# taz.de -- Das PKK-Verbot steht zur Debatte: Öcalan sieht nicht mehr so böse aus
       
       > Der IS-Vormarsch macht die Kurden zum Partner des Westens. Grüne und
       > Linke fordern das Ende des PKK-Verbots. Andere sind skeptisch.
       
 (IMG) Bild: Mit Öcalan-Bannern gegen den „Islamischen Staat“: kurdische Jesiden bei einer Demonstration Anfang August in Bielefeld
       
       BERLIN taz | Seit Jahren streitet die Linken-Abgeordnete Ulla Jelpke dafür,
       das Verbot der kurdischen PKK in Deutschland aufzuheben. Das war nicht
       immer populär. Doch durch die Entwicklung im Nordirak erhält sie plötzlich
       ungewohnt viel Rückenwind. Selbst die konservative Frankfurter Allgemeine
       Zeitung fragte unlängst, „ob der deutsche Blick auf die PKK geändert werden
       muss“, und fand bei SPD, und sogar der Union gleich mehrere Politiker aus
       der zweiten Reihe, die das genau so sehen.
       
       Und bei der Debatte über Waffenlieferungen in den Nordirak am Montag im
       Bundestag sprachen sich Gregor Gysi und Hans-Christian Ströbele dafür aus,
       das Verbot zu überdenken. „Man kann das nicht zum Tabu erklären, sondern
       muss beobachten, was in der Türkei passiert“, forderte am Mittwoch auch
       Grünen-Chef Cem Özdemir am Rande einer Klausurtagung seines Parteivorstands
       in Potsdam und verwies dabei auf den Friedensprozess zwischen der
       türkischen Regierung und der PKK. „Man muss synchron zu diesem Prozess
       vorgehen“, forderte er.
       
       Er sei zwar als „scharfer Kritiker der PKK“ bekannt. Aber angesichts des
       Terrors der IS-Milizen müsse man anerkennen, dass es sich bei der PKK wie
       auch bei den Kurden im Nordirak um säkulare Bewegungen handele. „Es liegt
       im westlichen Interesse, diese Kräfte zu stärken“, sagte Özdemir.
       
       Die Debatte über eine Neubewertung der PKK war im August entbrannt, als
       sich PKK-Kämpfer aus der Türkei im Kampf gegen die IS-Milizen an die Seite
       der kurdischen Peschmerga-Einheiten aus dem Nordirak gestellt hatten.
       Linken-Chef Gregor Gysi sprach sich deshalb in der taz für
       Waffenlieferungen an die PKK aus, und selbst Andreas Schockenhoff, der
       stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, zeigte sich dafür offen.
       Beide ruderten später zurück. Merkel und Steinmeier stellten Ende August
       klar dann, dass die PKK keine Waffen aus Deutschland bekommen soll.
       
       ## Verboten seit 1993
       
       Auch das deutsche PKK-Verbot werden beide so schnell nicht aufheben. Der
       CSU-Politiker Stephan Mayer, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Innen der
       Unionsfraktion, findet diese Frage „angesichts der dramatischen Situation
       vor allem im Nordirak sicherlich nachvollziehbar“. Doch in den hierzulande
       über 13.000 PKK-Anhängern macht er nach wie vor ein „Gefahrenpotenzial“ für
       die innere Sicherheit Deutschlands aus, da „die Einstellung der PKK zur
       Gewalt – vorsichtig formuliert – nach wie vor ambivalent ist“, so Mayer.
       Auch der Außenpolitikexperte der Grünen, Omid Nouripour, ist skeptisch: „Es
       gab gute Gründe für das Verbot, die derzeit nicht aktuell scheinen“, sagt
       er. Doch für eine Aufhebung des Verbots sei es wohl noch zu früh.
       
       Auch das Bundesinnenministerium (BMI) „erkennt gegenwärtig keinen
       sachlichen Grund, in Überlegungen über eine Aufhebung des PKK-Verbots
       einzutreten“, wie ein Sprecher erklärte. „Das Verbot wurde 1993 erlassen,
       um schwerwiegende Gefahren für die innere Sicherheit und das friedliche
       Zusammenleben in Deutschland abzuwehren.“ Zwar habe die PKK hierzulande
       seither von allzu militanten Aktionen abgesehen, „ihr Verhältnis zur Gewalt
       bleibt jedoch taktisch motiviert“, heißt es aus dem BMI.
       
