# taz.de -- Verbot von Verschlüsselung: Die Rückkehr der Krypto-Krieger
       
       > Verschlüsselte Kommunikation? Wenn der Staat im Notfall mitlesen darf.
       > Wie nach den Anschlägen von Paris eine alte Debatte ein Revival feiert.
       
 (IMG) Bild: George W. Bush ist eine unfreiwillige Lichtgestalt der Crypto Wars
       
       Das Blut der Opfer von Paris war noch nicht kalt, da machte der Ruf nach
       einer Verschärfung der Sicherheitsgesetze besonders mit Blick auf
       elektronische Kommunikation schon die Runde. Neben der unvermeidlichen
       Vorratsdatenspeicherung macht inzwischen auch die Forderung nach einem
       Verbot oder zumindest der [1][Beschränkung von Verschlüsselungen] die
       Runde. Barack Obama, David Cameron, Thomas de Maizière: Sie alle wollen
       mitlesen können, was Terrorverdächtige sich zu sagen haben.
       
       Dass sie damit die sichere Kommunikation aller Menschen aufs Spiel setzen,
       scheint sie nicht zu stören. Im Falle von de Maizière bedeutet die
       Forderung dazu noch eine 180-Grad-Wende, ist doch grade mal ein halbes Jahr
       vergangen, seit die Bundesregierung unter dem Eindruck des NSA-Skandals
       Deutschland zum „[2][Verschlüsselungsstandort Nummer eins]“ machen wollte.
       
       Es ist eine Ironie der Geschichte, dass ein wesentlicher Schritt zur
       sicheren Kommunikation im Internet die Wahl George Bushs zum US-Präsidenten
       im Jahr 2000 war. Denn auch wenn unter Bushs Ägide der „Krieg gegen den
       Terror“ eskaliert und unmittelbar damit verbunden das Überwachungssystem
       der NSA massiv ausgebaut worden ist – eine Front hat der Republikaner ruhen
       lassen: die sogenannten Crypto Wars.
       
       Unter diesem Titel werden die Versuche zusammengefasst, Verschlüsselung von
       digitaler Kommunikation erstens als Waffe zu definieren und die dazu
       erforderliche Technologie damit unter anderem Exportbeschränkungen zu
       unterwerfen und zweitens die Mechanismen mit Hintertüren zu versehen, die
       staatlichen Diensten im Bedarfsfall Zugriff auf verschlüsselte
       Kommunikation ermöglichen sollten.
       
       ## Bürgerrechte und Wirtschaftsinteressen
       
       Ausgefochten wurde der Kampf gegen diese Vorhaben von unwahrscheinlichen
       Verbündeten. Einerseits waren da Bürgerrechtler und Open-Source-Advokaten,
       die das Recht auf Privatheit verteidigten. Andererseits zeigten sich Banken
       und überhaupt der gesamte E-Commerce-Sektor an einer starken
       Verschlüsselung interessiert.
       
       Wenn Firmen mit Geldverkehr im Netz eines nicht haben wollen, dann sind das
       bereits von vornherein einprogrammierte Sicherheitslücken im System. Nichts
       anderes aber wären Beschränkungen in der Leistungsfähigkeit der
       Verschlüsselung oder zu „treuen Händen“ hinterlegte Generalschlüssel bei
       Behörden, eines der Lieblingsprojekte des 2000 gegen Bush unterlegenen Al
       Gore.
       
       Um die Jahrtausendwende also glaubten die Advokaten der Verschlüsselung
       [3][ihren Krieg gewonnen zu haben]. Snowdens Enthüllungen dämpften die
       Siegesgewissheit aber – zeigten sie doch, welche Mittel die NSA zum
       Beispiel in die Sabotage von Kryptografie zu stecken bereit ist. Die gute
       Nachricht aber ist bis heute: Eine frei verfügbare
       Verschlüsselungssoftware, Pretty Good Privacy (PGP) wird von Experten
       weiterhin als nicht zu knacken angesehen.
       
       Nicht umsonst wurde eine entscheidende Schlacht der ursprünglichen Crypto
       Wars um PGP geschlagen. Gegen den Erfinder Phil Zimmermann, der den Code
       auch außerhalb der USA verbreiten ließ, wurde lange wegen des Bruchs des
       Exportverbots für Waffen ermittelt. 1996 musste die US-Regierung den Fall
       schließlich aufgeben.
       
       ## Kollateralschäden der Cyber-War-Fantasien
       
       Nun sind sie aber wieder voll dabei, die Krypto-Krieger, und sie beginnen
       denselben absurden Kampf aufs Neue. Unter ihrer Prämisse, dass das Internet
       ein (potenzieller) Kriegsschauplatz sei, geben sie vor, mit einer
       Beschränkung der Sicherheit seiner Nutzer am Ende ein höheres Maß an
       allgemeiner Sicherheit garantieren zu können. Plausible Belege für diese
       Behauptung bleiben sie dabei schuldig.
       
       Schlimmer noch: Kollateralschäden wie der mögliche Bruch der Privatsphäre
       und des Schutzes sensibler Daten durch Dritte sind in den
       Cyberwar-Fantasien auch des deutschen Innenministers eingepreist – denn sie
       sind unvermeidlich. Die gegen diesen Irrsinn gesetzte Forderung des Chaos
       Computer Clubs nach einem [4][Verbot jeglicher unverschlüsselter]
       Kommunikation ist unter diesen Umständen nicht nur eine
       politisch-rhetorische Retourkutsche, sondern die einzig vernünftige Antwort
       auf die neu eröffneten Crypto Wars.
       
       22 Jan 2015
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Reaktion-auf-Anschlaege-in-Paris-/!152789/
 (DIR) [2] /Digitale-Agenda-vorgestellt/!144520/
 (DIR) [3] http://www.fipr.org/press/050525crypto.html
 (DIR) [4] http://www.ccc.de/de/updates/2015/ccc-fordert-ausstieg-aus-unverschlusselter-kommunikation
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniél Kretschmar
       
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