# taz.de -- Privatasyl statt Flüchtlingsheim: „Hier sind Sie leider falsch“
       
       > Warteschleifen, Absagen, bürokratische Hürden: Ein Zimmer privat an
       > Flüchtlinge zu vermieten ist nicht so einfach. Ein Erfahrungsbericht.
       
 (IMG) Bild: Flüchtlinge aus Syrien vor der Sammelunterkunft in Berlin-Hellersdorf.
       
       Das Zimmer hat fast 30 Quadratmeter. Darin stehen ein Bett, ein
       Kleiderschrank, ein Schreibtisch, zwei Regale und ein großer Spiegel. An
       einer Wand hängt ein Bild von Lyonel Feininger. Es ist ein schönes Zimmer.
       Seit meine Tochter ausgezogen ist, ist es unbewohnt.
       
       Ich könnte es für sie freihalten, wenn sie mal „nach Hause“ kommt. Oder für
       anderen Besuch. Ich könnte es aber auch vermieten. Warum nicht an
       Flüchtlinge? An eine Frau mit Kind zum Beispiel.
       
       Diesen Gedanken habe ich nicht plötzlich, er schleicht sich ein. Die
       Flüchtlinge auf dem Oranienplatz in Berlin, die Fernsehbilder aus Syrien
       und Afghanistan. Die vielen Toten im Mittelmeer. Doch ich verwerfe „meine
       Flüchtlingshilfe“ immer wieder. Will ich wirklich jemanden, den ich nicht
       kenne, so dicht in meine Privatsphäre lassen? Bad und Küche teilen? Schon
       zweimal habe ich an Fremde vermietet, es war jedes Mal eine Katastrophe.
       
       Und dann sind da noch die Gesetze, die vorgeben, dass Asylsuchende und
       Geduldete grundsätzlich in Wohnheimen oder Lagern wohnen sollen. Einfach
       jemanden vom O-Platz aufzunehmen wäre illegal gewesen. Und komplett
       kostenlos kann ich das Zimmer auch nicht vergeben.
       
       ## Nicht helfen, ein Frevel
       
       Die Bilder in den Nachrichten werden eindringlicher, die Zahl der
       Flüchtlinge steigt. In Berlin, wo ich wohne, rechnete man bis Ende des
       vergangenen Jahres mit bis zu 12.000 asylsuchenden Frauen und Männern. In
       ganz Deutschland beantragten bis November 2014 laut Bundesamt für Migration
       und Flüchtlinge 155.427 Menschen Asyl. Sie kommen aus Syrien, Serbien,
       Eritrea, dem Kosovo. Die Flüchtlingsheime sind hoffnungslos überfüllt.
       Mancherorts werden Frauen, Männer und Kinder in Schulen, Turnhallen und
       Hotels untergebracht. Ich sitze in meiner Wohnung und denke: Nicht zu
       helfen wäre ein Frevel.
       
       Als im Herbst der Senat die BerlinerInnen auffordert, an Flüchtlinge zu
       vermieten, bin ich überzeugt: Ich mach das. Aber wie? Ich kenne keine
       Flüchtlinge persönlich und habe keine Kontakte zu
       Flüchtlingsorganisationen. Dann lerne ich Martin Patzelt kennen. Ich treffe
       ihn nicht selbst, aber der CDU-Bundestagsabgeordnete machte im vergangenen
       Sommer Schlagzeilen, [1][weil er Flüchtlinge in seinem Haus im
       brandenburgischen Briesen aufgenommen hatte].
       
       Erst eine Frau aus Afrika, später zwei Frauen mit zwei kleinen Kindern und
       einem Baby. Zwei Tage blieben die Frauen und Kinder bei den Unbekannten in
       der Provinz, dann wollten sie wieder in die Stadt – zurück zu jenen
       Menschen, die ihre Sprache sprechen und die sie kennen. Martin Patzelt sagt
       trotzdem: „Das ist nicht so kompliziert.“
       
       ## Keine Vermittlung
       
       Ich rufe in einem Asylbewerberheim an, in einem benachbarten Bezirk, dem
       ich wenige Tage zuvor mit Kleidung, Schuhen und Bettdecken geholfen hatte.
       Die Mitarbeiterin dort sagt, dass Heime keine Flüchtlinge an
       Privatunterkünfte vermitteln dürfen. Dafür sei der Senat zuständig. Aber
       die Senatsinnenverwaltung wiegelt ab: Machen wir nicht.
       