       In den neunziger Jahren forderte der Kurdenkonflikt in der Türkei über
       40.000 Tote, Folter und Mord waren an der Tagesordnung. Deutschland stand
       in diesem Konflikt fest an der Seite der Türkei: Es lieferte Panzer an den
       Nato-Verbündeten und versuchte, die Strukturen der PKK in Deutschland zu
       zerschlagen.
       
       Die PKK zeigte zu jener Zeit auch wenige Skrupel. In der Türkei verübte sie
       Selbstmordanschläge und Bombenattentate, ermordete Lehrer, schickte
       Minderjährige in den Kampf und verstrickte sich in den Drogenhandel. In
       Deutschland machten ihre Anhänger durch Anschläge auf türkische
       Einrichtungen und Autobahnblockaden von sich reden. Es kam auch zu Morden
       an PKK-Aussteigern und Schutzgelderpressungen.
       
       ## Dunkle Seiten der PKK
       
       Diese dunklen Seiten ihrer Vergangenheit hat die PKK nie aufgearbeitet, ihr
       Kampf ist aber auch noch nicht vorbei. Noch immer finanziert sie sich durch
       Spenden, die nicht immer ganz freiwillig erfolgen, und noch immer
       rekrutiert sie auch Jugendliche aus Europa für den bewaffneten Kampf in den
       kurdischen Bergen. Erst am Mittwoch wurde bekannt, dass die
       Bundesanwaltschaft in Karlsruhe am vergangenen Freitag einen mutmaßlich
       hohen PKK-Funktionär festnehmen ließ. Wie die oberste Anklagebehörde
       mitteilte, soll der 45-jährige türkische Staatsbürger unter dem Decknamen
       „Kahraman“ hier Geld für die PKK beschafft und Nachwuchs rekrutiert haben.
       
       Anfangs kämpfte die 1978 gegründete PKK für einen eigenen Kurdenstaat auf
       dem Gebiet der Türkei, heute fordert sie eine Art Autonomiestatus für den
       Osten Anatoliens. Seit 1999 sitzt ihr Gründer Abdullah Öcalan auf der
       Gefängnisinsel Imrali vor den Toren Istanbuls im Gefängnis, doch in der PKK
       gilt er immer noch als unbestrittene Autorität. Inzwischen verhandelt die
       türkische Regierung sogar offiziell mit ihm. 2012 hat sie einen
       Friedensprozess eingeleitet, an dessen Ende eine Autonomie für die
       kurdischen Regionen im Osten des Landes und eine Amnestie für die Kämpfer
       der PKK stehen könnte; diese würden im Gegenzug ihre Waffen niederlegen.
       Doch dieser Prozess ist noch fragil, Rückschläge sind nicht ausgeschlossen.
       Auch aus diesem Grund möchte die Bundesregierung nichts riskieren, sondern
       am Status Quo festhalten.
       
       „Ich mache mir keine Illusionen, dass das deutsche PKK-Verbot schon morgen
       fällt, sagt Ulla Jelpke. „Das entscheidet auch nicht allein der Bundestag,
       da redet auch die Türkei ein Wörtchen mit.“ Wichtig sei es jedoch, dass
       sich das Klima gegenüber der PKK ändere. „Kein anderes Land in Europa ist
       so restriktiv gegenüber der PKK wie Deutschland“, sagt Jelpke. „In der
       Türkei ist es inzwischen möglich, bei Demonstrationen mit Symbolen und
       Bildern von Öcalan aufzutreten, ohne dass die Polizei einschreitet.“ In
       Deutschland sei das dagegen noch immer verboten.
       
       Einer ist angesichts der deutschen Debatte bisher auffällig ruhig. Ließ der
       türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan früher kaum eine Gelegenheit
       aus, Deutschland zu bezichtigen, es gehe nicht entschieden genug gegen die
       PKK vor, reagiert er nun mit erstaunlicher Gleichmut. Die Türkei hat im
       Moment wohl andere Probleme.
       
       4 Sep 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Bax
       
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