste das, was er nicht sagte. Vor drei
       Wochen [1][plädierte er – zur allgemeinen Verblüffung – für
       Waffenlieferungen] an die Kurden. Heute sieht er dies komplett anders. Man
       kann ja immer klüger werden. Aber Gysi deutete noch nicht mal an, was
       seinen Meinungsumschwung auslöste. Überzeugend ist das nicht.
       
       Die genaueste Begründung für die Waffenlieferung skizzierte SPD-Mann Thomas
       Oppermann, der sich geschickt von der Vokabel „Tabubruch“ der
       Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) absetzte. Das sei
       „fahrlässiges Gerede“ der CDU-Frau. Denn: Es gehe nicht darum, kommerzielle
       Waffenexporte zu erleichtern oder eine neue Skizze für die Außenpolitik
       anzufertigen. Sondern nur darum, in diesem speziellen Fall einen Völkermord
       zu verhindern. Eine Ausnahme, kein Exempel.
       
       Die Subbotschaft lautete: Der mäßigende Außenminister Steinmeier (SPD) und
       Vizekanzler Gabriel (SPD), der Waffenexporte reduzieren will, machen es
       richtig, von der Leyen macht es es falsch. Angesichts der Lobeshymnen, die
       SPD- und Unionspolitiker sonst gegenseitig auf sich halten, ist man sogar
       für solche Zwischentöne schon dankbar. Zu dem etwas angeschlagen wirkenden
       Oppositionsführer bemerkte SPD-Mann Oppermann, Gysi fehle die klare Linie.
       Das klang fast friedlich.
       
       1 Sep 2014
       
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