       Ich werde an das Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) verwiesen.
       Dort gebe es eine Abteilung, die sich um die Unterbringung von Flüchtlingen
       kümmere. Doch die fühlt sich nicht zuständig für die Vermittlung von
       Privatunterkünften. Aber beim LaGeSo gebe es eine Extraeinrichtung, die
       Wohnungen für Flüchtlinge besorge.
       
       Ich rufe dort an, wieder vergebens. Es würden nur Wohnungen vermittelt,
       keine einzelnen Zimmer. Aber ich bekomme einen neuen Tipp: das Evangelische
       Jugend- und Fürsorgewerk (EJF). Die christliche Wohlfahrtsorganisation hat
       eine Homepage mit einer Telefonnummer. Das Problem: Entweder es ist
       besetzt, oder es geht niemand ran. Ich versuche es tagelang erfolglos.
       
       ## Hilfe anbieten, ein Problem
       
       Ich finde eine andere Nummer – und höre: „Mit Ihrem Anliegen sind Sie hier
       falsch, ich gebe Ihnen mal eine andere Nummer.“ So geht das wochenlang. Am
       Ende habe ich einen großen Zettel mit vielen verschiedenen Nummern und
       Namen von Personen, die „leider nicht weiterhelfen können“. Stattdessen rät
       mir eine EJF-Mitarbeiterin, doch direkt in die Beratungsstelle für
       Flüchtlinge zu fahren. Was soll ich dort? Ich brauche keine Hilfe, ich will
       Hilfe anbieten.
       
       Ich verstehe das nicht: Allerorten wird beklagt, dass es nicht genügend
       Wohnraum gibt, in Berlin werden Containerdörfer gebaut, die Menschen werden
       aufgefordert zu helfen. Monika Lüke, die Berliner Integrationsbeauftragte,
       sagt im Radio: „Ziel ist und bleibt, dass so viele Menschen wie möglich in
       eigenen Wohnungen unterkommen können.“ Aber meine Hilfe will niemand.
       Verzweifelt rufe ich die Pressestelle des EJF an. Das wollte ich eigentlich
       nicht tun, ich biete mein Zimmer als Privatperson an und nicht als
       Journalistin. Ich bekomme eine E-Mail-Adresse, schreibe mein Angebot – und
       warte auf Antwort. Nichts.
       
       Zu Beginn des Jahres schickt mir eine Kollegin den Link zu einer Gruppe in
       Brandenburg, die einen „Pool von Solizimmern“ aufbauen will. Die Aktivisten
       schreiben nicht, wer sie sind, es gibt keine Telefonnummer. Dafür schreiben
       sie, dass die „Unterbringungssituation für Geflüchtete“ in Berlin,
       Brandenburg und anderswo „beschissen“ sei. Die Seite macht keinen
       vertrauenerweckenden Eindruck, trotzdem schreibe ich eine Mail. In der
       baldigen Antwort steht, dass sich die Gruppe „teilweise in rechtlichen
       Grauzonen“ bewegt. Nein, das ist nichts für mich.
       
       ## Ignoranz der Behörden
       
       Ich rufe erneut beim EJF an. Meine Wut über die Ignoranz der Behörden und
       Organisationen ist mittlerweile verraucht. Nach dem ersten Klingeln wird
       abgenommen. „Eine Frau? Da muss ich leider passen“, sagt die Dame: „Zurzeit
       haben wir alle infrage kommenden Frauen an Privatunterkünfte vermittelt.“
       Sie notiert trotzdem meine Daten und sagt noch, dass ich ihr eine Kopie
       meines Mietvertrags und eine Erlaubnis meines Vermieters zur
       Untervermietung schicken soll.
       
       Und sie müsse wissen, wie hoch meine Miete, die Betriebs- und die
       Heizkosten sind. Obwohl ich verstehe, dass das Hilfswerk alle Angebote gut
       prüft, um die Flüchtlinge zu schützen, bin ich irritiert: Wieso muss ich
       sagen, ob ich mit Öl oder mit Gas heize?
       
       Egal, ich mache es trotzdem. Ich habe meinem Vermieter gerade eine E-Mail
       geschrieben.
       
       15 Jan 2015
       
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 (DIR) Simone Schmollack
       
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